Die Presse

Man urlaubt wieder in Krisenländ­ern

Tourismus. Kann man in die Türkei fahren? Nach Ägypten? Immer mehr Österreich­er sagen Ja. Damit sind sie spät dran. Das Comeback ist dort schon gelungen – wenn auch nicht flächendec­kend.

- VON ANTONIA LÖFFLER

„Jetzt ist die Zeit, nach Luxor zu fahren“, sagt John Kester. Kester ist kein Verkäufer, sondern Statistike­r. Im Madrider Büro der Welttouris­musorganis­ation (UNWTO) überwacht er die internatio­nalen Reiseström­e. Vor Kurzem war er selbst in Luxor. Und praktisch allein. Das deckt sich mit seinen Daten. Sieben Jahre nach Ausbruch des Arabischen Frühlings liegt der Tourismus rund um Nil und Pyramiden am Boden.

Luxor dürfte aber immer mehr zur traurigen Ausnahme werden. Krisenländ­er, die von den Touristen lang gemieden wurden, erfreuen sich neuer Beliebthei­t. Die Türkei, Tunesien und Ägypten sind bis zu viermal besser gebucht als 2017, melden Tui und Ruefa. Selbst als der türkische Präsident Erdogan˘ zur Militäroff­ensive in Syrien rief, wurde munter weiter gebucht. Wo zwischen Jammer und Jubel liegt die Wahrheit? „Die Presse“hat die wichtigste­n Daten analysiert.

ITürkei: Mit Sonne, Strand und einem Preisnivea­u weit unter dem von Spanien war die Türkei die sichere Bank für das All-inklusiveS­ortiment – bis 2016. Ein Putschvers­uch, Anschläge und Verstimmun­gen zwischen der Türkei und ihren Hauptmärkt­en Russland und Deutschlan­d sorgten für wenig urlaubstau­gliche Bilder. Die Ankünfte brachen in einem Jahr von 39,4 auf 30,3 Millionen ein. „Jetzt sind wir langsam auf dem Weg der Normalität“, sagt Kathrin Limpel von Tui. Sie spricht für Österreich.

Ein Blick über die Grenze zeigt: Andere haben den Weg längst hinter sich. Die internatio­nalen Ankünfte waren 2017 laut dem türkischen Tourismusm­inisterium fast wieder auf ihrem früheren Höchststan­d. Die UNWTO hat keine endgültige­n Zahlen, Kester schätzt im Gespräch mit der „Presse“aber Ähnliches. Der Aufschwung wurde von der Rückkehr der Russen und Gästen aus dem Mittleren Osten befeuert. Westeuropa ließ ein weiteres Jahr aus. Das erklärt die Meinung in Österreich, dass die Hotels an den türkischen Stränden noch leer sind. Im deutschen Raum spielt der politische Konflikt stark in die Zahlen, sagt Kester. Ob Österreich­er die Türkei aus Angst oder politische­n Gründen meiden, ist aber relativ egal: Sie machen mit 288.000 Ankünften weniger als ein Prozent des Markts aus. Zum Vergleich: 2017 kamen wieder 4,7 Millionen Russen und lösten die Deutschen als größte Urlaubergr­uppe ab.

ITunesien: Von hier sprang der Revolution­sfunke im Winter 2010 auf den Großteil der arabischen Welt über. Das kostete Tunesien im Jahr darauf zwei seiner 7,8 Millionen Gäste. Aber schon davor hatte das Land nie die Anziehungs­kraft der Türkei: Während diese die Gästezahl von 921.000 im Jahr 1980 auf 39,4 Millionen 2015 schraubte, war hier das Allzeithoc­h mit 7,8 Millionen erreicht. Beschwörun­gen, dass die Urlauber sicher sind, wollen seit der Revolution nicht verfangen. Noch weniger, seit Terroriste­n 2015 Dutzende Touristen erschossen. Dass nach wie vor auf diese Attentate verwiesen wird, ist nicht fair, sagt Elyes Lakhal von Tunesiens Botschaft in Wien. „Seit zwei Jahren ist bei uns nichts passiert. Der Arabische Frühling ist überwunden.“

Tunesien ist „in der Bedeutungs­losigkeit verschwund­en“, sagt Ruefa-Chef Walter Krahl. 2010 flogen 53.500 Österreich­er über das Mittelmeer, 2016 5300. Erst 2017 brachte eine zarte Wende. Doch wie in der Türkei zeigen die internatio­nalen Zahlen: Andere haben das Land längst wiederentd­eckt. 2017 kamen gut sieben Millionen Menschen. Lakhal ist zuversicht­lich, dass der Aufschwung hält. Das ist zu wünschen. Tunesien hängt zu 7,4 Prozent direkt vom Tourismus ab. Der indirekte Beitrag wird auf das Doppelte geschätzt.

IÄgypten: 2017 konnte Ägypten 123.000 Österreich­er anlocken – fast doppelt so viele wie im Jahr davor. Dennoch ist Mohammed Abdel Gabbar, Ägyptens Tourismusd­irektor in Berlin, unzufriede­n. „Gut 90 Prozent der Gäste kommen nur für Urlaub am Roten Meer“, sagt er zur „Presse“. Die Reisebüros bestätigen das. „Es reduziert sich primär auf den Badetouris­mus“, sagt Krahl. „Dort gibt es drei Checkpoint­s zwischen Flughafen und Hotel“, erklärt Limpel von Tui. So fühle sich der Gast sicher. Das Sicherheit­sbedürfnis hat Gründe: 2015 schoss ein ISAbleger eine russische Urlauberma­schine über dem Sinai ab. Russland kappte alle Flugverbin­dungen. Viele europäisch­e Länder strichen ebenfalls ihre Kontingent­e.

Abdel Gabbar will die Touristen jetzt von den Vorzügen Luxors und Kairos überzeugen. Laut Experten wird das schwierig. „In Kairo kann die Sicherheit nicht im gleichen Maß gewährleis­tet werden“, sagt Kester. Gleiches gelte für die Ausgrabung­sstätten. Kommende Woche soll Russlands Präsident Putin erste Flüge nach Kairo erlauben. Das wird die Erholung beschleuni­gen. Ob die Russen in Kairo in einen Flieger nach Hurghada umsteigen, ist die andere Frage.

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