Ozonschicht schrumpft weiter
Das alte „Ozonloch“ist gebannt. Aber es gibt einen neuen Schwund des Gases, das vor UV-Strahlung schützt.
Die Ozonschicht, die die Erde vor den krebserregenden UVStrahlen der Sonne schützt, wird an den Polen zwar wieder dicker. Aber sie schrumpft zwischen den 60. Breitengraden Nord und Süd in der unteren Stratosphäre zwischen 15 und 24 Kilometern über der Erde weiter. Warum, wissen die Experten noch nicht.
Als man 1985 erstmals die Ozongehalte hoch über der Antarktis maß, waren sie so gering, dass man das Phänomen „Ozonloch“nannte. Gemessen hatte man, weil Atmosphärenchemiker bemerkt hatten, dass vom Menschen frei gesetzte Chemikalien – Stickoxide und FCKWs, fluorierte und chlorierte Kohlenwasserstoffe – Ozon zersetzen. Das Ozon hoch in der Atmosphäre darf aber nicht zersetzt werden, es schützt das Leben unten auf der Erde vor gefährlicher UV-Strahlung. Deshalb wurde die Ausdünnung des Ozons in 35 bis 50 Kilometern Höhe über der Antarktis und, in geringerem Maß, rund um die Erde, rasch zum Umweltproblem Nummer eins. Fast ebenso rasch fand sich ein Gegenmittel: Im Montrealer Protokoll wurde 1987 der Einsatz von FCKWs – sie wurden etwa als Kühlmittel eingesetzt – verboten.
Das griff, das Ozonloch über der Antarktis wurde kleiner, bis 2050 soll es verschwunden sein, auch über dem Rest der Erde sind die Konzentrationen ganz hoch oben gestiegen, um 0,8 Dobson-Einheiten, das ist ein Maß für die Stärke der Ozonschicht. Aber weiter unten, in 15 bis 25 Kilometer Höhe, sind sie gesunken, um 2,2 Dobson-Einheiten, und zwar nicht am Pol, sondern in den Tropen und den gemäßigten Zonen zwischen 60 Grad nördlicher und südlicher Breite, Wien liegt etwa auf dem 48. Grad Nord. Das hat eine Gruppe um William Ball (ETH Zürich) an Satellitenmessungen bemerkt, und das macht deshalb Sorgen, weil in diese Regionen viel mehr UV-Strahlung kommt als in die Antarktis, und weil sie im Unterschied zu ihr dicht besiedelt sind (Atmospheric Chemistry and Physics 6. 2.).
Sind wieder Chemikalien schuld?
Was hinter dem Schwund steht, ist unklar, theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten: Ozon wird hoch über den Tropen photochemisch gebildet und dann zu den Polen verfrachtet. Haben sich die Winde geändert, etwa durch die globale Erwärmung? Darauf deutet nichts, weder in Beobachtungen noch in Modellrechnungen. Deshalb haben die Forscher wieder menschgemachte Chemikalien im Verdacht, die heißen als Gruppe VSLSs – „very shortlived substances“–, auch in ihnen ist Chlor und Brom, sie werden für viele Zwecke eingesetzt, Dichlormethan etwa als Lösemittel, auch als Ersatz für manche FCKWs. Dass man die VSLSs bisher nicht besonders beachtete, liegt daran, dass sie nach maximal sechs Monaten zerfallen, und dass man es nicht für möglich hielt, dass sie in dieser Frist hoch in die Atmosphäre steigen können.
„Ich möchte nicht, dass die Menschen in Panik geraten oder sich zu große Sorgen machen“, schließt Ball: „Aber in der unteren Atmosphäre geht etwas vor sich, das verstanden werden muss.“