Wenn bei Olympischen Spielen doch nicht nur Medaillen zählen
Eisschnelllauf. Vanessa Herzog verpasste über 500 Meter als Vierte knapp Edelmetall, Selbstvorwürfe waren aber nicht angebracht. „Irgendeine muss doch Vierte werden.“
Als der Hallensprecher Vanessa Herzogs Namen aufrief, wurde es still im Gangneung Oval. Das hatte aber nichts mit der gebotenen Disziplin zu tun, die von den Fans unmittelbar vor dem Start eines Eisschnelllaufbewerbs gefordert wird. Die großen Emotionen des zahlreich erschienenen Publikums riefen einzig die Lokalmatadorinnen hervor, allen voran Lee Sang-hwa. Die 28-Jährige genießt in ihrer Heimat Heldenstatus, verdient mit lukrativen Werbeverträgen Millionen.
Für ihr großes Ziel, nach Vancouver 2010 und Sotschi 2014 zum dritten Mal in Folge Olympisches Gold über 500 Meter zu gewinnen, hatte Lee sogar auf ihre Medaillenchance über 1000 Meter wenige Tage zuvor verzichtet, alles auf ihre Paradestrecke ausgerichtet. Dass Lee am Ende als Silbermedaillengewinnerin mit der südkoreanischen Fahne in ihren Hände noch ein paar Runden über das Eis drehte, hatten die Fans ihr umgehend verziehen.
Sie applaudierten der zierlichen Dame aus Seoul, in dem Wissen, dass Gold an diesem Abend außer Reichweite war. 0,39 Sekunden fehlten Lee auf die Siegerin des Tages, die Japanerin Nao Kodaira. Die 31-Jährige markierte in 36,94 Sekunden einen neuen Olympischen Rekord, zumindest der Weltrekord Lees (36,36) blieb unangetastet.
Schnell – und doch zu langsam
Österreichs Beitrag zu diesem Rennen, Vannesa Herzog, hatte einen Zweikampf um Gold zwischen Lee und Kodaira prophezeit. Sie sollte damit genauso Recht behalten wie mit ihrer Annahme, dass eine Handvoll Frauen für Bronze infrage kommen. Auch Herzog hatte sich berechtigte Hoffnungen auf Edelmetall gemacht, die Hochform der vergangenen Wochen hatte Anlass dazu gegeben. Bei der EM im russischen Kolomna war sie über 500 Meter zu Gold gesprintet, kurz da- rauf folgten die Weltcupsiege Nummer eins und zwei. Die beiden Asiatinnen Lee und Kodaira hatten logischerweise bei der EM gefehlt, auch um Erfurt machten sie einen weiten Bogen, richteten ihren Fokus auf Olympia.
Auch in Pyeongchang wich die Zuversicht auf dem Eis keinen Zentimeter. Im letzten Testrennen lief Herzog in 37,48 Sekunden ihre schnellste jemals gelaufene Zeit und die drittschnellste im Feld hinter Kodaira und Lee. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die 22-jährige Tirolerin Sonntagabend nicht einmal ansatzweise über Platz vier klagte, obwohl das doch bei Olympischen Spiele so üblich ist. „Irgendeine muss Vierte werden“, meinte Herzog, die in 37,51 Sekunden ihre starke Form aus dem Training mit ins Rennen nahm.
Selbstvorwürfe wären unangebracht gewesen. „Ich bin in 10,4 Sekunden und damit so schnell wie noch nie gestartet. Das war ein wirklich gutes Rennen.“Als Medaillenverderberin entpuppte sich die Tschechin Karolina Erbanova, die im 14. Paar im Sog von Olympiasiegerin Kodaira das Rennen ihres Lebens und persönliche Bestzeit lief. Platz vier war für Herzog wohl auch deswegen erträglicher, weil der Rückstand auf Bronze mit 0,17 Sekunden keine Marginalie war. Mit den Plätzen vier und fünf (1000 Meter) zeigte sie sich zufrieden, bei Olympia zählen offensichtlich doch nicht nur Medaillen. „Wenn mir vor den Spielen jemand gesagt hätte, das ich Vierte und Fünfte werde, ich hätte unter
schrieben.“
Alter als Trumpf
Zur Klasse einer Kodaira oder Lee mögen Herzog noch ein paar schnelle Schritte fehlen, Pyeongchang aber hat die Zuversicht auf eine erfolgreiche Zukunft weiter genährt. Mit 22 Jahren ist Herzog die mit Abstand jüngste Athletin an der Weltspitze, das beste Eisschnelllaufalter (Ende 20) steht der in Kärnten lebenden Sprintspezialistin noch bevor. „Ich werde jetzt vier Jahre hart weiterarbeiten, vielleicht geht es sich in Peking mit einer Medaille aus.
Eine letzte Chance hat Herzog in Pyeongchang noch: Am Samstag (Finale 13.30 Uhr MEZ) läuft sie im Massenstart.