Die allerletzte Mission ist die schwierigste
Fährt Marcel Hirscher weiter, bleibt ihm nur ein großes Ziel: der Weltcup-Rekord von Ingemar Stenmark.
Der Rekord von Stenmark scheint selbst für Hirscher praktisch nicht angreifbar.
Fragen begleiten Marcel Hirscher schon zeit seiner Karriere. Als der Salzburger vor zehn Jahren erste Talentproben im Weltcup ablieferte, war da zunächst die Frage, ob er denn über das Potenzial verfügen könnte, Österreichs nächster SkiStar zu werden. Hirschers Antwort in Form von Siegen ließ nicht lange auf sich warten, er verblüffte und begeisterte. 2013, bei der Heim-WM in Schladming, krönte er sich erstmals zum Weltmeister, mittlerweile ist er sechsfacher Titelträger.
Je mehr der Sohn zweier Skilehrer gewann, desto konkreter wurde der Vergleich mit Hermann Maier. Ob es denn möglich sei, die 54 Siege des Herminators zu erreichen, wurde Hirscher gefragt. Vor wenigen Wochen lieferte er mit dem Erfolg beim Nachtslalom in Schladming auch darauf die Antwort. Er egalisierte Maiers Marke, um nur fünf Tage später in Garmisch Sieg Nummer 55 folgen zu lassen. Auf eine Frage hatte Marcel Hirscher bis vor Kurzem allerdings nie eine Antwort: ob und wann er Olympisches Gold gewinnen würde. Seit Vancouver 2010, dort belegte er die Plätze vier (Riesentorlauf ) und fünf (Slalom), jagte er diesem Traum vergeblich nach. Das fehlende Puzzleteil war schwerer Ballast, ein Makel in der sonst so makellosen Karriere.
In Pyeongchang, acht Jahre nach seinem ersten Anlauf unter den fünf Ringen, hat sich der Unvollendete nun vollendet. Damit blieb dem Annaberger ein Schicksal wie Marc Girardelli oder Ivica Kostelic´ erspart – zwei große Skifahrer, aber nie mit Olympiagold dekoriert.
Hirscher hat nun alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Diese Tatsache allein erlaubt die Frage, ob ein Karriereende nach dieser Saison wahrscheinlicher geworden, ja vielleicht sogar naheliegend ist. Aus seinem persönlichen Umfeld ist zu ver- nehmen, dass er zumindest noch eine Saison anhängen will, Hirscher selbst hat sich diesbezüglich noch nie offiziell geäußert. Beschlossene Sache scheint nur, dass Pyeongchang seine letzten Winterspiele sind.
Doch welche Ziele bleiben dem ÖSV-Superstar, sollte er seine Karriere verlängern? Der Rekord des Schweden Ingemar Stenmark (86 Weltcupsiege) mag bei der Entscheidungsfindung eine wesentliche Rolle spielen, aber ist diese Bestmarke denn überhaupt auslöschbar? Hochrechnungen geben Anlass zum Zweifel. Hirscher benötigt noch 31 Siege, in der laufenden hält er bei zehn.
Der Atomic-Pilot würde also noch zumindest drei Saisonen von vergleichbarer Qualität benötigen, um Stenmark nahezukommen. Immer unter der Prämisse, verletzungsfrei zu bleiben. Eigentlich sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist. Vielleicht steht Marcel Hirscher dieser Moment aber noch bevor.