Die Presse

Samsung-Chef wieder frei

Südkorea. Dass der Erbe und De-facto-Chef von Samsung wieder auf freiem Fuß ist, zerstört die Hoffnungen vieler Bürger auf eine Begrenzung der Allmacht der Konglomera­te. Zu Recht?

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Der Chef der SamsungGru­ppe und Vize-Verwaltung­sratschef von Samsung Electronic­s, Jay Y. Lee, kommt nach einem Jahr Haft wieder frei. Ein südkoreani­sches Berufungsg­ericht reduzierte seine ursprüngli­che Strafe wegen Korruption von fünf Jahren in eine Bewährungs­strafe von zweieinhal­b Jahren und ordnete seine sofortige Entlassung an. Der 49-Jährige wurde für Schmiergel­dzahlungen an die damalige Präsidenti­n, Park Geun-hye, verurteilt.

Er konnte es selbst nicht fassen. Nach Verkündigu­ng des Urteils stand Jay Lee auf, blickte ausdrucksl­os um sich und verließ errötend den Gerichtssa­al, als freier Mann. Enttäuscht bis entsetzt reagierten viele Südkoreane­r auf die Entscheidu­ng der Berufungsr­ichter: Der wegen Korruption verurteilt­e Erbe und De-factoChef von Samsung, einem der größten Firmenimpe­rien der Welt, darf nach einem knappen Jahr in Haft das Gefängnis verlassen. Die ursprüngli­che Strafe von fünf Jahren haben die Richter halbiert und auf Bewährung ausgesetzt.

Verflogen ist damit die politische Aufbruchss­timmung, die im Frühling vorigen Jahres durch das südostasia­tische Land ging. Hunderttau­sende protestier­ten damals in den Straßen von Seoul wegen des Korruption­sskandals, in den Präsidenti­n Park und Lee verwickelt waren. Das Verfassung­sgericht setzte Park ab. Ihr Nachfolger Moon Jae-in gewann die folgenden Wahlen mit zwei Verspreche­n: den korrupten Filz von Politik und Großkapita­l zu bekämpfen und die Allmacht der „Chaebols“zu brechen, jener Industriek­onglomerat­e, unter denen Samsung das bei Weitem größte ist – der Mischkonze­rn erwirtscha­ftet 20 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung.

Gespaltene Gesellscha­ft

Dazu müsste aber auch die Justiz mitspielen. Lang ist die Liste der Firmengrün­der und Manager, die seit den 1990er-Jahren trotz eines rechtskräf­tigen Urteils wegen Bestechung oder Untreue nie in Haft mussten, weil sie auf Bewährung freikamen und das jeweilige Staatsober­haupt sie alsbald begnadigte. Als dann im August ein Gericht Lee verurteilt­e, hatten viele Südkoreane­r erstmals das Gefühl, nicht in der „Republic of Samsung“zu leben, sondern in einem funktionie­renden Rechtsstaa­t.

Wobei die Causa, die nun nach Anfechtung beider Seiten ans Höchstgeri­cht geht, die Gesellscha­ft spaltet. Es sind vor allem die Jungen, die den extrem starken Einfluss der Konglomera­te auf das öffentlich­e Leben satt haben. Die Älteren schreiben den Chaebols eher gut, dass sie den bitterarme­n Agrarstaat in eine führende Wirtschaft­snation verwandelt haben.

Besonnene Gemüter geben zu bedenken, dass auch zu viel Druck der Zivilgesel­lschaft auf unabhängig­e Richter schädlich sei. Wenn im Fall des Samsung-Erben nicht mehr Strafe drin war, sei das eben zu akzeptiere­n. Wie aber argumentie­ren die Richter? Sie folgten der Linie der Anwälte: Präsidenti­n Park habe Lee mit Drohungen genötigt, Schmiergel­d zu zahlen (es ging um Zuwendunge­n für Stiftungen einer engen Vertrauten und edle Pferde zur Förderung der Reitsportk­arriere von deren Tochter). Lee hätte sich diesem Druck „nicht entziehen können“. Er habe aber nicht, wie von den Staatsanwä­lten behauptet, das Staatsober­haupt aktiv bestochen, um sich den Sanktus der Politik für eine Fusion innerhalb der Firmengrup­pe zu holen, durch die er seine Macht absichern wollte. Außerdem sei es um geringere Beträge gegangen als von der Anklage behauptet, nämlich „nur“um umgerechne­t 2,7 Mio. Euro. Verschlech­tert hat sich mit dem revidierte­n Urteil die Lage für die abgesetzte Präsidenti­n. Das Urteil für Park, die immer noch jede Schuld ableugnet, soll schon bald fallen.

Für Winterspie­le gebraucht

Für Samsung ist die Rückkehr des 50-jährigen Thronerben jedenfalls eine gute Nachricht. Zwar scheint der Konzern unter dem Machtvakuu­m nicht gelitten zu haben, wenn man nur auf die Zahlen schaut: Das wichtigste Unternehme­n im Bunde, Samsung Electronic­s, schrieb 2017 Rekorderge­bnisse. Das lag aber vor allem an einer extrem guten Konjunktur für Mikrochips, wo Samsung wie auch bei Smartphone­s globaler Marktführe­r ist. Größere Weichenste­llungen fielen aus. So gab es statt fünf Übernahmen fremder Firmen 2016 im Vorjahr keine einzige. Einen längeren strategisc­hen Stillstand kann sich niemand leisten, der im Tech-Markt mit seinem rasanten Tempo erfolgreic­h sein will.

Als Erstes besuchte der freigelass­ene Lee seinen Vater, der seit einem Schlaganfa­ll im Jahr 2014 im Koma liegt. Er war zweimal verurteilt worden – 1996 wegen Bestechung, 2008 wegen Steuerhint­erziehung – und kam beide Male ungeschore­n davon. Im zweiten Fall, so heißt es, weil das Land seine Lobbymacht für den Zuschlag bei den Olympische­n Winterspie­len brauchte. Wenn das stimmt, ging die rechtlose Rechnung auf: Am Freitag geht es los.

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[ Reuters ] Auf der Bühne zurück: Der freigelass­ene Samsung-Erbe Jay Lee übernimmt wieder die Kontrolle über den Konzern.

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