Kindergärten ohne Kinder
Nachmittagsbetreuung ist in OÖ jetzt kostenpflichtig: Eltern sparen sich das Geld.
Die Entscheidung wurde rasch umgesetzt: Seit 1. Februar ist die Nachmittagsbetreuung in Kindergärten in Oberösterreich kostenpflichtig. Das hat die schwarzblaue Landesregierung im Dezember beschlossen – die Gemeinden und Kindergärten hatten nur wenig Zeit, die Maßnahme umzusetzen. Seither reißen die empörten Meldungen nicht ab. Gemeinden berichten, dass bis zur Hälfte der Kinder schlagartig von der Nachmittagsbetreuung abgemeldet wurden. Gruppen müssen geschlossen, Personal muss abgebaut werden. Eltern beschweren sich, dass es sich nicht mehr auszahlt zu arbeiten, und die Opposition ortet ein „frauenfeindliches“Modell. Ein Überblick.
1 Wie funktioniert das Modell überhaupt? Wer zahlt wie viel?
Die Gebühr ist abhängig vom Einkommen und den Tagen der Nachmittagsbetreuung ab 13 Uhr. Die Gebühr beläuft sich auf 42 bis 110 Euro pro Kind, bei einem zweiten oder dritten Kind wird der Betrag geringer. Kritik gibt es auch, dass es nur einen Zwei-, Drei- und Fünftagestarif gibt. Wer sein Kind nur einen Tag im Kindergarten lässt, muss für zwei bezahlen. Ausnahmen gibt es in Statutarstädten wie Linz, hier hat die Stadt eine Maximalgebühr von 54 Euro beschlossen – dort rechnet man mit weniger Abmeldungen.
2 Wie viele Kinder wurden bereits für den Nachmittag abgemeldet?
Das Land Oberösterreich erhebt erst die Zahlen. Beim Oberösterreichischen Gemeindebund schätzt man aber, dass 20 bis 35 Prozent der Kinder abgemeldet wurden, so Präsident und ÖVPLandtagsabgeordneter Klaus Hingsamer zur „Presse“. Die SPÖ Oberösterreich geht nach einer internen Umfrage davon aus, dass in etwa 50 Gemeinden einzelne Gruppen, in 30 sogar die gesamte Nachmittagsbetreuung gefährdet ist. Die Zahlen sind allerdings schon zwei Wochen alt. Konkrete Zahlen gibt es aus einzelnen Orten: In Wels wurden 184 von 629 Kindern für den Nachmittag abgemeldet, also rund 30 Prozent, in Steyr sind es gar 170 von 320 Kindern, mehr als die Hälfte. Auch in Lengau (Bezirk Braunau) wurden zwölf von 29 Kindern abgemeldet.
3 Müssen Gemeinden Personal reduzieren und Gruppen schließen?
Ja. In Weißkirchen an der Traun etwa muss Bürgermeister Norbert Höpoltseder (SPÖ) die Stunden einer Kindergartenpädagogin und zweier Helferinnen um je vier bis acht Stunden reduzieren – eine Helferin muss er ganz kündigen. Denn 24 der 68 Kinder in der Nachmittagsbetreuung kommen nicht mehr. „Damit gibt es statt vier Gruppen nur mehr zwei“, sagt Höpoltseder hörbar verärgert. Zwar bekomme seine Gemeinde seit 1. Februar nur mehr die Hälfte der Gruppenförderung, die Personalkosten laufen aber weiter. „Ich muss ja auch Kündigungsfristen einhalten.“Auch könne er nicht mitten im Jahr die Stunden der Mitarbeiter einseitig ändern: „Das muss laut Gesetz im Einvernehmen gemacht werden. Wenn das nicht geht, muss ich sie kündigen. Aber woher soll ich im Jahr Personal nehmen?“
Auch in anderen Gemeinden wird versucht, vorerst den Betrieb aufrechtzuerhalten – und nach Alternativen gesucht, etwa einer Tagesmutter, so Hingsamer vom Gemeindebund. Theoretisch können Gemeinden, sofern sie nicht unter Kuratel stehen, das Geld aus der eigenen Tasche zahlen, das können sich aber die wenigsten leisten.
4 Warum melden die Eltern ihre Kinder vom Kindergarten ab?
Auch hier fehlt noch eine genaue Erhebung. Oft melden gerade jene Eltern ihre Kinder ab, die diese nicht bis 17 Uhr, sondern am Nachmittag nur ein, zwei Stunden länger, bis 14 oder 15 Uhr im Kindergarten lassen würden, sagt SPÖ-OÖ-Familiensprecherin Petra Müllner. Diese müssten genauso viel zahlen wie jemand, der sein Kind bis 17 Uhr dort lässt. Sie weiß von einer Mutter, die am Nachmit- tag Überstunden machte, das zahle sich nun nicht mehr aus. „Das Geld für die Überstunden zahlt sie jetzt für die Nachmittagsbetreuung.“Auch der Bürgermeister von Weißkirchen nennt so einen Fall als Beispiel. Ein Problem sieht Müllner auch bei vielen Pendlerinnen, die es in Oberösterreich gibt. „In Linz arbeiten viele bis 13 Uhr, wenn sie danach das Kind abholen, dann zahlt man schon.“Sie glaubt, dass langfristig vor allem Frauen ihre Teilzeitjobs kürzen. Und mehr Kinder am Nachmittag vor dem Fernseher sitzen werden.
In Oberösterreich, argumentiert sie, hätten so gut wie alle Kindergärten eine Garten oder einen Bewegungsraum. „Es gibt aber viele Familien, die in ihrer Wohnung nicht einmal einen Balkon haben.“Edith Bürgler-Scheubmayr, Geschäftsführerin der Caritas für Kinder und Jugendliche, die 190 selbstständige Kindergartenträger koordiniert, kritisiert, dass die Kürzung zulasten des Berufs geht. „Es wird für einige Pädagoginnen keine Vollanstellung mehr geben. Das ist bitter. Wir liegen jetzt schon bei Vollanstellungen unter 30 Prozent. Und die Spirale geht nach unten.“