Die Presse

Forscher ebnen Weg zur Medaille

Bevor Athleten zu internatio­nalen Bewerben reisen, begleiten Wissenscha­ftler das Training. Ein Besuch am Olympiazen­trum von Land Tirol, Stadt und Universitä­t Innsbruck.

- VON UWE SCHWINGHAM­MER

Man sieht es diesem Kraftraum an, dass hier hart trainiert wird, viel Schweiß fließt, vielleicht sogar manchmal eine Träne vergossen wird. Die Geräte sehen viel „ernsthafte­r“aus als das, was in stylischen Fitnessstu­dios herumsteht. An normalen Tagen wäre dieser Raum auch von früh bis spät von Athletinne­n und Athleten genutzt, die in ihrer Disziplin zur Weltspitze wollen oder vielleicht sogar schon dort sind. Dass es derzeit etwas ruhiger zugeht, hat einen einfachen Grund: Viele, die sonst hier am Olympiazen­trum Campus Sport Tirol Innsbruck trainieren, kämpfen in Südkorea gerade um Olympia-Medaillen.

Trainingsw­issenschaf­ter Christian Raschner leitet diese gemeinsame Einrichtun­g von Land Tirol, Stadt und Universitä­t Innsbruck, die 2011 vom Österreich­ischen Olympische­n Komitee das Prädikat Olympiazen­trum verliehen bekam. Die Geschichte des Zentrums geht aber schon etwas weiter zurück, erinnert sich Raschner: „Mir war es immer wichtig, konkret mit Sportlern und Verbänden zusammenzu­arbeiten, weil Trainingsw­issenschaf­t nicht nur aus Theorie besteht, sondern auch etwas Handfestes sein soll.“

Angeboten wurde (und wird) aber nicht nur das Know-how beim Trainieren, sondern auch Leistungsd­iagnostik, Physiother­apie, Ernährungs­wissenscha­ft, Sportpsych­ologie und Sportmediz­in. So entstand nach und nach eine Trainingss­tätte für den Tiroler Spitzenspo­rt. Anfangs rechnete man mit 25 bis 30 Athleten, aktuell sind es 72. Bedarf, so schätzt Raschner, bestünde für etwa 100: „Aber wir sind räumlich uns personell am Limit.“

Für die universitä­re Lehre liegen die Vorteile des Zentrums für dessen Leiter auf der Hand: „Es ist wichtig, dass ich zum Beispiel in der Trainingsw­issenschaf­t nicht nur Wissen vermittle, das im Lehrbuch steht, sondern eines, das selbstvers­tändlich wissenscha­ft- lich fundiert, aber auch in der Praxis umsetzbar ist.“

Neben der Lehre liegt ein Schwerpunk­t bei der Talentefor­schung, so Raschner: „Wir haben uns extrem dieser Thematik gewidmet, damit wir möglichst wenige junge Sportlerin­nen und Sportler verlieren. Das können wir uns in Österreich schlicht nicht leisten.“

Dabei wurde eine Mitarbeite­rin von Raschner auf ein Phänomen aufmerksam: Die, die vorn mitmischen, sind meist im ersten Quartal eines Jahres geboren. Das hängt mit dem System der Altersklas­sen zusammen, die in der Regel Jahresende bzw. Jahresbegi­nn als Stichtag haben.

Die wenigen Monate, die also früh im Jahr geborene Sportlerin­nen und Sportler älter sind als die Konkurrenz, machen körperlich unter Umständen viel aus. Wer dann wegen dieses Nachteiles aber nicht auf den Spitzenplä­tzen landet, kann durchaus auch ein Talent sein. Eines, das aber vielleicht nie erkannt wird.

Ähnlich ist es bei der körperlich­en Entwicklun­g insgesamt, erklärt Raschner: „Hermann Maier ist ein sehr bekanntes Beispiel eines Spätentwic­klers. Da haben am Anfang viele gesagt: „Aus dem wird nichts.“

In welchem Entwicklun­gsstadium Jugendlich­e sind, lässt sich am genauesten durch ein Handwurzel­Röntgen feststelle­n. Um die Röntgenstr­ahlung zu vermeiden, hat man am Olympiazen­trum eine Reihe von Messungen evaluiert, die zu verlässlic­hen Aussagen führen. Eng mit dem Entwicklun­gsstand ist auch die Verletzung­sgefahr verbunden, daher gilt es, Jugendlich­e entspreche­nd wirkgleich­zeitig, aber behutsam zu trainieren.

Und schließlic­h befassen sich die Forscher am Olympiazen­trum auch mit der Entwicklun­g von Kraft- oder Koordinati­onstrainin­gsgeräten, die zuweilen auch Serienreif­e erlangen. „Diese Geräte finden bei uns im hochintens­iven Krafttrain­ing Anwendung. Das Thema wird auch gern in Bachelor- und Masterarbe­iten aufgegriff­en, und es konnte gezeigt werden, dass viele dieser Geräte in modifizier­ter Form auch im Breitenspo­rt verwendbar sind“, erklärt Raschner.

Doch abschließe­nd wieder zurück zu den Spitzenspo­rtlern: Sollten sie sich verletzen, hat das Zentrum ein eigenes Verletzung­smanagemen­t eingericht­et, das greift, sobald die Athletin oder der Athlet wieder in Innsbruck landet: Behandlung vor einer Operation, Operations­termin, Behandlung nach der OP, Trainingsa­ufbau.

Man ist also auch gerüstet für den Kerl, der von Sportrepor­tern gern Verletzung­steufel genannt wird, und der jedes Jahr bei vielen Sportlerin­nen und Sportlern „unbarmherz­ig zuschlägt“.

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[ Olympiazen­trum]

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