Poker um 3000 Sozialwohnungen
Deal. 3000 Sozialwohnungen wurden an einen Investor verkauft. Das Wirtschaftsministerium legt der Stadt Wien die Rückabwicklung nahe. Im Hintergrund: Heumarkt-Investor Tojner.
Man könnte es einen guten Deal nennen. Der Schweizer Investor Christian Hosp kaufte zuletzt 3000 mit Steuergeld geförderte Sozialwohnungen um insgesamt sechs Millionen Euro – also 2000 Euro pro Wohnung. Der Verkäufer: die gemeinnützige Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (WBV-GÖD).
Der Österreichische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV), der auch Prüforgan ist, protestierte. Aus Verbandssicht war der Kauf unzulässig. Wenn Anteile eines gemeinnützigen Bauträgers veräußert werden, ist eine Genehmigung der Behörde vonnöten – das ist in dem Fall die MA 50, die zum Wohnbauressort von Michael Ludwig gehört. Das wurde nicht gemacht – und selbst wenn es ein Ansuchen gegeben hätte, wäre diesem nicht stattgegeben worden, glaubt der Verband. Denn laut Gesetz dürfen Angehörige des Baugewerbes keine gemeinnützigen Wohnbauträger besitzen. Hosp wird als solcher eingestuft. Rückenwind bekommt der GBV nun vom Wirtschaftsministerium, das Hüterin des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) ist.
Im der „Presse“vorliegenden Schreiben vertritt das Ministerium die Rechtsmeinung, dass der Kauf rückabgewickelt werden sollte. In Wien wollte man das in Ludwigs Ressort bisher aber nicht und entschied anders: Ein Verfahren auf Aberkennung der Gemeinnützigkeit wurde eingeleitet. Heißt übersetzt: Wien könnte auf einen Schlag 3000 Sozialwohnungen verlieren – Hosp hätte dagegen eine massive Wertsteigerung seiner Immobilien, weil er ohne Gemeinnützigkeit höhere Renditen erzielen kann.
Hosp sagt, dass er kein Interesse an der Aberkennung habe, immerhin müsste er dann die Wohnbauförderung – die betrug rund 70 Mio. Euro – zurückzahlen. Er steht weiters auf dem Standpunkt, dass er weder eine Genehmigung für den Kauf brauche noch dass er Angehöriger des Baugewerbes sei. Er hält Anteile an einer Firma, die mit Alu arbeitet und die Teile für den Bau fertigt.
Enttäuschte Genossen
WBV-GÖD-Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Gregorich wehrt sich gegen Hosps Übernahme und will den Kauf rückabwickeln: „Den Investor verstehe ich noch“, sagt er. Es liege in dessen Natur, Gewinne zu maximieren. „Der eigentliche Skandal ist, dass Ludwig und der Chef der MA 50 so etwas unterstützen“, sagt Gregorich, der seit 50 Jahren SPÖ-Mitglied ist. „Die Stadt sieht einfach weg und opfert die soziale Substanz, die mit Steuergeld errichtet wurde.“Er sei von den Genossen zutiefst enttäuscht.
Aus der WBV-GÖD ließen sich, auch ohne dass die Gemeinnützigkeit verloren ginge, schnell 100 Millionen Euro herausholen, sagt Gregorich. „Etwa indem ein anderer Investor an unseren Bauträger schlechte Grundstücke überteuert verkauft.“Das funktioniere so: Ein Grundstück mit geringem Wert könnte an die WBV-GÖD teuer verkauft werden. Der Verkäufer könnte so hohe Gewinne erzielen – der Bauträger würde sukzessive ausgehöhlt. Solche Versuche habe es schon gegeben – so soll Heumarkt-Investor Michael Tojner derartiges angestrebt haben.
Was der nun mit der Causa zu tun hat? Offiziell gar nichts, denn als großer Player im Baugewerbe darf er keine Geschäftsanteile besitzen. Allerdings sicherte er sich vertraglich zu, einen Eigentümer für die WBV-GÖD suchen zu dürfen. Seine Wahl fiel auf Hosp. „Tojner ist der Mastermind, alle anderen sind nur seine Marionetten“, sagt Gregorich. Dass er bei dem Deal heftig mitmischt, zeigen auch E-Mails, die der „Presse“vorliegen. Da schlägt er in einem etwa neue Aufsichtsräte vor. Einer davon: der ehemalige Verkehrsstadtrat Rudi Schicker (SPÖ). Er soll laut Tojner behilflich sein, Förderungen zu lukrieren. Und dann hätte Tojner noch einen ÖVP-Funktionär in petto, der für gute Kontakte zur niederösterreichischen Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), sorgen soll. „Damit wäre, sollte es dann in 1,5 Jahren zur Übergabe kommen, für einen reibungslosen Übergang gesorgt“, schreibt er in dem Mail von Ende 2016. Gute Kontakte in die Politik sind Tojner offenbar wichtig – auch wenn man davon ausgehen sollte, dass es für die Vergaben von Förderungen objektive, gesetzliche Kriterien gibt.
Ob die Gemeinnützigkeit nun aberkannt wird, ist nicht endgültig entschieden. Die verschiedenen Parteien haben ihre Argumente eingebracht – alle stellen sich auf jahrelange Verfahren ein. Entscheiden werden die Gerichte. In Ludwigs Ressort will man das laufende Verfahren derzeit nicht kommentieren. Nur, dass vorrangigstes Ziel sei, die geförderten Wohnungen auch künftig zu leistbaren Konditionen zu erhalten. Obwohl die MA 50 einen Antrag auf Entzug der Gemeinnützigkeit gestellt hat, betonte Ludwig in einer Rede im Gemeinderat vom 21. November: „Wir haben kein Interesse, eine Gemeinnützigkeit bei einem Bauträger aufzulösen.“