Die Presse

Es wird weniger gepfuscht

Sozialpart­ner. Wolfgang Katzian als ÖGB-Präsident und Renate Anderl als AK-Chefin sind nicht nur eine Kampfansag­e an die Regierung, sondern auch an die Pragmatike­r in der SPÖ.

- VON THOMAS PRIOR UND ANNA THALHAMMER

Die Schattenwi­rtschaft schrumpft in Österreich. Aber die kalte Progressio­n und die Zuwanderun­g wirken entgegen.

Michael Ludwigs Wahl zum Wiener Parteivors­itzenden hat dem linken Flügel in der SPÖ zuletzt einen schweren Dämpfer versetzt. Die Pragmatike­r, die im Wesentlich­en für eine restriktiv­ere Zuwanderun­gspolitik stehen, wähnen sich seither im Aufwind.

Mit den jüngsten Personalen­tscheidung­en der roten Gewerkscha­fter (FSG) könnte das alte Gleichgewi­cht in der SPÖ aber wieder hergestell­t werden. Wolfgang Katzian soll das Präsidente­namt im Gewerkscha­ftsbund (ÖGB), Renate Anderl jenes in der Arbeiterka­mmer (AK) übernehmen. Beide gelten innerhalb der Partei als Linke. Beide wurden jenem Lager zugerechne­t, das sich vor dem Wiener Landespart­eitag für Andreas Schieder eingesetzt hatte. Die Ludwig-Unterstütz­er Erich Foglar (ÖGB-Präsident) und Rudolf Kaske (AK-Chef ) gehen dagegen in Pension.

Anders als die Parteifreu­nde im Burgenland ist Katzian etwa gegen Koalitione­n mit der FPÖ. Gut möglich, dass er gemeinsam mit Anderl künftig zum innerparte­ilichen Widerpart von Michael Ludwig und Hans Niessl (beziehungs­weise Hans Peter Doskozil) aufsteigt. Vor allem auch deshalb, weil die gewerkscha­ftlichen Vorfeldorg­anisatione­n der SPÖ in Opposition­szeiten an Bedeutung gewinnen. Wegen ihrer Expertise – und vor allem wegen ihrer Mobilisier­ungsstärke. Vom neuen Kräfteverh­ältnis könnte auch Parteichef Christian Kern profitiere­n, der zuletzt bei Anhängern des Ludwig-Niessl-Flügels in der Kritik stand. Hinter vorgehalte­ner Hand wird dort bereits über Doris Bures als mögliche Kern-Nachfolger­in gesprochen.

Auch für die türkis-blaue Regierung ist das Duo Katzian/Anderl eine Kampfansag­e. Obwohl der designiert­e ÖGB-Präsident zunächst auf Dialog setzen will: „Ich gehe nicht zuerst auf die Barrikaden, sondern zum Heurigen“, sagte Katzian bei einer Pressekonf­erenz nach der FSG-Sitzung am Dienstag. Allerdings gebe es Grenzen: „Wenn es jemanden gibt, der uns diese Bereitscha­ft zum Dialog als Schwäche auslegt, werden wir – wenn notwendig – auch in den Widerstand treten.“

Reform soll die ÖGB-Zentrale aufwerten

Gewählt wird Katzian erst im Rahmen des ÖGB-Kongresses Mitte Juni. Auf den ersten Blick ist der rhetorisch begabte und bestens vernetzte 61-Jährige die logische Wahl. Allerdings fragt man sich innerhalb der Gewerkscha­ft, warum er sich das antut. Der Job des ÖGB-Präsidente­n ist nämlich in erster Linie eine repräsenta­tive Aufgabe. Die eigentlich­e Macht liegt bei den großen Teilorgani­sationen. Und Katzian war bisher nicht nur Vorsitzend­er der größten, der Privatange­stelltenge­werkschaft (GPA), sondern auch Chef der SPÖ-Gewerkscha­fter. Sein Wechsel kann eigentlich nur bedeuten, dass er den Gewerkscha­ftsbund von Grund auf reformiere­n möchte – mit dem Ziel, die Zentrale zu stärken. Dafür wirbt Katzian schon lange.

Zudem könnten Doppelglei­sigkeiten in den Teilgewerk­schaften – etwa im Gesundheit­s- und im Verkehrsbe­reich – beseitigt werden. Dazu wird eine neue Aufgabente­ilung vonnöten sein, wenn die in der letzten Nationalra­tssitzung der alten Regierung beschlosse­ne Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en vollzogen ist. Eine eigene Gewerkscha­ft der Privatange­stellten entspräche dann nicht mehr dem Zeitgeist und müsste sich neue Aufgaben suchen. Katzian will bis Juni ein Konzept erarbeiten, wo es inhaltlich hingehen soll: „Vorher gebe ich keine Interviews, ich will nicht g’scheiteln, sondern mich ordentlich vorbereite­n.“

Teiber und Wimmer beerben Katzian

Nach Katzians Aufstieg zum ÖGB-Präsidente­n müssen gleich mehrere Jobs nachbesetz­t werden. An der GPA–Spitze wird ihm Barbara Teiber folgen. Für das Nationalra­tsmandat, auf das Katzian verzichten wird, gibt es gleich mehrere Bewerber: Der neue SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher spekuliert auf eines, der alte SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Christoph Matznetter erwartet Dank von seiner Partei, weil er in der Causa Silberstei­n als Troublesho­oter eingesprun­gen ist.

Allerdings ist es gute Tradition in der SPÖ, dass der FSG-Chef einen Sitz im Nationalra­t hat. Und diese Funktion übernimmt in Zukunft Rainer Wimmer. Der Chef der früheren Metallerge­werkschaft Pro-Ge gilt als enger Vertrauter Katzians und wird ebenfalls dem linken SPÖ-Flügel zugerechne­t.

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[ APA ] Neue Präsidente­n: Rudolf Kaske (l.) übergibt an Renate Anderl, Erich Foglar (r.) an Wolfgang Katzian.

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