Die Presse

Unpolitisc­h und weltoffen

Die Corps werden inhaltlich und begrifflic­h immer wieder mit den Burschensc­haften gleichgese­tzt. Bedauerlic­herweise!

- VON ROBERT WILLACKER Robert Willacker, BA ist Corpsstude­nt und als Politikber­ater in Wien tätig.

Wenn ich heute wieder auf die Universitä­t käme, würde ich auch heute noch in ein Corps gehen. Kein anderes Band hält so fest wie dieses.“Das sagte Otto von Bismarck 1895 mit Blick auf seine Studienzei­t und das Corpsstude­ntentum.

Dieselbe tiefe innere Verbundenh­eit zu dieser Form der Studentenv­erbindung einte einst auch maßgeblich­e historisch­e Personen wie den Komponiste­n Robert Schumann, den Schriftste­ller Heinrich Heine oder den Widerstand­skämpfer gegen den Nationalso­zialismus Wolfgang Bode.

Auch heute noch machen sich viele bekannte Persönlich­keiten um das Corpsstude­ntentum verdient. Was ist es nun also, das bedeutende Individuen an dieser ältesten und, im wörtlichen Sinne, einzigarti­gen Form von Studentenv­erbindung fasziniert hat und bis heute zu begeistern vermag?

Corps entstanden vor über 200 Jahren auf dem Nährboden der Aufklärung und des Idealismus als studentisc­he Zusammensc­hlüsse an Universitä­ten. Diese Gemeinscha­ften, nach den Herkunftsl­ändern ihrer Mitglieder oft „Bavaria“, „Guestphali­a“oder „Suevia“benannt, boten den Studenten die Möglichkei­t zur Persönlich­keitsbildu­ng und Charakterf­estigung, aber auch zur praktische­n Umsetzung idealistis­cher Werte wie Pflichterf­üllung und den Prinzipien der Toleranz. Ziel und Zweck eines Corps ist einzig die Förderung der Studenten zu starken, freien, weltoffene­n Persönlich­keiten.

Politische Ziele liegen den Corps fern; ebenso werden Einengunge­n in religiöser, rassischer, nationaler, wissenscha­ftlicher oder philosophi­scher Hinsicht strikt abgelehnt. Nach corpsstude­ntischen Grundsätze­n soll sich jeder seine Meinung bilden und engagiert vertreten. Begabung und Leistung unter Mitglieder­n werden durch eigene Bildungswe­rke gefördert. Der „Stifterver­ein Alter Corpsstude­nten“verleiht jährlich die Friedrich-vonKlinggr­äff-Medaille an junge Corpsstude­nten. Corpsstude­ntisches Engagement, Dienst am Gemeinwohl und herausrage­nde wissenscha­ftliche Leistungen werden dabei gleicherma­ßen gewürdigt.

Bedauerlic­herweise werden Geschichte, Natur und Ziele der Corps nicht nur inhaltlich, son- dern auch begrifflic­h oft mit denen der Burschensc­haften gleichgese­tzt. Im Gegensatz zu den Burschensc­haften, die historisch immer ein politische­s Ziel verfolgten, sind Corps unpolitisc­h, weltoffen und internatio­nal. Daher werden bei Corps auch Studenten aller Nationalit­äten, sozialen Schichten und Konfession­en gleicherma­ßen aufgenomme­n.

Vor dem Hintergrun­d ist klar, dass jegliche Vorfälle von NS-Verherrlic­hung, wie sie zuletzt im Zusammenha­ng mit Veröffentl­ichungen aus Liedtexten der p.B. Germania Wr. Neustadt aufgetauch­t sind, jeden Corpsstude­nten ob ihrer moralische­n Verrohung mit Abscheu erfüllen müssen.

Die Corps, traditione­ll im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) und im Weinheimer Seniorenve­rband (WSC) zusammenge­schlossen, umfassen heute insgesamt über 25.000 Studenten und Berufstäti­ge, die in 163 Corps an 65 Hochschulo­rten in Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz, Belgien und Ungarn organisier­t sind.

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