Warum Kursschwankungen nicht das Schlimmste sind
Volatilität ist eines der meistgefürchteten Risiken, weshalb viele Menschen Aktien meiden. Andere Risiken werden gerne übersehen. Da die Inflation sich zumeist im niedrigen einstelligen Bereich hält, schreckt sie keinen. Langfristig kostet sie viel Geld.
Viele Österreicher meiden Aktien wie der Teufel das Weihwasser. Die leichte Korrektur an den europäischen Aktienmärkten in den vergangenen Tagen scheint ihnen Recht zu geben. Aktien neigen zum Schwanken. Wer heute Aktien kauft, weiß nicht, wie viel sie in einem Jahr wert sein werden. Im schlimmsten Fall sind sie dann weniger wert. Beim Sparbuch oder bei einem Bankkonto ist das nicht so: Da hat man nach einem Jahr nominell mindestens den gleichen Betrag, oft aufgefettet durch mickrige Zinsen.
Freilich: Hundertprozentig sicher ist das nicht, wie 30.000 wohlhabende Bankkunden aus Zypern berichten könnten, die 2013 de facto enteignet wurden. Dennoch: Von schweren Krisen abgesehen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass einem das Sparguthaben nominell erhalten bleibt. (Für Einlagen bis 100.000 Euro gilt zudem die Einlagensicherung.)
Die Wahrscheinlichkeit, dass die erworbenen Aktien nach einem Jahr nicht gefallen sind, ist geringer. Sie beträgt 71 Prozent: Einer Erhebung der Credit Suisse zufolge („Global Investment Returns Yearbook 2017“) haben Anleger zwischen 1900 und 2016 mit weltweiten Aktien in 34 von 117 Jahren Geld verloren. In 20 Jahren davon fielen die Verluste zweistellig aus, in zwei Jahren (1931 und 2008) lagen sie sogar über 40 Prozent.
Aktienverluste schrecken durch ihre schiere Häufigkeit, während nominelle Sparbuch-Verluste selten sind und die Inflation sich in einem Jahr zumeist im niedrigen einstelligen Bereich hält. Auch bei Anleihen kommt es selten so dick wie in den schlimmsten Aktienjahren – wiewohl es auch dort zu Verlusten (Kursverluste und Ausfälle) kommen kann: Den CreditSuisse-Daten zufolge verlor man 1919 mit weltweiten Anleihen – bei breiter Streuung – 22 Prozent. Da zugleich auch die Inflation hoch war, beliefen sich die Verluste real auf 32 Prozent. Dennoch besagt ein Sprichwort – das seit der Griechenlandkrise nicht mehr ganz so oft strapaziert wird –, dass man mit Aktien gut essen, mit Anleihen aber gut schlafen kann.
Das trifft zu, wenn man Kursschwankungen als das höchste Risiko ansieht: Wer heute Anleihen kauft mit der Absicht, sie bis zum Laufzeitende zu halten, weiß jetzt schon, was er dafür erhalten wird: Regelmäßig den fixen Kupon und am Ende das Geld zurück. Mit einer mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeit – je nach Bonität des Emittenten – ist das auch so.
Sofern nicht das Ausfallrisiko schlagend wird: Wie unangenehm das sein kann, haben zuletzt etwa Wienwert-Anleger erfahren. Oder das Zinsänderungsrisiko: Allein die Aussicht, dass die Notenbanken ihre Geldpolitik straffen könnten, hat seit Jahresbeginn die Renditen von Staatsanleihen weltweit steigen und die Kurse fallen lassen. Gut, das Zinsänderungsrisiko betrifft nur jene An- leger, die Anleihen zwischenzeitlich handeln wollen, die anderen müssen sich lediglich mit geringeren Zinsen zufriedengeben, als der Markt bereits hergäbe. Und ein Ausfallrisiko gibt es auch bei Aktien. (Bei Anleihen wie Aktien tut daher Streuung gut.)
Langfristig gibt es jedoch noch ein Risiko, das ähnlich wie Ausfall- und Zinsänderungsrisiko gerne übersehen wird: das einer geringen Rendite. Wie stark das ist, hat Christian Fegg in einem Analysebrief der Schoellerbank kürzlich ausgeführt: Aus einer Anlage von 100 Dollar im Jahr 1926 wurden bis Ende des Vorjahres 2200 Dollar, wenn man in Geldmarktpapiere investiert hätte. Das entspricht einer Rendite von 3,5 Prozent pro Jahr. Mit Gold kam man auf 5900 Dollar, mit USStaatsanleihen auf 14.200 Dollar und mit Aktien (inklusive reinvestierter Dividenden) auf 634.000 Dollar. Und das Schwankungsrisiko? Das kann man bei langfristiger Betrachtung und breiter Streuung getrost vernachlässigen.