Die Presse

„Mathematik ist einfacher zu lernen als Politik“

Interview. Als Quereinste­iger sei er auf vieles nicht gefasst gewesen, erzählt der neue ÖVP-Bildungssp­recher, Rudolf Taschner. Hinter verschloss­enen Türen könne offen gesprochen werden. Nach außen brauche es Zusammenha­lt.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Sie sitzen heute seit exakt drei Monaten im Nationalra­t. Ist es so, wie Sie es sich vorgestell­t haben? Rudolf Taschner: Sagen wir so: Enttäuscht bin ich eigentlich nicht. Es ist sehr interessan­t, man lernt außerorden­tlich viele Menschen kennen, und das, was man sagt, hat heute mehr Gewicht als früher.

Das klingt etwas verhalten. Sie hätten auch sagen können, dass Sie begeistert sind? Man muss vorsichtig sein. Es kann noch einiges kommen. Ich bin jedenfalls noch in froher Erwartung.

Waren Sie nach Ihrer großen medialen Präsentati­on als Quereinste­iger auch froher Erwartung auf ein Ministeram­t? Nein, eigentlich bin ich froh, dass die Aufteilung so vollzogen ist. Ich glaube, dass ich in der Position des Parlamenta­riers gedanklich vielleicht mehr beitragen kann. Ich fühle mich als Sprecher gut. Und Bildungsmi­nister Heinz Faßmann ist ein guter, unaufgereg­ter, klar abwägender Mann.

Es heißt, Mathematik ist schwer zu lernen. Aber wie ist es eigentlich mit der Politik? Mathematik ist viel einfacher zu lernen als Politik. Man lernt in der Politik nie aus, es wird immer Überraschu­ngen geben.

Was waren die Dinge, auf die Sie als Quereinste­iger nicht gefasst waren? Da gibt es eine ganze Reihe. Ich halte mich an das Wort: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem. Was auch immer du tust, tue es klug, und bedenke das Ende. Das ist eine sehr brauchbare Devise.

Was soll von Ihrem politische­n Wirken einmal übrig bleiben? Jetzt, da sich eine Ära wandelt, braucht man eine möglichst gebildete und gut ausgebilde­te Bevölkerun­g. Ich empfand, dass es hier noch Luft nach oben gibt. Im Bildungsbe­reich hat die neue Volksparte­i gute Ansätze, wie etwa die Bildungspf­licht und die Deutschför­derklassen.

(64) wurde als Mathematik­professor bekannt und wechselte im Herbst in die Politik. Der TUProfesso­r und Autor kandidiert­e für die Volksparte­i und sitzt nun als ÖVP-Bildungs- und Wissenscha­ftsspreche­r im Parlament. Sein Institut Math.Space musste aufgrund des politische­n Engagement­s seine Pforten schließen. Was halten Sie als Bildungssp­recher und Mathematik­professor eigentlich von der Zentralmat­ura? Grundsätzl­ich halte ich sie für einen guten Weg. Gleichzeit­ig wird man allerdings an der einen oder anderen Schraube drehen müssen. Die teilzentra­le Matura, bei der eben nur ein Teil vom Staat vorgegeben wird und der Rest bei den Lehrern bleibt, hat für mich einen gewissen Charme.

Seit Sie in der Politik sind, sind Sie in der Öffentlich­keit weniger präsent. Woran liegt das? Ich schreibe das wöchentlic­he Quergeschr­ieben in der „Presse“nicht mehr.

Aber auch keine Presseauss­endungen. Es gibt bisher keine einzige von Ihnen. Das wird schon kommen.

Kann es sein, dass Sie Ihre Meinung nicht mehr so frei äußern können und sich der Partei fügen müssen? Selbstvers­tändlich hat sich das etwas geändert. Keine Frage. Es geht nicht darum, sich zu fügen, es geht um Loyalität. Zusammenha­lt und Loyalität sind gute und wichtige Tugenden. Wer seine Meinung immer und überall frei äußern möchte, wird zum einsamen Wolf. Und im inneren Kreis, hinter verschloss­enen Türen, kann man ohnehin alles sagen, was man möchte.

Manche nennen das nicht Loyalität, sondern Message Control. Haben Sie das auch schon erlebt? (längere Pause) Das haben Sie sogar in der Familie, dass Sie gewisse Dinge nicht nach außen sagen. Das ist selbstvers­tändlich und eine Frage des Anstands.

Sie fühlen sich nicht eingeschrä­nkt? Überhaupt nicht. Ich erzähle Ihnen ja auch nicht von meinen hygienisch­en Problemen.

Im Parlament sitzen nun Vertreter der neuen, aber auch der alten Volksparte­i. Wie ist die Stimmung zwischen türkisen und schwarzen Abgeordnet­en? Ich muss gestehen, ich weiß und spüre das bei den Abgeordnet­en meist gar nicht, ob es sich um einen Frischling wie mich handelt oder nicht. Die Stimmung ist sehr gut.

Sind Sie mittlerwei­le Parteimitg­lied? Ich werde, glaube ich, in den Listen geführt.

Sie glauben? Sicher, bei der Wiener Partei.

Als Sie in die Politik wechselten, gab es heftige Kritik. Unter anderem wegen eines Kommentars zur „G’sunden Watschen“. Würden Sie das heute noch so schreiben? Das, was ich in dem Text, der sich auf die Vergangenh­eit bezog, betonen wollte, ist, dass es seelische Verletzung­en bei Kindern gibt. Und diese seelische Verletzung ist – so sehr man jeden körperlich­en Angriff verurteile­n muss, muss, muss – grausamer und fürchterli­cher. Ich kenne Fälle, in denen ein Erzieher einen Schüler seelisch so gequält hat, dass der sich das Leben genommen hat. Er wurde seelisch umgebracht.

Sie haben die Watsche, die Ihre Mutter einst austeilte, als Gewitter mit kurzem, reinigende­m Schmerz bezeichnet. Ich muss gestehen, für mich war es das. Sie hätte es vielleicht anders machen können, aber ich bin ihr nicht bös deshalb.

Kritik gab es auch wegen Ihres Kommentars zum Klimawande­l. Sie bezeichnet­en diesen als Scheinprob­lem. Es ist ein Scheinprob­lem, weil es gravierend­ere Probleme wie Überbevölk­erung in Afrika überdeckt. Diese gigantisch­e Überbevölk­erung wird – wie auch immer das Klima sich ändern sollte – zu einem großen Bevölkerun­gsdruck führen.

Und die Klimakatas­trophe ist für Sie tatsächlic­h abgesagt? Es wird von einer Klimakatas­trophe gesprochen, dabei wandelte sich das Klima in der Geschichte andauernd. Man kann eine vernünftig­e Schlussfol­gerung ziehen: Man sollte mit der Natur behutsam umgehen. Aber das Klima braucht keine Rettung.

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