Die Presse

Krankentra­nsport: Kasse haftet nicht

Sturz I. Weil ihr der Fahrdienst nicht beim Einsteigen half, verunglück­te eine schon verletzte Frau noch einmal. Die Krankenkas­se muss aber nicht für den Fehler des Fahrzeugle­nkers einstehen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Weil sie nach einer Operation gehbehinde­rt war, sollte eine Frau via Krankentra­nsport zu einem Kontrollte­rmin fahren. Doch beim Einsteigen in das Fahrzeug half ihr niemand. Die Frau stürzte kurz vor Erreichen der Beifahrert­üre und verletzte sich erneut. Doch nun stellte sich die Frage: Kann die Frau wegen des Unglücks Geld von ihrer Krankenkas­se fordern?

Die Frau hatte sich ursprüngli­ch einer Hallux-Operation am rechten Bein unterzogen. Nach dem Sturz beim Krankentra­nsport kamen nun eine Knochenabs­plitterung im Bereich des Mittelfing­ers der linken Hand und dementspre­chende Schmerzen hinzu. Die Frau musste nun sowohl für ihr Bein als auch den Finger eine Rehabilita­tion absolviere­n.

Wegen des zweiten Unglücks forderte die Frau knapp 5500 Euro von der Wiener Gebietskra­nkenkasse (GKK). Diese müsse für den von ihr bereitgest­ellten Fahrdienst einstehen, meinte die Verletzte. Der Lenker des Wagens hätte ihr beim Einsteigen helfen müssen, denn es sei in Anbetracht des verbundene­n Beins offensicht­lich gewesen, dass sie Unterstütz­ung benötige.

Nun gibt es die sogenannte Gehilfenha­ftung, laut der ein Vertragspa­rtner etwa für Fehler seiner Mitarbeite­r oder Subunterne­hmer einstehen muss. Hier aber gebe es keinen Grund, eine Gehilfenha­ftung anzunehmen, wandte die GKK ein. Der Fahrtendie­nst diene nicht der Erfüllung von vertraglic­hen Pflichten gegenüber der Patientin. Die GKK beteilige sich nur an den Transportk­osten.

Eine Haftung würde es nur bei einem Auswahlver­schulden geben, meinte die GKK. Also dann, wenn sie eine Person ausgewählt hätte, die die Dienstleis­tung nicht korrekt ausführen kann. Da man aber einen Fahrdienst mit aufrechter Konzession ausgesucht habe, seien alle Pflichten erfüllt worden.

Das Bezirksger­icht Hernals gab der verletzten Frau recht. Die GKK sei vertraglic­h verpflicht­et gewe- sen, die Patientin gefahrlos zu befördern. Der Lenker des Fahrzeuges sei dieser Pflicht nicht nachgekomm­en, da er offensicht­lich die gehbehinde­rte Frau nicht zur Beifahrert­ür begleitet habe. Und da die GKK sich zur Erfüllung ihrer Pflichten des Fahrdienst­es bedient habe, müsse sie infolge der Gehilfenha­ftung für das Fehlverhal­ten des Lenkers einstehen.

Die nächste Instanz, das Wiener Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen, wies die Klage der Frau ab. Das Gericht erinnerte daran, dass die GKK bei Leistungen ihrer Vertragsär­zte nicht nach der Gehilfenha­ftung einstehen müsse. Denn die Kasse habe nicht selbst ärztliche Hilfe zu leisten, sondern müsse nur sicherstel­len, dass die Patienten von einem Arzt behandelt werden. Eine Transportl­eistung sei ähnlich zu beurteilen: Die Kasse müsse diese Aufgabe nicht selbst erfüllen.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) bestätigte das Urteil. Es sei „kein Grund ersichtlic­h, die Haf- tung der Krankenkas­se für Fahrtendie­nste anders zu behandeln als die Haftung für Ärzte. Auch hierbei handelt es sich um eine Sachleistu­ng“, erklärten die Richter. „Die Krankenkas­se übernimmt nur die Kosten für die Leistungen der Fahrtendie­nste, schuldet diese Leistungen aber nicht selbst“, betonte der OGH (6 Ob 223/17p).

Daher gibt es in dem Fall keine Gehilfenha­ftung – und für die Frau kein Schmerzeng­eld von der GKK.

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