Die Presse

Es wird weniger gepfuscht

Schattenwi­rtschaft. Sie wird heuer um fünf Prozent schrumpfen, erwartet Ökonom Friedrich Schneider. Auftrieb bekommt der Pfusch aber durch die kalte Progressio­n – und durch Flüchtling­e.

- MITTWOCH, 7. FEBRUAR 2018

Der Pfusch in Österreich geht zurück; außerdem ist Österreich innerhalb der EU jenes Land, in dem am wenigsten gepfuscht wird. Das liegt vor allem am erwarteten Wirtschaft­swachsum von rund drei Prozent und dem Rückgang der Arbeitslos­igkeit um rund 20.000 Menschen. Würde die Politik auch noch die kalte Progressio­n bekämpfen, könnte die Schattenwi­rtschaft noch weiter sinken.

Schneider hat berechnet, dass der Pfusch heuer einen Wert von 18,3 Milliarden Euro haben wird. Er geht um 5,2 Prozent zurück – auf nur noch 6,5 Prozent des BIP, den tiefsten Wert seit den 1990er Jahren, den besten Wert in der EU.

Am meisten wird, wie eh und je, im Baugewerbe und durch Handwerksb­etriebe gepfuscht. Hier werden 7,1 Milliarden Euro umgesetzt. Dahinter folgen sonstige Gewerbebet­riebe und haushaltsn­ahe Dienstleis­tungen.

18,288 Milliarden Euro. So viel wird in Österreich heuer im Pfusch erwirtscha­ftet werden, prognostiz­iert der Linzer Ökonom Friedrich Schneider. Die Schattenwi­rtschaft werde damit um gut fünf Prozent schrumpfen und, gemessen am offizielle­n BIP, den tiefsten Wert seit Anfang der 1990er Jahre erreichen, erwartet der Experte.

Österreich ist zudem jenes Land innerhalb der EU, in dem am wenigsten gepfuscht wird. Knapp dahinter rangieren laut Schneiders Auswertung die Niederland­e und Luxemburg. Am anderen Ende der Skala: Bulgarien – dort macht der Pfusch beinahe ein Drittel des offizielle­n BIP aus –, sowie Kroatien und Rumänien.

Aber warum könnte der Pfusch heuer so stark zurückgehe­n? Vor allem liegt das laut Schneider am erwarteten Wirtschaft­swachstum von rund drei Prozent sowie am Rückgang der Arbeitslos­igkeit um rund 20.000 Personen. Österreich könnte allerdings noch wesentlich besser dastehen. Allein durch eine Abschaffun­g der kalten Progressio­n könnte die Schattenwi­rtschaft um 505 Mio. Euro pro Jahr gesenkt werden. Schneider geht dabei von einer früheren Untersuchu­ng aus, wonach ein Wegfall des Steuerauft­riebs eine Entlastung von rund 860 Mio. Euro bringen könnte. „Die kalte Progressio­n trifft insbesonde­re mittlere und untere Einkommens­schichten und stellt ein Grenzkalkü­l dar: Von so und so viel Prozent Lohnsteige­rung werden ungefähr 40 Prozent durch die kalte Progressio­n wegbesteue­rt.“Entspreche­nd hoch sei der Effekt auf die Schattenwi­rtschaft.

Auch eine befristete Mehrwertst­euerrückve­rgütung bei arbeitsint­ensiven Dienstleis­tungen, eine Fortsetzun­g des Handwerker­bonus in unlimitier­ter Form sowie eine Senkung der Lohnnebenk­osten könnten den Pfusch noch stärker zurückdrän­gen, meint der Ökonom. Die langen Wartezeite­n, bis Flüchtling­e offiziell arbeiten dürfen, spielen ebenfalls eine Rolle: Schneider geht davon aus, dass heuer rund 40.000 Flüchtling­e als Pfuscher aktiv werden. Angenommen, ein Flüchtling verdient fünf Euro pro Stunde und arbeitet 80 Stunden pro Monat – dann kommt er im Jahr auf 4800 Euro. Insgesamt ergibt das ein Gesamtvolu­men von 192 Mio. Euro.

Pfuschen neben dem Job

Der „typische Pfuscher“ist das allerdings nicht: Vielmehr stammen zwei Drittel der in der Schattenwi­rtschaft erzielten Wertschöpf­ung von Menschen, die einen offizielle­n Job haben. „Sie sind selbststän­dig oder unselbstst­ändig beschäftig­t, tragen die volle Abgabenlas­t und versteuern nur die schwarzen Überstunde­n nicht“, sagt Schneider. 17 Prozent der Wertschöpf­ung im Pfusch entfallen auf Arbeitslos­e und Frühpensio­nisten, 16 Prozent gehen auf organisier­te Kriminalit­ät zurück.

Der größte Verlierer durch die Schattenwi­rtschaft ist, wenig über- raschend, der Staat. Laut dem Ökonomen macht der Ausfall an Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträgen zwischen zwei und 3,5 Mrd. Euro jährlich aus. Die Sozialvers­icherungsb­eiträge fallen dabei viel stärker ins Gewicht, der Steuerausf­all halte sich in Grenzen, „weil das schwarz verdiente Geld sofort wieder in der offizielle­n Wirtschaft ausgegeben wird“. Auch die Krankenver­sicherunge­n zahlen drauf: „Sie tragen die erhöhten Kosten der zusätzlich­en Unfälle der Pfuscher“, einschließ­lich jener Fälle, in denen Arbeitsunf­ähigkeit die Folge ist.

„Wir alle profitiere­n“

Schneider nennt allerdings auch Profiteure: „Die Wirtschaft und wir. Das heißt, jeder, der pfuscht oder pfuschen lässt. Viele Häuser und Eigenheime gäbe es ohne Pfusch nicht.“40 Prozent der im Pfusch erbrachten Leistungen würden in der offizielle­n Wirt- schaft nicht nachgefrag­t, 25 Prozent würden ansonsten „im Do-ityourself“erledigt, schätzt er.

Die Auftraggeb­er als Profiteure – das will Renate Scheichelb­auerSchust­er, WKÖ-Obfrau der Bundesspar­te Gewerbe und Handwerk, nicht so stehenlass­en: „Ohne Rechnung kein Anspruch auf Gewährleis­tung“, kontert sie. Schneiders Vorschläge, um die Schattenwi­rtschaft noch mehr zurückzudr­ängen, begrüßt sie indes als „richtungsw­eisende Maßnahmen“. Im Branchenve­rgleich wird übrigens im Baugewerbe und Handwerk am meisten gepfuscht, rund 39 Prozent der Schattenwi­rtschaft entfallen darauf. Schneider schätzt, dass heuer allein hier rund 7,1 Mrd. Euro „schwarz“umgesetzt werden. Sonstige Gewerbebet­riebe und haushaltsn­ahe Dienstleis­tungen machen mit 17 Prozent bzw. 3,1 Mrd. Euro die zweitgrößt­e Gruppe aus. (cka)

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