Krankentransport: Kasse haftet nicht
Sturz I. Weil ihr der Fahrdienst nicht beim Einsteigen half, verunglückte eine schon verletzte Frau noch einmal. Die Krankenkasse muss aber nicht für den Fehler des Fahrzeuglenkers einstehen.
Weil sie nach einer Operation gehbehindert war, sollte eine Frau via Krankentransport zu einem Kontrolltermin fahren. Doch beim Einsteigen in das Fahrzeug half ihr niemand. Die Frau stürzte kurz vor Erreichen der Beifahrertüre und verletzte sich erneut. Doch nun stellte sich die Frage: Kann die Frau wegen des Unglücks Geld von ihrer Krankenkasse fordern?
Die Frau hatte sich ursprünglich einer Hallux-Operation am rechten Bein unterzogen. Nach dem Sturz beim Krankentransport kamen nun eine Knochenabsplitterung im Bereich des Mittelfingers der linken Hand und dementsprechende Schmerzen hinzu. Die Frau musste nun sowohl für ihr Bein als auch den Finger eine Rehabilitation absolvieren.
Wegen des zweiten Unglücks forderte die Frau knapp 5500 Euro von der Wiener Gebietskrankenkasse (GKK). Diese müsse für den von ihr bereitgestellten Fahrdienst einstehen, meinte die Verletzte. Der Lenker des Wagens hätte ihr beim Einsteigen helfen müssen, denn es sei in Anbetracht des verbundenen Beins offensichtlich gewesen, dass sie Unterstützung benötige.
Nun gibt es die sogenannte Gehilfenhaftung, laut der ein Vertragspartner etwa für Fehler seiner Mitarbeiter oder Subunternehmer einstehen muss. Hier aber gebe es keinen Grund, eine Gehilfenhaftung anzunehmen, wandte die GKK ein. Der Fahrtendienst diene nicht der Erfüllung von vertraglichen Pflichten gegenüber der Patientin. Die GKK beteilige sich nur an den Transportkosten.
Eine Haftung würde es nur bei einem Auswahlverschulden geben, meinte die GKK. Also dann, wenn sie eine Person ausgewählt hätte, die die Dienstleistung nicht korrekt ausführen kann. Da man aber einen Fahrdienst mit aufrechter Konzession ausgesucht habe, seien alle Pflichten erfüllt worden.
Das Bezirksgericht Hernals gab der verletzten Frau recht. Die GKK sei vertraglich verpflichtet gewe- sen, die Patientin gefahrlos zu befördern. Der Lenker des Fahrzeuges sei dieser Pflicht nicht nachgekommen, da er offensichtlich die gehbehinderte Frau nicht zur Beifahrertür begleitet habe. Und da die GKK sich zur Erfüllung ihrer Pflichten des Fahrdienstes bedient habe, müsse sie infolge der Gehilfenhaftung für das Fehlverhalten des Lenkers einstehen.
Die nächste Instanz, das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen, wies die Klage der Frau ab. Das Gericht erinnerte daran, dass die GKK bei Leistungen ihrer Vertragsärzte nicht nach der Gehilfenhaftung einstehen müsse. Denn die Kasse habe nicht selbst ärztliche Hilfe zu leisten, sondern müsse nur sicherstellen, dass die Patienten von einem Arzt behandelt werden. Eine Transportleistung sei ähnlich zu beurteilen: Die Kasse müsse diese Aufgabe nicht selbst erfüllen.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte das Urteil. Es sei „kein Grund ersichtlich, die Haf- tung der Krankenkasse für Fahrtendienste anders zu behandeln als die Haftung für Ärzte. Auch hierbei handelt es sich um eine Sachleistung“, erklärten die Richter. „Die Krankenkasse übernimmt nur die Kosten für die Leistungen der Fahrtendienste, schuldet diese Leistungen aber nicht selbst“, betonte der OGH (6 Ob 223/17p).
Daher gibt es in dem Fall keine Gehilfenhaftung – und für die Frau kein Schmerzengeld von der GKK.