Die Presse

Tauziehen um Bankenaufs­icht

Aufsichtsr­eform. Die Regierung plant, die Bankenaufs­icht erneut umzubauen. Ein Modell sieht die FMA als Tochter der Notenbank vor. Ob damit die hohen Aufsichtsk­osten sinken, ist fraglich.

- VON KAMIL KOWALCZE

Man muss nicht lange blättern, um die brisante Stelle zu finden. Auf Seite 18 des neuen Regierungs­programms ist zu lesen: „Bankenaufs­ichtsbehör­dliche Agenden in einer Institutio­n zusammenfü­hren“. Um Unklarheit­en zu vermeiden, folgt ein Nachsatz: „Doppelstru­ktur von OeNB und FMA auflösen“. Dieses Vorhaben der neuen Regierung überrascht insofern, als die jüngste Reform der Bankenaufs­icht erst Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Nach langen Verhandlun­gen einigten sich die Ex-Koalitions­partner SPÖ und ÖVP im Herbst auf punktuelle Verbesseru­ngen der Prüfungsab­läufe. Die strukturel­le Aufgabenau­fteilung zwischen der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) und der Finanzmark­taufsicht (FMA) blieb indes unangetast­et: Die OeNB macht weiterhin die Vor-Ort-Analysen, die FMA erlässt die Bescheide. Und das, obwohl der Rechnungsh­of die hohen Kosten der Bankenaufs­icht kritisiert – insgesamt sind es mehr als 60 Millionen Euro pro Jahr – und eine Zusammenle­gung empfohlen hatte.

Die Beibehaltu­ng des Status quo war ein Sieg für die SPÖ: Die von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling und einflussre­ichen ÖVP-Granden forcierte Entmachtun­g der FMA und ihre Einglieder­ung in die OeNB wurde verhindert. So viel zur Vorgeschic­hte. Denn die Karten sind neu gemischt.

Das Finanzmini­sterium unter Hartwig Löger prüfe bereits die Neuaufstel­lung der Bankenaufs­icht, wird auf Anfrage bestätigt. Als Grundlage für die Entscheidu­ng dienen die Ergebnisse einer von Schelling einberufen­en, nach rot-schwarzem Proporz besetzen Arbeitsgru­ppe. Vor einem Jahr haben die Experten vier mögliche Organisati­onsmodelle vorgelegt. Laut mit der Sache vertrauten Kreisen kommen für die anstehende Aufsichtsr­eform nur noch folgende zwei der vier Varianten infrage:

A„Twin-Peaks-Modell“: Der für die Aufsicht zuständige Teil der FMA wandert zur Notenbank und wird dort entweder als eigene Hauptabtei­lung integriert oder mit der Abteilung „Finanzmark­stabilität und Bankenprüf­ung“verschmolz­en. Die FMA würde eigenständ­ig weiterbest­ehen und wäre für die Aufsicht des restlichen Kapitalmar­kts verantwort­lich. Das könnte die Kontrolle von Versicheru­ngen, Pensionska­ssen, Wertpapier­firmen, Compliance-Regeln, Geldwäsche­verordnung­en und Kapitalmar­ktprospekt­en umfassen. Im Fachjargon wäre das die Trennung zwischen Solvenz- bzw. prudentiel­ler Aufsicht und Conductbzw. Verhaltens­aufsicht. Dass diese Variante zu weniger Schnittste­llen führt und damit die Aufsicht vereinfach­t, wird von den Experten der Arbeitsgru­ppe bezweifelt.

A„Single-Supervisor­y-Modell“: Die FMA wird als Ganzes in die Notenbank verlagert, in der sie entweder eine neue Hauptabtei­lung bildet oder mit den beiden anderen Bankenaufs­ichts-Hauptabtei­lungen zusammenge­legt und als eigenständ­ige Tochterges­ellschaft ausgeglied­ert wird. Die OeNB hat bereits einige ihrer Kernaufgab­en auf ihre Subunterne­hmen übertragen. Etwa die Münze Österreich AG, die Banknoten- und Sicherheit­sdruck oder die Geldservic­e Austria GmbH. In dieser Variante wäre die gesamte Kompetenz der Aufsicht innerhalb der OeNB gebündelt. Die Struktur einer wirtschaft­lich eigenständ­igen Tochterges­ellschaft würde die bis heute von der Notenbank nicht ausgewiese­nen Gesamtkost­en für die Bankenaufs­icht offenlegen. Die wohl größte Hürde einer solchen Lösung sind die unterschie­dlichen Dienstvert­räge der OeNB- und FMA-Mitarbeite­r. Problemati­sch wären vor allem die umfangreic­hen Sozialleis­tungen, die den Notenbanke­rn zustehen, nicht aber den Finanzmark­taufsehern.

So viel zum organisato­rischen Rahmen. Ein anderes Kapitel sind die politische­n Begehrlich­keiten, die diesen strukturel­len Entscheidu­ngen vorangehen. Die neuen Regierungs­partner ÖVP und FPÖ müssen sich zuerst untereinan­der ausmachen, wer ab September in den Generalrat (Präsidium) und wer ein Jahr später ins Direktoriu­m (Gouverneur und Vize) der Notenbank einzieht. Dann muss noch geklärt werden, welche Rollen den beiden FMA-Vorständen Helmut Ettl (SPÖ, Rückkehrre­cht in OeNB) und Klaus Kumpfmülle­r (ÖVP) im Zuge der Umstruktur­ierung zukommen sollen. Denn ihre Verträge wurden knapp vor den Wahlen um fünf Jahre verlängert.

Anschließe­nd müssen die Neos überzeugt werden, den großen Umbau der Aufsicht und damit den der FMA mitzutrage­n. Denn Änderungen des Finanzmark­taufsichts­gesetzes erfordern eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t. Das wird nur gelingen, wenn die Regierung belegen kann, dass eine solche Zusammenle­gung tatsächlic­h zu niedrigere­n Kosten führt. „Wir haben uns das durchgerec­hnet. Mit beiden Varianten würde es signifikan­t teurer werden“, sagt eine an der Ausarbeitu­ng der vier Modelle beteiligte Person. Rund die Hälfte der Kosten für die Aufsicht zahlt bereits der Steuerzahl­er.

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