Angela Merkel als Gegenpol zum EU-Skeptizismus
Sollen auf der europäischen Bühne künftig die rüpelhaften Selbstdarsteller spielen?
Merkel muss weg!“forderte Martin Leidenfrost in seiner Kolumne „Der letzte Kreuzritter“(3.2.) Und dann noch: „Ich kenne etliche Europäer, die nicht von Merkel regiert werden wollen“. Für Leidenfrost ist die deutsche Kanzlerin unglaubwürdig, sie habe in fast allem versagt.
Nun ist bekannt, dass man von der zweiten oder dritten Reihe viel einfacher kritisieren kann, als wenn man auf der Bühne steht. Ich stamme aus der Tschechoslowakei. Als das kommunistische System vor 29 Jahren kollabierte und Tschechen und Slowaken spontan „Havel auf die Burg, Havel auf die Burg“riefen, war ich überwältigt vor Freude.
Nach der jahrelangen Diktatur, nach Verfolgung, Spitzelwesen, Diskriminierung, Lügen und Korruption war endlich nicht nur die Stunde der Hoffnung und der Wahrheit, sondern auch die Stunde der Menschenfreundlichkeit, Demokratie, Weltoffenheit und die Zeit der Brückenbauer gekommen.
Eines der Verdienste Vaclav´ Havels war seine Begeisterung und sein unermüdliches Engagement für die Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU. Havel war eine Ausnahmeerscheinung, jemand, der die Menschen begeistern konnte; jemand, der zwar kein Christ war, sich aber für die christlichen Werte einsetzte.
Es hat aber leider nicht lange gedauert und die Havel-Euphorie verblasste zunehmend. Am Ruder saßen plötzlich wieder ehemalige Kommunisten und vor dem Zerfall des Kommunismus völlig unbekannte und unbedeutende Europa-Skeptiker wie Vaclav´ Klaus und Milosˇ Zeman. Diesen beiden Politikern ist es gelungen, die Mehrheit der durch die kommunistische Erziehung geprägte Bevölkerung so zu manipulieren, dass sie jetzt EU-feindlich eingestellt ist und sogar über EU-Austritt gesprochen wird. Und das, obwohl die Tschechische Republik bis dato von der EU-Mitgliedschaft profitiert hat und weiterhin profitiert. Eine ähnliche Stimmung findet sich auch in Polen, Ungarn und auch in der Slowakei.
Für mich ist gerade Angela Merkel der Gegenpol zu diesem EU-Skeptizismus. Alle Regierungschefs im früheren Ostblock berufen sich bei ihrem Kampf gegen die Aufnahme von Flüchtlingen auf die Einhaltung christlicher Werte, aber keiner von ihnen lebt diese Werte.
Merkel mit ihrer Geradlinigkeit ist für mich zu einem Symbol einer Politik der geistigen Werte, der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, aber auch einer Politik der Solidarität und Toleranz geworden. Merkels Satz: Die EU müsse viel mehr sein als nur eine Union der gut funktionierenden Wirtschaft; sie müsse eine Union der Demokratie, der Solidarität und der Toleranz sein, nur so könne sie überleben, halte ich für wahr und visionär.
Es ist bekannt, wie sich die groben, vulgären, nur auf sich schauenden rechtspopulistischen Politiker wie Milosˇ Zeman in Prag, Viktor Orban´ in Budapest oder polnische Spitzenpolitiker spöttisch über Merkel äußern. Doch diese Politiker sind Verführer! In den Ländern, die sie vertreten, gibt es aber noch viele anständige Menschen, die sich einerseits für ihre politische Elite schämen, andererseits gerade in Merkel eine Person mit Charakter, Handschlagqualität, Zukunftsvisionen und christlichem Optimismus sehen.
Wenn Herr Leidenfrost Frau Merkel weghaben will, kappt er den letzten Ast des Baumes, auf dem wir alle sitzen. Wenn in dieser Welt nämlich nur noch brutale, rüpelhafte und aggressive Selbstdarsteller das Sagen haben, habe ich vor der Zukunft größere Angst als wenn Politikerinnen wie Angela Merkel die Fäden ziehen.