Gefahr von China-Flaute ist gesunken
Börsen. Der stark volatile Aktienindex Shanghai Composite wurde von den jüngsten Turbulenzen besonders heftig durchgebeutelt. Doch stehen Wirtschaft und Unternehmen gar nicht schlecht da.
Chinas Aktienmarkt ist für seine ruckartigen Kurseinbrüche bekannt. Als Anfang Februar die Weltbörsen taumelten, erwischte es den Shanghai Composite Index mit einem Minus von zwölf Prozent schlimmer als andere. Noch immer liegt der Index 40 Prozent unter seinem Rekordhoch von 2007 und ein Viertel unter seinem Stand von 2015. Damals fürchteten viele eine harte Landung der Wirtschaft: Nach der Finanzkrise hatte die Regierung auf starke Konjunkturanreize gesetzt, die in einigen Bereichen (etwa bei Immobilien) zu massiven Überkapazitäten geführt hatten.
Droht so etwas noch immer? Die Gefahr sei deutlich zurückgegangen, schreibt Soo Nam NG, der bei Columbia Threadneedle für asiatische Aktien zuständig ist. Die Regierung unter Xi Jinping setze stärker auf qualitatives Wachstum. Man versuche, Korruption zu bekämpfen und die „Corporate Governance“(Wohlverhalten von Unternehmen) zu verbessern.
Das Damoklesschwert der hohen Schulden der Unternehmen ist freilich noch da. Doch auch hier sei die Wahrscheinlichkeit einer systemischen Krise gesunken, da die Regulierung im Finanzsektor verschärft worden sei.
Was aber noch schwerer wiegt: China scheint einen Weg gefunden zu haben, um der „Middle-Income-Trap“zu entkommen, in die viele aufstrebende Schwellenländer geraten, stellt Christian Nemeth von der Zürcher Kantonalbank fest: Niedriglohnländer sind wettbewerbsfähig, weil sie einfache Güter kostengünstig produzieren. Mit steigendem Wohlstand geht zunächst Wettbewerbsfähigkeit verloren, die man durch Innovation wettmachen muss.
China setze massiv auf Digitalisierung und darauf, selbst neue Technologien zu entwickeln. Mit Erfolg: „Es ist kein Zufall, dass sich mit Alibaba und Tencent zwei chi- nesische Vertreter im Ranking der zehn wertvollsten Firmen weltweit befinden“, schreibt Nemeth. Auch verfüge das Land über das weltgrößte Netz bei Hochgeschwindigkeitszügen. Und 40 Prozent der weltweiten Neuzulassungen von Elektroautos entfallen auf China.
Allerdings sind Aktien, die mit Internet, Social Media und Konsum im Zusammenhang stehen, teuer geworden, warnt Matthew Vaight, Fondsmanager des M&G Global Emerging Markets Fund. Dafür hätten die Anleger die Industriefirmen, die mit „Old China“assoziiert werden, vernachlässigt. Inzwischen seien diese aber viel rentabler geworden. Die Regierung habe Produktionskapazitäten bei Zement und Stahl zurückgefahren und umweltbelastende Projekte eingestellt. Das führe zu einer Konsolidierung von weniger und effizienteren Firmen.
Doch finde man auch im Konsumsektor attraktive Aktien, meint Dale Nicholls, Manager des Fidel- ity China Special Solutions, in einem Marktkommentar. Ein Beispiel für ein Unternehmen, das neben erfolgreichen Produkten auch Dienstleistungen verkauft, sei der Autohändler China Meidong Auto. Aktien aus dem Pharma- und Gesundheitssektor könnten von einer Reform profitieren, durch die die Zahl der Zwischenhändler bei Medikamenten gesenkt wurde.
Weniger gut sei die Aussicht für Immobilienentwickler, meint Nicholls: Die Immobilienpreise in einigen Städten haben sich in kurzer Zeit mehr als verdoppelt, weswegen die Regierung die Bedingungen für Hypothekenkredite oder den Erwerb einer Zweitwohnung verschärft hat. Für Immobilienentwickler verheiße das nichts Gutes.
Doch nicht nur die Angst vor einem jähen Ende des starken Wachstums dürfte die jüngsten Kursabstürze ausgelöst haben. Ein Grund ist auch, dass die Börse in Shanghai stark kleinanlegerdominiert und daher schwankungsanfälliger ist. Das sei aber, so betonen Fondsmanager, kein Nachteil, denn so kommt man leichter an günstige Aktien.
Bei der Deutschen Asset Management wittert man bereits wieder Kaufchancen. In den nächsten Wochen müsse man sich aber noch auf erhöhte Volatilität einstellen, warnt Sean Taylor, CIO für den asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum bei der Deutschen Asset Management. Im März tagt der Nationale Volkskongress, dessen Entscheidungen viele noch abwarten.