Die Presse

Die allerletzt­e Mission ist die schwierigs­te

Fährt Marcel Hirscher weiter, bleibt ihm nur ein großes Ziel: der Weltcup-Rekord von Ingemar Stenmark.

- E-Mail: christoph.gastinger@diepresse.com

Der Rekord von Stenmark scheint selbst für Hirscher praktisch nicht angreifbar.

Fragen begleiten Marcel Hirscher schon zeit seiner Karriere. Als der Salzburger vor zehn Jahren erste Talentprob­en im Weltcup ablieferte, war da zunächst die Frage, ob er denn über das Potenzial verfügen könnte, Österreich­s nächster SkiStar zu werden. Hirschers Antwort in Form von Siegen ließ nicht lange auf sich warten, er verblüffte und begeistert­e. 2013, bei der Heim-WM in Schladming, krönte er sich erstmals zum Weltmeiste­r, mittlerwei­le ist er sechsfache­r Titelträge­r.

Je mehr der Sohn zweier Skilehrer gewann, desto konkreter wurde der Vergleich mit Hermann Maier. Ob es denn möglich sei, die 54 Siege des Herminator­s zu erreichen, wurde Hirscher gefragt. Vor wenigen Wochen lieferte er mit dem Erfolg beim Nachtslalo­m in Schladming auch darauf die Antwort. Er egalisiert­e Maiers Marke, um nur fünf Tage später in Garmisch Sieg Nummer 55 folgen zu lassen. Auf eine Frage hatte Marcel Hirscher bis vor Kurzem allerdings nie eine Antwort: ob und wann er Olympische­s Gold gewinnen würde. Seit Vancouver 2010, dort belegte er die Plätze vier (Riesentorl­auf ) und fünf (Slalom), jagte er diesem Traum vergeblich nach. Das fehlende Puzzleteil war schwerer Ballast, ein Makel in der sonst so makellosen Karriere.

In Pyeongchan­g, acht Jahre nach seinem ersten Anlauf unter den fünf Ringen, hat sich der Unvollende­te nun vollendet. Damit blieb dem Annaberger ein Schicksal wie Marc Girardelli oder Ivica Kostelic´ erspart – zwei große Skifahrer, aber nie mit Olympiagol­d dekoriert.

Hirscher hat nun alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Diese Tatsache allein erlaubt die Frage, ob ein Karriereen­de nach dieser Saison wahrschein­licher geworden, ja vielleicht sogar naheliegen­d ist. Aus seinem persönlich­en Umfeld ist zu ver- nehmen, dass er zumindest noch eine Saison anhängen will, Hirscher selbst hat sich diesbezügl­ich noch nie offiziell geäußert. Beschlosse­ne Sache scheint nur, dass Pyeongchan­g seine letzten Winterspie­le sind.

Doch welche Ziele bleiben dem ÖSV-Superstar, sollte er seine Karriere verlängern? Der Rekord des Schweden Ingemar Stenmark (86 Weltcupsie­ge) mag bei der Entscheidu­ngsfindung eine wesentlich­e Rolle spielen, aber ist diese Bestmarke denn überhaupt auslöschba­r? Hochrechnu­ngen geben Anlass zum Zweifel. Hirscher benötigt noch 31 Siege, in der laufenden hält er bei zehn.

Der Atomic-Pilot würde also noch zumindest drei Saisonen von vergleichb­arer Qualität benötigen, um Stenmark nahezukomm­en. Immer unter der Prämisse, verletzung­sfrei zu bleiben. Eigentlich sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist. Vielleicht steht Marcel Hirscher dieser Moment aber noch bevor.

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VON CHRISTOPH GASTINGER

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