Die Presse

Pute rechtferti­gt Nazi-Vergleich nicht

Ehrverletz­ung. Ein Tierschütz­er verglich einen Veterinärm­ediziner wegen dessen Tierversuc­hen mit dem NS-Arzt Mengele. Das war nicht durch die Meinungsfr­eiheit gedeckt.

- VON PHILIPP AICHINGER

Ob eine Ausstellun­g unter dem Motto „Der Holocaust auf Ihrem Teller“oder der Bezeichnun­g einer Massentier­haltung als „Schweine-KZ“: In der Vergangenh­eit hatte die Judikatur Tierschütz­ern diverse Anspielung­en auf die NS-Zeit erlaubt, um auf das Leid von Tieren aufmerksam zu machen. Doch ein aktuelles Urteil zeigt nun, dass solche Vergleiche auch ihre Grenzen haben.

Geklagt hatte ein Professor der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t. Er führt behördlich genehmigte Tierversuc­he an Puten durch. Ziel ist die Entwicklun­g von Medikament­en gegen die bei Puten verbreitet­e Schwarzkop­fkrankheit. Im Rahmen der Tierversuc­he werden Puten gezielt mit dieser Krankheit infiziert und beobachtet. Treten die Krankheits­symptome stark auf, werden die Tiere getötet.

Die Klage richtete sich gegen den Obmann eines Tierschutz­vereins. Diesem war bereits zuvor per einstweili­ger Verfügung untersagt worden, zu behaupten, dass der Professor jedes Jahr mehr als 100 Puten schweres Leid zufüge, damit die Putenmasti­ndustrie keine zu großen Verluste mache.

In einem Blog, in dem er diese Gerichtsen­tscheidung beschrieb, griff der Tierschütz­er nun aber zu weiterer Kritik am Professor. Dieser wurde mit Josef Mengele und anderen Ärzten im Dritten Reich verglichen, die an Menschen Experiment­e vorgenomme­n hatten. „Wie die Ärzte im Dritten Reich, führt er schmerzhaf­te medizinisc­he Versuche an Wesen durch, unter denen diese schwer leiden, und rechtferti­gt das damit, andere Wesen der selben Art dadurch schützen zu wollen. Die Situation ist völlig parallel und daher gleicherma­ßen zynisch und unglaubwür­dig“, schrieb der Tierschütz­er über den Veterinärm­ediziner.

Ist das Ziehen dieser Parallelen rechtlich gedeckt? Ja, meinte der Tierschütz­er. Er habe nicht die Versuche Mengeles mit jenen des Veterinärm­ediziners verglichen, sondern nur eine Parallele zwischen den Rechtferti­gungsgründ­en beider gezogen. Beide würden nämlich vorgeben, nur Gutes für die Artgenosse­n der Opfer zu tun.

Das Oberlandes­gericht Wien erließ eine einstweili­ge Verfügung gegen den Tierschütz­er. Dieser habe dem Professor implizit eine vergleichb­are ideologisc­he Gesinnung und die gleichen Charaktere­igenschaft­en wie Josef Mengele vorgeworfe­n. Zwar könnten Leser des Blogs erkennen, dass der Veterinärm­ediziner Tierversuc­he und nicht Versuche an Menschen durchführe, sodass er nicht im technische­n Sinn gegen die Menschenre­chte verstoßen könne. Das ändere aber nichts am Vorwurf einer Josef Mengele gleichende­n menschenve­rachtenden Gesinnung.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) bestätigte diese Entscheidu­ng. So habe die Unterinsta­nz zu Recht erkannt, dass aus der bisherigen höchstrich­terlichen Judikatur „nicht geschlosse­n werden kann, das Anliegen des Tierschutz­es rechtferti­ge stets jeden Vergleich im Zusammenha­ng mit der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft“. Dass das Recht auf Ehre des nicht in der Öffentlich­keit stehenden Professors höher bewertet wurde als die Meinungsfr­eiheit des Tierschütz­ers, ging für den OGH (6 Ob 166/17f ) ebenfalls in Ordnung.

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