Die Presse

Sex und Liebe sind zweierlei

Fifty Shades – Befreite Lust“, der dritte Film der Sado-Maso-Reihe, baut auf.

- VON BARBARA PETSCH

Es wächst das Glück, dann wird es angefochte­n. Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran, Und eh man sich’s versieht, ist’s eben ein Roman“, es ist die Lustige Person, öfter identisch mit Mephisto, aus Goethes „Faust“, die hier spricht und dem Theaterdir­ektor Tipps für einen Publikumsh­it gibt. Anspruchsv­olle sind mit E. L. James nicht gut bedient, in ihren Büchern „weiten sich die Augen“und „der Blick wird stählern“oder „eisig“. Oje.

Als Triviallit­eratur ist das Werk der Britin bereits abgehakt. Aber sie hat andere Qualitäten. Zieht man den Kitsch um Reichtum und Sado-Maso ab, erzählen die Bücher der 54-jährigen Mutter zweier Söhne einfach eine zeitgemäße Beziehungs­geschichte. Inspiriert wurde James von ihren Freundinne­n, sie betrieb geistiges Crowdfundi­ng bei Frauen ihres Alters, die mit Mann und Kindern schon einiges erlebt haben.

Konzeptuel­l folgt James „Twilight“, der Vampirsaga der zehn Jahre jüngeren Mormonin Stephenie Meyer. Meyers Bücher leben davon, dass nichts passiert. James’ Bücher leben davon, dass ständig alles passiert. Und beide wurden kräftig verrissen. Der Hype um James ist indes kaum geheimnisv­oll. Sie schreibt über das, was viele ersehnen und wenigen gelingt, die Fusion von Sex, Liebe und Beziehung. Bei den vielen bittersüße­n und tragischen Liebesgesc­hichten im Film (und im Theater! Die Klassiker!) ist es kein Wunder, dass James das Publikum in Scharen anlockt. Nun kommt Teil 3 der Erotik-Serie (es könnte nicht der letzte sein, der Böse überlebt) ins Kino: In „Fifty Shades Of Grey – Befreite Lust“zähmen einander der kontrollsü­chtige, seelisch versehrte Milliardär Christian Grey und die frische, unverbrauc­hte Lektorin Anastasia Steele. Sie heiraten, verbringen traumhafte Flitterwoc­hen in Frankreich. Aber: Er stört sie bei der Arbeit, sie weist ihn freundlich, aber bestimmt ab und trifft gegen seinen Willen ihre Freundin. Er bestraft sie in der strengen Kammer. Sie wird schwanger. Dafür ist er nicht bereit.

Lehrreiche Romanze mit Thriller

In diese Geschichte eingebette­t ist ein Thriller, der sich um Anas früheren Chef dreht. Sowohl den Thriller als auch die Lovestory hätte Woody Allen mit mehr Esprit erzählt, aber Regisseur James Foley bekam wohl strengere Vorgaben für diesen Blockbuste­r – der mit wilden, aber eindimensi­onalen Autorennen (Audi!) und Verfolgung­sjagden wie ein Westentasc­hen-James-Bond ausschaut. Dennoch: Foley übertraf das Buch deutlich. „Fifty Shades Befreite Lust“ist lehrreich, ästhetisch – mit wenigen geschmackv­ollen Sexszenen. Snobs müssen sich nicht genieren, schon gar nicht jene, die eine saftige Romanze zu schätzen wissen. Schluchz.

Ok, „Vom Winde verweht“hat mehr Reibung, dafür ist „Fifty Shades“von heute. Und es ist ermunternd, statt Bella Swan (Kristen Stewart), ständig traurig und sich verzehrend nach ihrem dämonische­n Edward (Robert Pattinson) in „Twilight“, die Greys zu sehen: Ana (Dakota Johnson), pfiffig, schlau, sinnlich mit kleinen Zahnlücken statt dem üblichen makellosen Gebiss der Hollywood-Stars, und Christian (Jamie Dor- nan), ein strammer, sensibler Hero, der allerdings im Vergleich zu den vorherigen Filmen etwas zu stark muskulös aufgepumpt wirkt. Mögen die Greys auch weniger charismati­sch sein als Emma Stone und Ryan Gosling im Künstlerdr­ama „La la land“von Damien Chazelle, das sechs Oscars gewann –, bereits der erste „Shades“-Film spielte 570 Millionen Dollar ein. „La la Land“brachte es „nur“auf 370 Millionen. Die Geldmaschi­ne Hollywood schnurrt, man setzt auf Bewährtes: Schon warten Fortsetzun­gen von „Mamma mia!“und „Jurassic Parc“(Teil 5!).

Der Einfluss von Forschung oder Kunst auf Paarbezieh­ungen ist nicht zu unterschät­zen. Von De Sade, Sacher-Masoch oder Felix Salten führt ein Pfad zu Kinsey – den T. C. Boyle in seinem Roman „Dr. Sex“schonungsl­os enttarnte. Weiter ging es mit Oswalt Kolle und Beate Uhse, Shere Hite und Ernst Bornemann, um nur einige der wichtigste­n Bahnbreche­r im Schlafzimm­er zu nennen. Man könnte meinen, das Thema sei ausreichen­d aufgearbei­tet. Aber alle paar Jahre gibt es etwas Neues, zuletzt die eher peinigend-peinlichen Konfession­en von Charlotte Roche, auch hier war übrigens wie bei den „Shades“die Verfilmung viel frecher und überzeugen­der als das Buch.

In unseren Zeiten der Lust an Fantasy, Dystopie und Apokalypse braucht die andere, die wichtigere, die wahre Lust mehr Platz. Sie hat mit vielen sozialen Tugenden zu tun. „Shades of Grey“fügt den zahlreiche­n Männerfant­asien beim Sex eine weitere Frauenfant­asie hinzu, in ihr steckt die Verheißung, dass er und sie glücklich werden können. Das sind gute Aussichten.

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 ?? [ Universal Pictures ] ?? „Fifty Shades Freed“: Ana (zauberhaft: Dakota Johnson) will sich an der Coteˆ d’Azur ausziehen, ihr Gemahl erlaubt es nicht, sie wartet, bis er weg ist.
[ Universal Pictures ] „Fifty Shades Freed“: Ana (zauberhaft: Dakota Johnson) will sich an der Coteˆ d’Azur ausziehen, ihr Gemahl erlaubt es nicht, sie wartet, bis er weg ist.

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