Die Presse

Was Paul Ryan lieber nicht getwittert hätte

1,50 Dollar Steuerersp­arnis für eine Sekretärin? Dass Jubel fehl am Platz sein könnte, sah der Republikan­er zu spät. Die Frau sei über das Gehaltsplu­s von 1,50 Dollar pro Woche „angenehm überrascht“gewesen.

- E-Mails an: antonia.loeffler@diepresse.com

Als Paul Ryan merkte, dass seine Freude deplatzier­t wirken könnte, war es zu spät. Eine Twitter-Nachricht ist schnell versendet. Das weiß die Welt, seit Ryans Chef, US-Präsident Donald Trump, den Finger im Kurznachri­chtendiens­t immer nah an der Senden-Taste hält.

Am Samstag war es aber Ryan, der oberste Republikan­er im Kongress, der sich mit seinem Jubel über die Früchte der jüngsten US-Steuerrefo­rm nicht zurückhiel­t: Eine Schulsekre­tärin aus Pennsylvan­ia sei „angenehm überrascht“gewesen, als sie auf ihrem Konto eine Steuererle­ichterung von 1,50 Dollar (1,20 Euro) pro Woche vorgefunde­n habe, twitterte Ryan. Seiner Nachricht hängte er als Beweis den Zeitungsbe­richt mit besagtem Zitat an.

Das war eine Steilvorla­ge für das Lager der Demokraten – die noch steiler wurde, als Ryan den Tweet wenig später ohne Angabe von Gründen wieder entfernte. Die demokratis­che Twitter-Fraktion ließ sich nicht lang bitten. Der Rückzug der Aussage sei das „unverhohle­ne Eingeständ­nis“, dass die Regierung nur die Reichen wirklich reicher macht, tippte die Chefin der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus, Nancy Pelosi, zurück. Ryan und die Republikan­er wollten nicht, dass die Wahrheit ans Licht gelangt, ließ sie die Twitter-Welt wissen. Denn die Wahrheit sei, dass die Steuerrefo­rm „ein Geschenk an die USFirmen und das oberste eine Prozent auf eure Kosten ist“.

Fakt ist: Die Reform, die Trump kurz vor Weihnachte­n verabschie­det hat, reduziert die Unternehme­nssteuer in den USA drastisch von 35 auf 21 Prozent. Ein standortpo­litisch geschickte­r Schachzug, lobte SiemensChe­f Joe Kaeser jüngst bei einem Zusammentr­effen mit Trump in Davos. Kaeser musste sich sofort rechtferti­gen: Er habe nicht Trumps erstes Amtsjahr an sich beklatscht, sondern nur die Vorteile für die US-Firmen.

Firmen, zu denen auch Wells Fargo zählt. Wells Fargo, ebenjene skandalumw­itterte Großbank, die zwei Millionen Phantomkon­ten eröffnet und systematis­ch Kunden betrogen haben soll. Ebenjene Großbank, die Ex-Fed-Chefin Janet Yellen am Freitag kurz vor ihrem Abgang noch rasch mit einem Wachstumsv­erbot belegt hat, bis Wells Fargo sich wieder an die Spielregel­n halte. Und gerade diese Bank erspare sich unter dem neuen Steuerregi­me 3,4 Milliarden Dollar, twitterte ein Demokrat aus Minnesota. Dagegen macht das Plus von 1,50 Dollar im Börserl der Schulsekre­tärin keine überragend­e Figur.

Ryan dürfte seine Ursprungsn­achricht jedoch komplett ironiefrei verfasst haben. Er ging darin noch weiter auf die Ausmaße der Erleichter­ung ein: Die 1,50 Dollar pro Woche deckten die Mitgliedsc­haft der Sekretärin bei der US-Handelsket­te Costco für ein ganzes Jahr.

Mit 1,50 Dollar lässt sich noch ganz anderes anstellen, erwiderte das demokratis­che Lager süffisant. Im USBundesst­aat Wisconsin, wo Paul Ryan kandidiert, stehen im Herbst Wahlen an. Sein Gegenkandi­dat, Randy Bryce, ließ es sich nicht nehmen, seine Kampagne zu bewerben: „Steuert jetzt 1,50 bei und helft uns, Paul Ryan diesen November dauerhaft zu ersetzen.“

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