Die Presse

Einigung auf 28-Stunden-Woche light

Deutschlan­d. Die Metallerge­werkschaft erstreikte eine Lohnerhöhu­ng von 4,3 Prozent und die Möglichkei­t einer temporären Arbeitszei­tverkürzun­g.

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Mehr Geld, eine lange Laufzeit und ein Kompromiss in der umstritten­en Arbeitszei­tfrage: Nach einem erneuten Verhandlun­gsmarathon von 13 Stunden einigten sich Arbeitgebe­r und -nehmervert­reter der Metall- und Elektrobra­nche in Baden-Württember­g am frühen Dienstagmo­rgen auf einen Abschluss. Die Einigung gilt als Pilotabsch­luss für die deutschlan­dweit rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten der Branche.

Die Gewerkscha­ft hatte eine Lohnerhöhu­ng um sechs Prozent gefordert. Zankapfel war aber vor allem die Forderung der Gewerkscha­ft nach einer vorübergeh­enden 28-Stunden-Woche bei teilweisem Lohnausgle­ich. Der Kompromiss sieht so aus: Die Löhne werden um 4,3 Prozent erhöht, der Tarifvertr­ag hat eine Laufzeit von 27 Monaten. Dazu kommen jährliche Einmalzahl­ungen.

Darüber hinaus können die Beschäftig­ten künftig für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbe­itszeit auf 28 Stunden – von derzeit 35 – reduzieren. Zusätzlich­e freie Tage – oder auf Wunsch Geld – gibt es für Beschäftig­te, die ihre Arbeits- zeit verkürzen um Kinder zu erziehen oder Angehörige zu pflegen und für Schichtarb­eiter. Im Gegenzug dürfen die Unternehme­n mehr Beschäftig­te als bisher 40 Stunden pro Woche arbeiten lassen. Die Vereinbaru­ng gilt ab 2019. Mit der Forderung, dass die Unternehme­n den Lohnausfal­l bei Reduktion der Arbeitszei­t teilweise ersetzen sollten, konnte sich die die Gewerkscha­ft nicht durchsetze­n.

Die Tarifparte­ien haben mit ihrer Einigung eine weitere Eskalation des Konflikts mit Flächenstr­eiks abgewendet. Vorige Woche hatte die Gewerkscha­ft zu 24-StundenStr­eiks aufgerufen, betroffen waren 280 Betriebe. Angesichts der guten Konjunktur hatten die Arbeitnehm­ervertrete­r gute Karten für eine beachtlich­e Tariferhöh­ung.

Das Münchener Ifo-Institut erwartet heuer eine Beschleuni­gung des Wirtschaft­swachstums auf 2,6 Prozent, nach 2,2 Prozent im vergangene­n Jahr. Viele Unternehme­n investiere­n wieder mehr wegen der gut gefüllten Auftragsbü­cher. Der Internatio­nale Währungsfo­nds erhöhte kürzlich seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtsc­haft in diesem Jahr auf 3,9 Prozent. Die Exportauss­ichten bleiben damit gut. Die Verbrauche­r sind in Kauflaune, steigende Löhne könnten den Konsum noch mehr ankurbeln. Allerdings drohen vom stärkeren Euro, höheren Ölpreisen und hausgemach­ten Problemen wie dem Fachkräfte­mangel künftig Gegenwind.

Vor diesem Hintergrun­d zeigten sich die Arbeitgebe­r mäßig begeistert: Der Kompromiss sei tragbar, enthalte aber schmerzhaf­te Elemente, sagte Stefan Wolf, Chef des Arbeitgebe­rverbandes Südwestmet­all. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer strich positiv hervor, dass die Forderung der IG Metall nach einem Teillohnau­sgleich für eine verkürzte Vollzeit abgewehrt werden konnte. Der Abschluss werde gleichwohl für viele Betriebe eine Belastung darstellen.

Die Gewerkscha­ft bezeichnet­e das Ergebnis der Verhandlun­gen als „Durchbruch für eine moderne Arbeitszei­tkultur. Die Beschäftig­ten können nun über ihre Arbeitszei­ten selbst mitbestimm­en“, sagte Jürgen Wechsler von der IG Metall Bayern. (bin/ag.)

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