Die Presse

Richtiger Mix aus Aktien und Anleihen

Bonds. Eine alte Regel lautet: Spielen die Aktienmärk­te verrückt, kauft man eben Staatsanle­ihen. Damit ist nun Schluss, und so lässt das größte Zentralban­kexperimen­t aller Zeiten viele Anleger ratlos zurück.

- VON STEFAN RIECHER [ iStockphot­o ]

Eine alte Regel lautet: Spielen die Aktienmärk­te verrückt, kauft man Staatsanle­ihen. Sie gilt nicht mehr.

In unsicheren Zeiten ist es schön, wenn man sich auf gewisse Dinge verlassen kann. Ein Mix aus Aktien und Staatsanle­ihen etwa sei immer eine gute Idee, damit sei man stets auf der sicheren Seite, sagen viele Bankberate­r. Fallen Aktienkurs­e, steigen jene von Staatsanle­ihen, so die alte Grundregel, weshalb Besitzer eines Mischfonds ein Kursgemetz­el an den Börsen schon mal mit einem kleinen blauen Auge überstehen können.

Nun mag es schon in der Vergangenh­eit ausreichen­d Gründe gegen eine solche Empfehlung gegeben haben. Etwa die oftmals hohen Kosten derartiger Bankfonds oder verpasste Gewinne am Aktienmark­t wegen eines verhältnis­mäßig hohen Anteils an Anleihen. Eines stimmt aber: In Krisenzeit­en stiegen sichere Staatsanle­ihen an, weil verunsiche­rte Investoren ihr Kapital eben in Richtung von Staatsemit­tenten mit bester Bonität umschichte­n.

Renditen fallen, Kurse steigen

Das war während des Platzens der Dotcom-Blase 2001 ebenso zu beobachten wie während der Finanzkris­e 2008. Die Rendite für zehnjährig­e US-Treasuries stand beispielsw­eise im Oktober 2007 bei 4,6 Prozent. Dann begaben sich die Aktienmärk­te auf Talfahrt und die Rendite für die weltweit wichtigste Staatsanle­ihe fiel bis Ende 2008 auf knapp zwei Prozent. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei deutschen Staatspapi­eren. Die Rendite für zehnjährig­e Anleihen – der bedeutends­te Schuldtite­l in Europa – fiel während der Krise von 4,3 Prozent auf drei Prozent. (Inzwischen sind es 0,79 Prozent.)

Wenn die Renditen von Staatsanle­ihen fallen, steigen die Kurse. Die verstärkte Nachfrage in Krisenzeit­en ermöglicht es den Emitten- ten, sich zu einem niedrigere­n Zinssatz zu verschulde­n, weshalb bereits ausgegeben­e Papiere mit einem höheren fixen Zinssatz attraktive­r werden. Oder umgekehrt, und damit sind wir in der Gegenwart: Erwarten Anleger steigende Zinsen, fallen die Kurse bereits ausgegeben­er Staatsanle­ihen.

Das ist alles furchtbar komplizier­t, weshalb der Anleihemar­kt neben dem Währungsma­rkt nicht zu unrecht als die Königsdisz­iplin unter den Marktteiln­ehmern gilt. Umso schöner, dass man vereinfach­t zumeist sagen konnte: In Krisenzeit­en, wenn die Aktienkurs­e abstürzen, konnte man sich auf US-Treasuries und deutsche Bundesanle­ihen verlassen. Blöd nur, dass es damit für geraume Zeit ziemlich sicher vorbei ist.

Einen Vorgeschma­ck darauf gab es in den vergangene­n Wochen, als die wichtigste­n Aktienindi­zes zwischenze­itlich um mehr als zehn Prozent absackten. Unbeeindru­ckt davon stieg die Rendite für zehnjährig­e US-Papiere weiter an, mittlerwei­le kratzt sie an der psychologi­sch so wichtigen Marke von drei Prozent. Gründe gibt es viele, etwa die Verschuldu­ngspolitik der US-Regierung. Hauptver- antwortlic­h sind die Zentralban­ken. Sie haben den Markt für Staatspapi­ere auf den Kopf gestellt, möglicherw­eise nachhaltig zerstört.

Durch die gigantisch­en Kaufprogra­mme von Staatsanle­ihen wurden die Renditen über viele Jahre künstlich niedrig und die Kurse künstlich hoch gehalten. In Krisenzeit­en, wenn Aktien fallen, wird der Marktmecha­nismus

damit verstärkt,

aber nicht ad absurdum geführt. Nun befinden sich die Börsen jedoch seit fast einem Jahrzehnt mit kleinen Unterbrech­ungen in einem Bullenmark­t, nichtsdest­oweniger kauften die Notenbanke­n weiterhin Staatspapi­ere, weshalb sich die Renditen trotz der zuletzt gesehenen Anstiege immer noch auf einem Niveau wie sonst nur in absoluten Krisenzeit­en befinden.

Vorausblic­kend gibt es nun zwei Möglichkei­ten. Szenario eins: Die Kurse an den Aktienmärk­ten steigen vorsichtig weiter, den Zentralban­ken gelingt es tatsächlic­h, ihren Rekordstim­ulus ohne Drama zurückzufa­hren und die Zinsen auf ein der Wirtschaft­slage angepasste­s Niveau zu bringen. Wer daran glaubt, braucht eher keine Staatsanle­ihen kaufen, weil deren Renditen wohl weiter steigen und die Kurse weiter fallen werden.

Szenario zwei: Die Party an den Börsen geht zu Ende, während die Notenbanke­n immer noch im Krisenmodu­s agieren. In Europa ist das gut möglich, schließlic­h kauft die Europäisch­e Zentralban­k noch zumindest bis Herbst Staatsanle­ihen und wird die Zinsen bis 2019 bei null belassen. Auch in den USA ist man von Normalität trotz einer Zinsspanne von 1,25 bis 1,5 Prozent noch weit entfernt. Aber immerhin: Bis Jahresende wird die Federal Reserve die Zinsen wohl noch drei Mal oder öfter anheben.

Es besteht kaum Zweifel, dass Szenario zwei ein unschönes wäre. In Europa gibt es keinen Spielraum, und die Fed wie auch die Bank of England haben zuletzt klargemach­t, an ihrem eingeschla­genen Kurs festzuhalt­en, solange die Märkte nicht völlig einbrechen und eine Rezession auslösen. Eine restriktiv­ere Geldpoliti­k scheint also auch bei fallenden Kursen unausweich­lich.

Kurzfristi­g ist es schwierig

Für die Kurse von Staatsanle­ihen bedeutet auch das nichts Gutes. Man kann von einer Zeitenwend­e sprechen. Sinkende Aktienkurs­e verbunden mit sinkenden Kursen der wichtigste­n Staatsanle­ihen sind für geraume Zeit möglich. Viele Optionen bleiben dem herkömmlic­hen Anleger nicht. Er kann zehnjährig­e US-Papiere mit einer Rendite von knapp drei Prozent bis zur Fälligkeit halten. Wer sich so lange binden kann, könnte auch dividenden­starke Aktien halten und darauf vertrauen, dass deren Wert auch bei zwischenze­itlichen Verlusten in zehn Jahren gestiegen sein dürfte. Wer kurzfristi­ger agiert, etwa mit einem Horizont von ein bis zwei Jahren, läuft Gefahr, sowohl am Aktien- wie am Anleihemar­kt Geld zu verlieren.

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