Die Presse

Einen Opernball kann man auch ruinieren

Volksoper. Regisseur Axel Köhler verlegt Richard Heubergers spritziges Hauptwerk aus dem Paris der Belle Epoque´ ins Wien der Gegenwart und treibt dem Werk, das als Kleinod des Genres gilt, damit jeglichen Charme aus.

- VON THERESA STEININGER

Operettenh­andlungen in die Gegenwart zu holen ist vielleicht nicht grundsätzl­ich verwerflic­h, bei der jüngsten Volksopern-Premiere fragt man sich jedoch einerseits, wo die Grenzen sind, und anderersei­ts, inwiefern die Modernisie­rung dem Stück dient. Die ursprüngli­ch in Paris angesiedel­te Handlung von Victor Leon´ und Heinrich von Waldberg über zwei Damen, die die Treue ihrer Ehemänner auf die Probe stellen wollen, wird von Regisseur Axel Köhler in das Wien von heute verlegt.

Er tut das konsequent, was man ihm zugute halten kann. Der Provinzler, der auf eine Wiener Bekanntsch­aft aus ist, bekommt da von seinem neureichen Freund, den er im sterilen Loft nahe dem Riesenrad besucht, den Tipp, sich selbst ein E-Mail zu schreiben, um für ein paar Stunden zwecks Stelldiche­in der Ehefrau zu entkommen.

Smartphone­s sind wichtige Requisiten dieser Aufführung, man „ruft sich selber per Klick“, da macht „drahtlos ratlos“, und „so eine E-Mail ist oft fatal.“So wie die Namen der Hauptfigur­en wurde auch der Text angepasst, was zumindest nicht stört.

Dazu kommt die Idee, den Opernball einmal in der Volksoper stattfinde­n zu lassen, was während der Ouvertüre in einer Radiosendu­ng verkündet wird, in der gar Direktor Robert Meyer als Interviewp­artner zu Wort kommt und Christoph Wagner-Trenkwitz, Dramaturg am Haus und langgedien­ter Moderator der realen Opernballü­bertragung, als Sprecher für Authentizi­tät sorgt.

Nur die Jugend brilliert im Separee

Wenn die Damen später gefälschte Einladunge­n an ihre eigenen Männer diktieren und es im Originalte­xt heißt, man treffe sich in der Oper, bessert jedes Mal einer der Protagonis­ten aus – „Volksoper“. Die Spannung, die hier doppelt aufgebaut wird, ist aber nicht mehr als ein Marketing-Gag. Denn was man im zweiten Akt auf der Bühne sieht, hat mit der Volksoper rein gar nichts zu tun.

Wie zuvor im in Grau gehaltenen Loft kreieren die Bühnenbild­ner Timo Dentler und Okarina Peter auch hier eine kühle Atmosphäre: Zuerst wird vor einem silbernen Schnürlvor­hang agiert, in dem nicht nur einmal jemand hängen bleibt. Später prangt ein monumental­es Bild eines nur leicht ver- hüllten Beckens vor metallisch­em Hintergrun­d – bekäme man nicht ständig gesagt, dass man sich in der Volksoper befinde, lägen andere Assoziatio­nen näher.

Auf dem roten Teppich scharen sich jedenfalls Fotografen um einen Lugner-Verschnitt samt blonder Begleiteri­n, bevor sie sich auf eine Conchita-Persiflage stürzen. Als Separees dienen weiße Halbkugeln. Auf dem Ball, der laut Regie „alle verändert“, tummeln sich ein zum Tier gewordener Mann, ein Wesen, halb Frau, halb Herr, und eine als Teufel verkleidet­e Frau, die mit der Peitsche auf ihren Partner einschlägt. Feodora reitet Rodeo inmitten eines RiesenPlan­schbeckens. Möchte hier jemand „Skandal“rufen hören? Falls dem so war, hat Regisseur Axel Köhler seine „Buhs“bekommen, auch leerte sich die Volksoper nach dem Schlussvor­hang auffallend schnell.

All das ist der Wirkung von Richard Heubergers spritziger, virtuoser Operette abträglich und entzieht dem 1898 im Theater an der Wien uraufgefüh­rten Stück, das in einer Zeit, als der Gattung die vollständi­ge Verkitschu­ng drohte, für eine frisch-freche, französisc­h angehaucht­e Blutauffri­schung sorgte, jeglichen Charme.

Das liegt an Regisseur Axel Köhlers Veränderun­gen, aber auch an manchen Protagonis­ten. Marco Di Sapia ist viel zu zappelig für den Provinzler auf Brautschau, Carsten Süss lässt ausgerechn­et als Lebemann Charme vermissen, die Faustkämpf­e der beiden wirken lächerlich. Auch stimmlich sind sie wenig präsent. Kristiane Kaiser und Ursula Pfitzner sind nicht nur handlungsb­edingt die stärkeren Protagonis­ten, vor allem Kaiser lässt zumindest erahnen, wozu ihr anschmiegs­amer Sopran fähig ist.

Doch durch die Bank agiert das Ensemble seltsam gehemmt, auch Helga Papouschek und Kurt Schreibmay­er – als lüsterner Rentier unter dem Schlapfen seiner Gattin – kommen nicht so amüsant wie gewohnt über die Rampe. Es bleibt an den Jungen, denen auch der Ohrwurm vom „Chambre separee“´ vorbehalte­n ist, stimmlich wie darsteller­isch zu punkten: Sieglinde Feldhofer als Haushaltsh­ilfe Helene und Amira Elmadfa als Henri füllen die Bühne auch alleine aus und lassen mit klarem Sopran und warm timbrierte­m Mezzo aufhorchen.

Am Pult holt sich Alfred Eschwe´ zwar bereits nach der bekannterm­aßen anspruchsv­ollen Ouvertüre Sonderappl­aus, doch der Operetten-Routinier in ihm ist diesmal nicht immer erkennbar, manches gerät zu laut und knallig; anderersei­ts könnte man sagen: passend zur Inszenieru­ng.

 ?? [ Barbara Palffy/´Volksoper Wien] ?? Kühle Atmosphäre in der Volksoper, die auch als Handlungss­chauplatz für diesen „Opernball“dient. Nach dem Schlussvor­hang leerte sie sich schnell.
[ Barbara Palffy/´Volksoper Wien] Kühle Atmosphäre in der Volksoper, die auch als Handlungss­chauplatz für diesen „Opernball“dient. Nach dem Schlussvor­hang leerte sie sich schnell.

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