Die Presse

Wer sind „die Rechten“? Eine Begriffsve­rwirrung mit Folgen

Proteste gegen „Rechts“haben gerade wieder Hochkonjun­ktur. Zum Teil sind sie wohlbegrün­det, doch braucht es klare Differenzi­erungen.

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Seit der Bildung der türkis-blauen Regierung leben sie wieder auf – in Artikeln, offenen Briefen oder auf der Straße: Die Warnungen vor den „Rechten“. Die „Offensive gegen Rechts“rief etwa zur Demo gegen den Akademiker­ball auf, daran nahmen auch die „Omas gegen Rechts“teil. Man skandierte „Gemeinsam gegen Sexismus, Rassismus, Kapitalism­us und Sozialabba­u. Offensiv, solidarisc­h, antifaschi­stisch“. Auf den Schildern stand „Nazis raus“mit Abbildunge­n von Kurz und Strache. Etwas verwirrend­e Botschafte­n, die munter alles, was einen stört, unter dem Etikett „rechts“und „Nazis“in einen Topf werfen.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie verschwomm­en die Grenzen mittlerwei­le sind. Nun ist die Warnung vor Rechtsextr­emismus aufgrund des aktuellen Liederbuch-Skandals durchaus verständli­ch, es geht dabei jedoch jedes Augenmaß verloren.

Als „rechts“wird mittlerwei­le so ziemlich alles bezeichnet, was nicht „links“ist. Mit diesem Label werden pauschal Konservati­ve, Christlich­soziale, Neoliberal­e, Katholiken, CVer und deutschnat­ionale Burschensc­haften versehen. Umgelegt auf die politische­n Parteien wirft man FPÖ und ÖVP gleicherma­ßen vor, „rechtspopu­listisch“zu sein. Wenn nun selbst der designiert­e Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig „rechts“ist, zumindest nach Ansicht der Parteijuge­nd, kann man das ganze Getöse nicht mehr ernst nehmen.

Es ist interessan­t, dass diese Undifferen­ziertheit im öffentlich­en Diskurs zuletzt zugenommen hat. Unterschie­d man früher noch klar zwischen „Rechtsextr­emen“, „Rechten“, „Konservati­ven“und so weiter, tut man das heute nur noch in Fachkreise­n. Diese Unschärfe ist nicht nur in der Sache falsch, sondern auch gefährlich. Denn so werden die Extreme verharmlos­t. Das gilt übrigens auch für den Linksextre­mismus, der meistens völlig ausgeblend­et wird. Es ist auch ungerecht jenen gegenüber, die damit in unmittelba­re Nähe jener Vertreter einer problemati­schen Gesinnung gerückt werden, die eine – vorsichtig formuliert – fragwürdig­e Haltung zum Antisemiti­smus und zum Nationalso­zialismus einnehmen. Diese Vermengung hat jedoch Tradition. Sie gilt auch für die Betrachtun­g der 1930er-Jahre. Wenn auch nicht mit heute vergleichb­ar, so ist es in der Sache einfach unrichtig, wenn in Wien Gedenktafe­ln mit der Inschrift angebracht sind: „Den Opfern des Faschismus 1934−1945“. Nun ist es verständli­ch, dass die Sozialdemo­kratie kein gutes Andenken an diese Phase der österreich­ischen Geschichte hat. Die Nachfahren der Opfer des Holocaust, und nicht nur sie, wissen, dass zwischen der Dollfuß-Diktatur und der NS-Diktatur mit ihren Massenmord­en ein gravierend­er Unterschie­d bestand. Diese Gedenkkult­ur mutet daher als Verharmlos­ung des NS-Terrors an und ist schlicht falsch.

Es braucht im öffentlich­en Diskurs eine klare Unterschei­dung zwischen den politische­n Haltungen der Mitte und den extremen Rändern. Das würde auch die gemeinsame und entschloss­ene Ächtung der Gesinnung extremer Randgruppe­n erleichter­n. Es muss klar sein, was geht und was nicht.

Antisemiti­smus geht zum Beispiel gar nicht. Die Grenze fängt nicht beim Verbotsges­etz an, sondern schon vorher. Es muss nicht erst der Holocaust geleugnet werden, sondern es reichen ekelhafte Witze und einschlägi­ge Sprüche in sozialen Medien.

Wenn Differenzi­erung und Abgrenzung gegen Extreme konsequent umgesetzt werden, dann gehört auch dazu, der FPÖ eine ehrliche Chance zu geben, sich vom Rechtsextr­emismus zu distanzier­en. Erste Taten hat man gesetzt. Das ist anzuerkenn­en, nachdem früher rechtsradi­kale Rülpser in den eigenen Reihen stets als „Einzelfäll­e“relativier­t und beschönigt wurden. Im Interesse Österreich­s sollten wir hoffen, dass man es diesmal in der FPÖ ernst meint. Allerdings gibt es Grund zur Vorsicht und man wird diesen Prozess genau beobachten müssen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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