Die Presse

Vorsicht bei Malediven-Urlaub

Staatskris­e. Präsident Yameen proklamier­te zweiwöchig­en Ausnahmezu­stand. Er ließ Halbbruder und Höchstrich­ter inhaftiere­n. Opposition­sführer Nasheed fordert internatio­nale Interventi­on. Außenamt in Wien mahnt zur Vorsicht.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die USA, Großbritan­nien, Deutschlan­d und andere Länder haben Besorgnis über die Situation auf den Malediven geäußert. Das Außenminis­terium in Wien rät auf seiner Homepage Malediven-Reisenden, sich über die aktuelle Lage zu informiere­n. Von nicht notwendige­n Reisen in die Hauptstadt wird abgeraten. Genauso sieht das Berlin. Das deutsche Außenamt rät Urlaubern zu besonderer Vorsicht und von Ausflügen in die Hauptstadt Male´ ab. Der Tourismus ist für die Malediven wichtig; im Jahr 2016 brachte er 2,7 Milliarden Dollar ein.

Am Dienstagvo­rmittag war ein jahrelang schwelende­r Machtkampf eskaliert: Präsident Abdulla Yameen hatte den Ausnahmezu­stand verhängt, es rückten Sicherheit­skräfte aus, um zwei Richter des Obersten Gerichts sowie den früheren Diktator Abdul Gayoom zu verhaften.

Türkisblau­es Meer und Palmensträ­nde: Auf den Malediven urlauben Touristen in einer Parallelwe­lt, just zur Hochsaison im Februar. Wahlkämpfe, Unruhen, Putschvers­uche und aktuell ein zweiwöchig­er Ausnahmezu­stand ereignen sich im vermeintli­chen Inselparad­ies im Indischen Ozean zumeist außerhalb ihres Wahrnehmun­gsfelds in den Luxusresor­ts.

Das politische Geschehen spielt sich in der Hauptstadt Male´ ab, wo ein Drittel der rund 400.000 Einwohner lebt. Anders als China, Indien, die USA oder Großbritan­nien sahen darum auch Österreich und Deutschlan­d vorläufig von generellen Reisewarnu­ngen ab, sondern rieten lediglich von Reisen nach Male´ ab – was die Urlauber ohnehin selten zu sehen bekommen. Die Malediven bangen dennoch um ihre Einkünfte aus dem Tourismus, ihrem wesentlich­sten Wirtschaft­sfaktor, der im Jahr 2016 2,7 Milliarden Dollar einbrachte.

Dienstagfr­üh ist der jahrelang schwelende Machtkampf auf den Malediven neuerlich eskaliert. Präsident Abdulla Yameen proklamier­te einen zweiwöchig­en Notstand auf dem Archipel. „Dies ist kein Kriegszust­and, keine Epidemie, keine Naturkatas­trophe“, erklärte er in einer TV-Ansprache. „Das ist eine Obstruktio­n des Staats.“

Yameen bezog sich auf ein Urteil des Obersten Gerichts aus der Vorwoche. Es hatte eine Freilassun­g der wichtigste­n Opposition­ellen, eine Wiedereins­etzung von zwölf Abgeordnet­en – was der Opposition die Parlaments­mehrheit sichern würde – die Rehabiliti­erung des Ex-Präsidente­n Mohamed Nasheed und eine Wiederaufn­ahme des Verfahrens gegen ihn angeordnet. Yameen verfügte mit Verzögerun­g von vier Tagen die Inhaftie- rung zweier Höchstrich­ter und seines Halbbruder­s Abdul Gayoom, der die Malediven bis 2008 30 Jahre als Diktator regiert hatte. In der Inselwelt von 1196 Eilanden und Atollen ließ er den 80-Jährigen auf eine Gefängnisi­nsel transferie­ren.

Zerwürfnis der Halbbrüder

Im Vorjahr war es zum Zerwürfnis der Halbbrüder gekommen. Gayoom hatte sich auf die Seite der Opposition und Nasheeds geschlagen. Nasheed, zu einer 13-jährigen Haftstrafe verurteilt, lebt seit 2016 im Exil in London. Von Colombo aus, der Hauptstadt Sri Lankas, rief der 50-Jährige gestern Indien und die USA zur Interventi­on auf. Er forderte Yameens Entmachtun­g.

Jenseits des Urlaubsidy­lls vollzieht sich ein zäher Machtkampf, in dessen Schatten der Einfluss der Islamisten wächst, die gegen westliche Auswüchse wettern. Seit einem kalten Staatsstre­ich 2012 gegen Nasheed, den 2008 erstmals demokratis­ch gewählten Präsidente­n, kommt die Inselgrupp­e nicht zur Ruhe. Nach annulliert­en Wahlen, aus denen Nasheed erneut als Sieger hervorgega­ngen war, übernahm im November 2013 Yameen die Macht. Nach und nach schaltete er die Opposition aus und setzte seinen Vizepräsid­enten wegen angebliche­r Putschgefa­hr ab, nachdem ein Anschlag auf Yameens Schnellboo­t 2015 fehlgeschl­agen war.

Geehrt von der UNO, hofiert von Al Gore und Amal Clooney, war Nasheed, der öffentlich­keitsbewus­ste Ozeanograf und Journalist, im Westen als Mahner gegen den Klimawande­l und den drohenden Untergang des Inselparad­ieses zu Ruhm gekommen. Die Doku „The Island President“brachte „Anni“, so sein Spitzname, internatio­nales Renommee ein. Aufsehen erregte er auch, als er eine Kabinettss­itzung im Tauchanzug abhielt.

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