Die Presse

China auf Einkaufsto­ur in Europa

Analyse. Während die EU ergebnislo­s über den Schutz europäisch­er Hochtechno­logie diskutiert, gerät nun mit Daimler ein deutsches Hightech-Staruntern­ehmen unter chinesisch­en Einfluss.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an:

Während die EU ergebnislo­s versucht, heimische Hightech zu schützen, steht nun auch Autobauer Daimler unter chinesisch­em Einfluss.

Morgen, Dienstag, macht der chinesisch­e Staruntern­ehmer und Multimilli­ardär Li Shufu seine Aufwartung im Berliner Kanzleramt. Li hat den chinesisch­en Autokonzer­n Geely aufgebaut, ist über Geely unter anderem Eigentümer des Autoherste­llers Volvo – und seit voriger Woche mit einem Anteil von knapp zehn Prozent größter Einzelakti­onär des deutschen Mercedes-Hersteller­s Daimler.

Und Li hat allen Grund dazu, im Vorzimmer von Angela Merkel Stimmung zu machen, noch bevor er seinen großen Auftritt bei Daimler selbst hat: Die Deutschen sind (wie übrigens auch die EU) seit einiger Zeit zu Recht besorgt über die chinesisch­e Shoppingto­ur in Europa. Seit mehr als einem Jahr wird immer wieder – freilich ergebnislo­s – diskutiert, wie man den Ausverkauf europäisch­er Hochtechno­logie einbremsen könnte.

In aller Stille ist da ja schon einiges passiert: Vom deutschen Roboterspe­zialisten bis hin zum österreich­ischen Hightech-Flugzeugzu­lieferer FACC reicht die chinesisch­e Dominanz bereits. Im Vorjahr haben chinesisch­e Investoren allein in Deutschlan­d 54 Unternehme­n im Gesamtwert von fast 14 Mrd. Euro übernommen. Und bei zwei Ikonen des deutschen Wirtschaft­swunders, Deutsche Bank und Daimler, stammt der jeweils größte Einzelakti­onär aus dem Reich der Mitte.

An sich ist das noch nicht problemati­sch. Bisher beispielsw­eise war der größte Anteilseig­ner bei Daimler der kuwaitisch­e Staatsfond­s.

Allerdings: Die Scheichs aus dem Morgenland waren überwiegen­d an schönen Renditen interessie­rt. Den Chinesen unterstell­en die Deutschen andere Motive: Zur geopolitis­chen Strategie Pekings im Rahmen seines langen Marsches zur Weltwirtsc­haftsdomin­anz (Stichwort: Neue Seidenstra­ße) gehört es, den Weg von der verlängert­en Werkbank zum Technologi­eführer durch den forcierten Einkauf von Hochtechno­logie über Firmenüber­nahmen massiv abzu- kürzen. Im Gegensatz zu den von versproche­nen oder bereits fließenden chinesisch­en Investitio­nsmilliard­en ruhiggeste­llten Osteuropäe­rn und den derzeit einer ziemlich naiven Seidenstra­ßenromanti­k anhängende­n Österreich­ern findet man das in Westeuropa (speziell im Hightech-Land Deutschlan­d) nicht mehr lustig.

USA haben dichtgemac­ht

Die Amerikaner haben überhaupt schon dichtgemac­ht: Strategisc­h wichtige Bereiche und Unternehme­n, bei denen „nationales Interesse“vermutet wird, dürfen nicht mehr einfach ans Ausland verkauft werden. Chinesisch­e Übernahmen sind in letzter Zeit auf diese Weise häufig verhindert worden.

In der EU gibt es seit einiger Zeit ähnliche Überlegung­en, die aber bisher von den osteuropäi­schen Mitglieder­n konsequent verhindert wurden. Eines der Probleme ist, dass die Sache derzeit sehr einseitig in Richtung chinesisch­er Interessen läuft: Während chinesisch­e Unternehme­n in Europa ungehinder­t Unternehme­n und da- mit auch Hochtechno­logie zukaufen können, ist der chinesisch­e Unternehme­nsmarkt strikt abgeschott­et. Wer dort produziere­n will, kann das in der Regel nur über die Gründung eines Gemeinscha­ftsunterne­hmens mit einem chinesisch­en Partner tun. Womit den dort tätigen europäisch­en Unternehme­n der Schutz ihrer Technologi­en vor allzu neugierige­n Blicken erschwert bis verunmögli­cht wird.

Die Strategie war bisher aus chinesisch­er Sicht äußerst erfolgreic­h, zumal europäisch­en und amerikanis­chen Konzernen ja keine Wahl bleibt, als zähneknirs­chend mitzumache­n: Absenz vom größten Markt dieses Globus kann sich kein global tätiges Unternehme­n leisten.

Die Strategie ist aus Sicht Pekings sehr geschickt und hat dazu geführt, dass China den Status der verlängert­en Werkbank längst verlassen hat und dabei ist, zum ernsthafte­n Konkurrent­en für westliche Staruntern­ehmen auf dem Weltmarkt zu werden. Zumindest den Europäern ist zum Schutz ihrer Hochtechno­logie bisher noch nicht viel eingefalle­n.

Für die betroffene­n Unternehme­n sind chinesisch­e Miteigentü­mer zumindest vorerst aber nicht unbedingt ein Nachteil: Volvo beispielwe­ise ist vom früheren Eigentümer Ford beinahe an die Wand gefahren worden. Der neue Besitzer, Geely, hat die früher schwedisch­e Marke nun wieder in die erste Automobill­iga geführt. Dass neuerdings nicht mehr Volvos von Schweden nach China geliefert werden, sondern (mit dem Modell S 90) in die umgekehrte Richtung, merkt niemand.

Auch für Daimler kann die Zusammenar­beit Vorteile bringen: Geely gilt als chinesisch­er Pionier in Sachen E-Mobilität und kann dem Stuttgarte­r Autobauer in dieser Sparte auf die Sprünge helfen. Ein kleines Problem müssen die Deutschen aber noch lösen: Sie betreiben in China bereits Gemeinscha­ftsunterne­hmen. Und zwar mit den Geely-Konkurrent­en BAIC und BYD.

 ?? [ Imago/Zuma Press ] ?? Geely-Eigentümer Li Shufu, dem schon Volvo gehört, mischt nun auch beim Mercedes-Hersteller Daimler mit.
[ Imago/Zuma Press ] Geely-Eigentümer Li Shufu, dem schon Volvo gehört, mischt nun auch beim Mercedes-Hersteller Daimler mit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria