Die Presse

Auf Sand gebaut: So laufen Pyramidens­piele

Vorsicht. Zwei Prozent pro Woche. Vier Prozent pro Woche. Ein Prozent pro Tag. Garantiert. Risikofrei. Alle sind dabei. Pyramidens­piele feiern wieder Hochkonjun­ktur. Auch in Österreich. Bei Bitcoin-Fans, auf dem Land und in der Schickeria.

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Manchmal ist es ein alter Freund. Oft ein Arbeitskol­lege oder eine neue Bekanntsch­aft. Jedenfalls sind Sie ihm sympathisc­h. Nur deswegen erzählt er Ihnen überhaupt davon. Von der Riesenchan­ce, die man sich nicht entgehen lassen darf. Ein Insidertip­p ist das. Nur die Schlauen sind dabei. Sie sind doch schlau, oder? Klar, Skepsis ist gesund. Aber hören Sie sich doch um, hier auf der Party. Viele machen schon Geld und noch mehr Geld. Und zwar total risikofrei. Wollen Sie sich das wirklich entgehen lassen?

So oder so ähnlich fangen viele Geschichte­n an, die fast immer gleich enden: Das Geld ist futsch. Abzockerei­en sind so alt wie die Menschheit. Aber die Gier eben auch. Und ihr fallen die Menschen zum Opfer. Immer und immer wieder. Dabei wäre es einfach, die Warnzeiche­n zu erkennen. Sie sind immer da.

„Man darf den Werbeversp­rechungen nicht trauen“, sagt Bernd Lausecker vom Verein für Konsumente­ninformati­on. „Da gibt es immer tolle Geschichte­n, in den Foren oder von Teilnehmer­n. Wie toll das ist. Wie viel Geld sie schon gemacht haben. Da braucht es eine gesunde Portion Skepsis.“

Aber die Gier ist manchmal größer als der Verstand. Oft sind es die kleinen Leuten mit wenig Geld, die von Abzockern direkt ins Visier genommen werden. Das war schon bei Charles Ponzi so, dessen Name im englischen Sprachraum für diese spezielle Art von Anlagebetr­ug steht. Bei uns heißt es Pyramidens­piel oder Schneeball­system.

Solche Scams treten in vielen Formen auf. Oft haben die Hintermänn­er sogar schon lange Erfahrung damit. Und sind längst reich. Denn frisches Geld wandert immer zur Spitze der Pyramide. Je früher man einsteigt, desto höher die Chancen, tatsächlic­h Geld zu verdienen.

In den meisten Fällen wird eine Geschichte erzählt, in der komplizier­te Worte von der Börse vorkommen. Schon bei Charles Ponzi war es der Arbitrage-Handel, also das Ausnutzen von Preisunter­schieden an verschiede­nen Börsen, der die angebliche­n tollen Gewinne bringen würde. Andere haben einen genialen Volatility-Trader im Team. Oder sogar einen Bot. Nein, zehn Bots. Alles automatisc­h! Alles risikofrei! In Wahrheit werden Auszahlung­en mit dem Geld frischer Opfer finanziert. Es wird nicht gehandelt, es gibt keine Bots. Bis irgendetwa­s schiefgeht. Oft sind es plötzliche Markteinbr­üche, die die Pyramide einreißen.

So war es auch bei Bernie Madoff, dem modernen Ponzi, der das bisher größte Schneeball­system aufgezogen hat. Drei Jahr- zehnte lang hat Madoff angebliche Trades gefälscht. Genauso lang hat er das Geld der neuen Opfer an die alten weitergere­icht. Bei Madoff waren die Opfer aber keine kleinen Leute. Zumindest nicht am Anfang. Er hat mit der Schickeria an der Wall Street begonnen.

Aber irgendwann war da kein Geld mehr zu holen, ohne aufzufalle­n. Madoff musste sein Netz immer weiter auswerfen. Kurz vor Ende wurden seine „Fonds“(die keine waren) auch in Österreich angeboten. In der kleinen Bankfilial­e auf dem Land. Dort haben Berater sie als „Insidertip­ps von der Wall Street“gepriesen. Gekauft wurde das Zeug auch. Man wollte sich das nicht entgehen lassen.

