„Fern von Hektik und Lärm“? Das war vielleicht einmal. . .
Hinter den Kreuzen Baustoffsilos, hinter der Mauer Schwerverkehr: im Friedhof der Namenlosen.
G ar nicht so lang ist’s her, dass Peter Handke auf die Frage nach einem künftig möglichen Rückzugsort in Österreich gemeint haben soll: „Irgendwo an der Peripherie, wo die Donau so breit fließt wie fast schon in Serbien.“Und zwar: „Beim Friedhof der Namenlosen.“Und noch vor zwei Jahren schwärmte eine Presseaussendung der Wien Holding, dieser geheimste aller Geheimtipps aller Wien-Reiseführer liege dort, „wo Simmering so wirkt, als wäre die Zivilisation spurlos vorübergegangen“. Nämlich „fern von Hektik, Lärm und dem Trubel des täglichen Hafenbetriebs“.
Da allerdings hatte die Zivilisation die vormals tatsächlich entrückt gewesene letzte Ruhestatt Donauertrunkener längst eingeholt, und die Poesie der Hinfälligkeit, die dem Ort jahrzehntelang ihr eigentümliches Gepräge gegeben hatte, war hinweggefegt genau von jenem „Trubel des täglichen Hafenbetriebs“, den der Presseaussender so anschaulich in Abrede stellte.
Ja, der Alberner Hafen ist wieder ein Hafen, die mächtigen Speicher, von Zwangsarbeitern zu Zeiten der Nazi-Herrschaft errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg zu pittoresken Kulissen beschaulichen Ruins zerfallen, stehen wiederhergestellt am Hafenbeckenrand, als wär nie etwas anderes gewesen. Und hinter den schmiedeeisernen Grabkreuzen des Friedhofs leuchtet das Gelb benachbarter Baustoffsilos, hinter der Friedhofsmauer brummt Schwertransporterverkehr.
Still ist es nur ein paar Meter weiter stromabwärts geworden: Dort, wo bis vor zwei Jahren noch das Wirtshaus Zum Friedhof der Namenlosen stand, zeugen nur mehr ein paar Erdhügel davon, dass hier einmal etwas anderes als Brache war. Was kommt, vergeht, was vergangen scheint, kommt manchmal wieder. Zu unserem Besten oder zu unserem Schlechtesten? Das liegt letzthin immer nur an uns.