„Da schmerzen höhere Zinsen umso mehr“
Interview. Investments in ganze Aktienindizes dürften sich künftig weniger rechnen, mahnt Friedrich Strasser, Vorstandsmitglied der Bank Gutmann. Er erklärt im Gespräch mit der „Presse“, warum man künftig die Geschäftsmodelle der Firmen genauer anschauen
Die Presse: Herr Strasser, über den jüngsten Börsenrücksetzer rätseln noch immer viele Anleger, sogar der Vorwurf der Marktmanipulation steht nun im Raum. Was steckt dahinter? Friedrich Strasser: Letztendlich ist es auf ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen. Aus den USA gab es etwa eine Reihe positiver Wirtschaftsdaten, die kurz davor veröffentlicht wurden. Allein die Lohnzuwächse fielen im Jänner mit einem Plus von 2,9 Prozent stärker als erwartet aus. Damit keimten Inflationssorgen wieder auf und lösten eine Verkaufswelle aus. Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Finanzprodukten, die rein auf die Kursentwicklung verschiedener Indizes setzen. Diese Produkte wurden ebenfalls verkauft, was die Kursausschläge verschlimmerte.
Wenn aber die Inflation aufgrund des anziehenden Wirtschaftswachstums steigt, müssten doch Unternehmen, somit auch deren Aktien, von dem Um- feld profitieren? Das lässt sich pauschal so nicht sagen. Denn nicht jedem Unternehmen gelingt es, steigende Preise an Konsumenten erfolgreich weiterzureichen. Diese Firmen würden bei einer anziehenden Inflation dann eher unter Druck geraten. Was auch zeigt, wie wichtig die Preissetzungsmacht in einem derartigen Umfeld dann ist. Investments in ganze Aktienindizes könnten deshalb weniger ertragreich werden, einzelne Aktienanalysen hingegen umso wichtiger.
Könnte das zu einem Paradigmenwechsel an den Börsen führen? In den vergangenen Jahren boomten etwa die Aktienkurse vieler Technologiekonzerne. Tatsächlich profitierten auch viele Branchentitel von dem aktuellen Zinstief, die noch keine Gewinne schreiben. Künftig muss man Geschäftsmodelle genauer durchleuchten. Der US-Chiphersteller Intel zum Beispiel hat die Entwicklungen rund um die mobilen Endgeräte verpasst. Jetzt profitiert der Konzern vom wachsenden Geschäft mit Cloud-Computing, dem virtuellen Speichern von Daten. Das spricht für das Unternehmen.
Welche Bereiche könnten in Zeiten steigender Zinsen noch hervorstechen? Dazu zählen wir weiters Aktien mit ansehnlichen Dividendenrenditen etwa aus der Pharmabranche. Allerdings sollten die Unternehmen das Geld nicht nur für Ausschüttungen an Aktionäre, sondern auch für Wachstum einsetzen. Darauf achten wir genau. Zudem muss man sich bei den Pharmakonzernen die Forschungs- und
ist Partner und Mitglied des Vorstands der Bank Gutmann, wo der studierte Betriebswirt die Bereiche Institutional Banking, Chief Investment Office sowie Portfolio-Management verantwortet. Ausgleich zu den Finanzmärkten findet der langjährige Privatbanker etwa beim Laufen oder auch beim Segeln. Entwicklungsportfolios im Detail ansehen. Die Banken verdienen bei steigenden Zinsen wiederum mehr an dem Geschäft mit den Krediten. Und schon jetzt zieht das Kreditwachstum auch in Europa wieder an.
In Europa haben sich zuletzt immer mehr Anleger auf Immobilieninvestments eingelassen. Wie könnte es für diese Branche weitergehen? Der Bereich wird von steigenden Zinsen durchaus betroffen sein, zumal viele Investoren immer mehr Abstriche bei den Renditeerwartungen machten, um trotzdem bei Immobilieninvestments dabei zu sein. Da schmerzen höhere Zinsen freilich umso mehr. Zudem leiden zahlreiche Einkaufszentren schon jetzt unter der wachsenden Konkurrenz durch den Onlinehandel. Hier gibt es immer mehr Leerstände.
Auch die Rentenmärkte geraten inzwischen zunehmend unter Druck. Gibt es Ihrer Meinung nach dennoch interessante Chancen? Auch wenn in Europa die Inflation noch kein besonders großes Thema ist, könnten Anleger zum Beispiel inflationsgebundene Anleihen allmählich in Betracht ziehen. Deren Wert passt sich dabei an die erwartete Inflationsentwicklung an. Und genau deshalb macht es durchaus Sinn, sie schon im Vorfeld zu kaufen, bevor die Inflationserwartungen zu steigen beginnen. Zu den Emittenten zählen beispielsweise Deutschland, Frankreich und Italien.
Und wie sieht es mit den Entwicklungen in den Schwellenländern aus? Auch deren Börsen gerieten zuletzt in den Abwärtssog. Grundsätzlich gefällt uns weiterhin der Ferne Osten, von China bis hin zu Japan. Die gesamte Region verzeichnet ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Zudem möchte die chinesische Regierung Armut ernsthaft bekämpfen, damit wird es auch mehr Ausgaben für neue Infrastrukturprojekte und den Wohnbau geben. Obendrein etabliert sich die Mittelschicht, die folglich mehr konsumiert und zunehmend verreist.