Es wird weniger gepfuscht
Sozialpartner. Wolfgang Katzian als ÖGB-Präsident und Renate Anderl als AK-Chefin sind nicht nur eine Kampfansage an die Regierung, sondern auch an die Pragmatiker in der SPÖ.
Die Schattenwirtschaft schrumpft in Österreich. Aber die kalte Progression und die Zuwanderung wirken entgegen.
Michael Ludwigs Wahl zum Wiener Parteivorsitzenden hat dem linken Flügel in der SPÖ zuletzt einen schweren Dämpfer versetzt. Die Pragmatiker, die im Wesentlichen für eine restriktivere Zuwanderungspolitik stehen, wähnen sich seither im Aufwind.
Mit den jüngsten Personalentscheidungen der roten Gewerkschafter (FSG) könnte das alte Gleichgewicht in der SPÖ aber wieder hergestellt werden. Wolfgang Katzian soll das Präsidentenamt im Gewerkschaftsbund (ÖGB), Renate Anderl jenes in der Arbeiterkammer (AK) übernehmen. Beide gelten innerhalb der Partei als Linke. Beide wurden jenem Lager zugerechnet, das sich vor dem Wiener Landesparteitag für Andreas Schieder eingesetzt hatte. Die Ludwig-Unterstützer Erich Foglar (ÖGB-Präsident) und Rudolf Kaske (AK-Chef ) gehen dagegen in Pension.
Anders als die Parteifreunde im Burgenland ist Katzian etwa gegen Koalitionen mit der FPÖ. Gut möglich, dass er gemeinsam mit Anderl künftig zum innerparteilichen Widerpart von Michael Ludwig und Hans Niessl (beziehungsweise Hans Peter Doskozil) aufsteigt. Vor allem auch deshalb, weil die gewerkschaftlichen Vorfeldorganisationen der SPÖ in Oppositionszeiten an Bedeutung gewinnen. Wegen ihrer Expertise – und vor allem wegen ihrer Mobilisierungsstärke. Vom neuen Kräfteverhältnis könnte auch Parteichef Christian Kern profitieren, der zuletzt bei Anhängern des Ludwig-Niessl-Flügels in der Kritik stand. Hinter vorgehaltener Hand wird dort bereits über Doris Bures als mögliche Kern-Nachfolgerin gesprochen.
Auch für die türkis-blaue Regierung ist das Duo Katzian/Anderl eine Kampfansage. Obwohl der designierte ÖGB-Präsident zunächst auf Dialog setzen will: „Ich gehe nicht zuerst auf die Barrikaden, sondern zum Heurigen“, sagte Katzian bei einer Pressekonferenz nach der FSG-Sitzung am Dienstag. Allerdings gebe es Grenzen: „Wenn es jemanden gibt, der uns diese Bereitschaft zum Dialog als Schwäche auslegt, werden wir – wenn notwendig – auch in den Widerstand treten.“
Reform soll die ÖGB-Zentrale aufwerten
Gewählt wird Katzian erst im Rahmen des ÖGB-Kongresses Mitte Juni. Auf den ersten Blick ist der rhetorisch begabte und bestens vernetzte 61-Jährige die logische Wahl. Allerdings fragt man sich innerhalb der Gewerkschaft, warum er sich das antut. Der Job des ÖGB-Präsidenten ist nämlich in erster Linie eine repräsentative Aufgabe. Die eigentliche Macht liegt bei den großen Teilorganisationen. Und Katzian war bisher nicht nur Vorsitzender der größten, der Privatangestelltengewerkschaft (GPA), sondern auch Chef der SPÖ-Gewerkschafter. Sein Wechsel kann eigentlich nur bedeuten, dass er den Gewerkschaftsbund von Grund auf reformieren möchte – mit dem Ziel, die Zentrale zu stärken. Dafür wirbt Katzian schon lange.
Zudem könnten Doppelgleisigkeiten in den Teilgewerkschaften – etwa im Gesundheits- und im Verkehrsbereich – beseitigt werden. Dazu wird eine neue Aufgabenteilung vonnöten sein, wenn die in der letzten Nationalratssitzung der alten Regierung beschlossene Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten vollzogen ist. Eine eigene Gewerkschaft der Privatangestellten entspräche dann nicht mehr dem Zeitgeist und müsste sich neue Aufgaben suchen. Katzian will bis Juni ein Konzept erarbeiten, wo es inhaltlich hingehen soll: „Vorher gebe ich keine Interviews, ich will nicht g’scheiteln, sondern mich ordentlich vorbereiten.“
Teiber und Wimmer beerben Katzian
Nach Katzians Aufstieg zum ÖGB-Präsidenten müssen gleich mehrere Jobs nachbesetzt werden. An der GPA–Spitze wird ihm Barbara Teiber folgen. Für das Nationalratsmandat, auf das Katzian verzichten wird, gibt es gleich mehrere Bewerber: Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher spekuliert auf eines, der alte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter erwartet Dank von seiner Partei, weil er in der Causa Silberstein als Troubleshooter eingesprungen ist.
Allerdings ist es gute Tradition in der SPÖ, dass der FSG-Chef einen Sitz im Nationalrat hat. Und diese Funktion übernimmt in Zukunft Rainer Wimmer. Der Chef der früheren Metallergewerkschaft Pro-Ge gilt als enger Vertrauter Katzians und wird ebenfalls dem linken SPÖ-Flügel zugerechnet.