Keiner ist davor gefeit, in eine Bullenfalle zu tappen
Den richtigen Zeitpunkt an den Börsen zu finden ist schwierig. In turbulenten Zeiten versuchen es dennoch viele. Mit mäßigem Erfolg. Ende 2008 dachten viele, der Crash sei nun vorbei. Dann kam es noch schlimmer.
Überraschend kamen die Börsenturbulenzen vergangene Woche kaum. Die Bewertungen sind hoch, viel zu lang ist es stetig bergauf gegangen. Da genügen schon kleine Warnzeichen, um eine Lawine ins Rollen zu bringen. In der Vorwoche waren das eben der gute US-Arbeitsmarktbericht und die damit einhergehende Angst vor steigender Inflation und anziehenden Zinsen.
Wie sich zeigte, wurden viele Anleger dennoch überrascht: Obwohl die Volatilität an den Börsen rekordverdächtig niedrig war, hatten sie auf weiter rückläufige Schwankungsintensität gesetzt und mit einem Schlag viel Geld verloren (mehr dazu: Seite 9). Was nämlich durchaus überraschend war, war der Zeitpunkt der Korrektur. Der war schlicht nicht vorhersehbar. Was in den vergangenen Tagen passiert ist, hätte auch irgendwann im Vorjahr stattfinden können. Die möglichen Auslöser waren vorhanden: Experten warnten schon damals vor den hohen Aktienbewertungen, die Konjunktur lief auf Hochtouren, die Zinswende schwebte als Damoklesschwert über den Märkten. Der richtige Ausstiegszeitpunkt schien da zu sein, tatsächlich war er das erst heuer.
Wer ihn dennoch erwischt hat, steht nun vor der nächsten Herausforderung: Wann ist die Korrektur vorbei? Im Dow Jones hat sie zwischenzeitlich bereits zehn Prozent betragen, liegt also in jenem Bereich, den Experten vorhergesagt haben: RaiffeisenAnalyst Peter Brezinschek hielt in der Woche vor den Turbulenzen eine Korrektur im Bereich von zehn bis 15 Prozent heuer für wahrscheinlich. Doch ist nicht gesagt, dass es jetzt, da die Nervosität an die Märkte zurückgekehrt ist, nicht noch einmal tiefer geht. Wer Wellen ausreiten will, sollte sich vor Bullenfallen in Acht nehmen.
Eine solche tritt auf, wenn die Märkte in einem Abwärtstrend plötzlich wieder zu steigen beginnen. Anle- ger denken, die Korrektur sei vorbei, kaufen und werden erst recht vom Abwärtssog erfasst. So war es 2008, als sich die Aktienkurse nach dem schweren Absturz infolge der Lehman-Pleite gegen Jahresende hin kräftig erholten.
Viele kauften. Dafür gab es auch Gründe: Die Aktien guter Unternehmen außerhalb des Finanzsektors waren wirklich billig geworden. Doch die Erholung erwies sich als trügerisch. Die Kurse sanken wieder und fielen bis März 2009 auf ein noch tieferes Niveau als unmittelbar nach der Lehman-Pleite. Dann wäre der beste Zeitpunkt zum Einstieg gewesen. Nur wusste das keiner, und den Bullen war die Lust vergangen.
Eine ähnliche Erfahrung mussten auch Bitcoin-Inhaber machen. Die Kryptowährung hatte Mitte Dezember fast 20.000 Dollar erreicht, um in der ersten Jännerwoche auf 13.000 Dollar abzustürzen. Kurz darauf erfolgte eine Scheinerholung, als der Bitcoin-Kurs binnen weniger Tage wieder auf 17.000 Dollar stieg. Dann schnappte die Bullenfalle zu. Am vergangenen Freitag wurde ein Bitcoin um knapp über 8000 Dollar gehandelt.
Wer glaubt, dass Bitcoin eine große Zukunft hat, kann das aussitzen. Und wenn er recht hat, kann er gewinnen – ob er nun bei 1000, 8000 oder 20.000 Dollar gekauft hat. Wer allerdings Wellen ausreiten wollte, hat sich vorerst verspekuliert.
Ähnliches gilt für Aktien: Wer fürs Alter vorsorgen will, für den macht es keinen großen Unterschied, ob er erstmalig bei einem Dow-Jones-Stand von 23.000, 26.000 oder 18.000 kauft. Wer aber Wellen ausreiten will, muss nicht nur immer den richtigen Zeitpunkt finden, er muss auch die Transaktionskosten hereinspielen. Das gelingt selten. US-Studien haben gezeigt, dass Kleinanleger oft genau zum falschen Zeitpunkt handeln. Die besten Renditen fahren jene ein, die am wenigsten handeln. Sie sparen nicht nur Kosten, sie können auch in keine Bullen- und Bärenfallen tappen.