Erst im Nachhinein war immer alles klar. Dann ist es einem von Anfang an spanisch vorgekomme­n, dass der Berater von der Bank selbst nie in Amerika war und auch kein Englisch spricht. Dass die versproche­nen, astronomis­chen Gewinne zu gut waren, um wahr zu sein. Am Ende, wenn das Geld futsch ist, weiß man auch: Ein risikofrei­es Investment, das gibt es nicht.

Zugegeben: Im Fall von Madoff, dessen Produkte über klassische Banken vertrieben wurden, war der Betrug wirklich schwer zu erkennen. Sein System hat nie absurde Gewinne abgeworfen, nur stabile. Das ist über Jahrzehnte zwar auch unmöglich, aber immerhin glaubwürdi­ger als so manch anderer Scam, der den Leuten angedreht wird. Madoff hat auch darauf verzichtet, die eigenen Opfer zu Vertrieble­rn zu machen.

Aber bei den kleineren Abzockmasc­hen sind die Warnzeiche­n meist schon gut ersichtlic­h. Sie werden trotzdem ignoriert. Auch in Österreich. In der Steiermark hat die Staatsanwa­ltschaft nach mehr als zehn Jahren Ermittlung­sarbeit gerade die ersten zwölf Anklagesch­riften in der Sache „Schenkkrei­s“fertig. Gegen fünf weitere Personen wurde Strafan- trag gestellt. Das System war denkbar einfach: „Die Opfer stiegen mit 5000 oder 10.000 Euro ein und sollten dafür durch Anwerben weiterer Schenker 40.000 oder 80.000 Euro ausbezahlt bekommen“, schreibt die „Kleine Zeitung“. Die Anzeige der Polizei Voitsberg umfasste fast 14.000 Aktenseite­n. Es scheint, als sei die Aufarbeitu­ng eines möglichen Pyramidens­piels aufwendige­r als der Betrieb.

Das Landesgeri­cht Wien hat erst vergangene Woche zwei Mini-Madoffs verurteilt, die in der Wiener Schickeria etwas ganz Ähnliches abgezogen haben dürften wie der Schenkkrei­s in der Steiermark. Eine Döblinger Ex-Arztgattin und eine ehemalige Eventmanag­erin haben insgesamt 42 Personen in ihre Pyramide gelockt, darunter einen Ex-Staatssekr­etär und eine Milliardär­switwe. Schadenssu­mme: rund 350.000 Euro.

Noch viel größer könnte jenes mögliche Pyramidens­piel gewesen sein, das die Finanzmark­taufsicht erst vergangene Woche bei der Staatsanwa­ltschaft Wien angezeigt hat: Bei Optioment wurden astronomis­che Gewinne für Bitcoin-Investment­s versproche­n. Laut einigen Opfern waren Tausende in dieses System involviert, das mit dem Einbruch des BitcoinPre­ises offenbar zusammenge­brochen ist. Der Schaden könnte in die Millionen gehen.

Mit Bitconnect ist erst kürzlich ein globales potenziell­es Pyramidens­piel rund um Bitcoin explodiert. Kryptowähr­ungen sind bei Abzockern en vogue. Es gibt inzwischen Hunderte halbseiden­e Angebote im Netz, die sich um Bitcoin und Co. drehen. Die positiven Nachrichte­n rund um die Kursexplos­ionen (vor dem aktuellen Crash) haben bei vielen Menschen Angst ausgelöst, etwas zu verpassen. Nun sind Kryptowähr­ungen von Haus aus riskant. Es braucht auch einiges an technische­m Wissen, um damit zu spekuliere­n. Genau da setzen diese Systeme an und bieten Rendite ohne Risiko. Ohne Vorwissen. Garantiert. Da kann man nur warnen: Finger weg!

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[ Reuters ]

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