Autonomie besser heute als morgen
Erwachsenenschutz. Aus finanziellen Gründen scheint das für 1. Juli geplante Inkrafttreten des neuen Gesetzes in Gefahr. Betroffene können sich nur wünschen, dass es nicht aufgeschoben wird.
Was passiert eigentlich, wenn das 2. Erwachsenenschutzgesetz nicht am 1. Juli 2018 in Kraft tritt? Viele Menschen werden sich denken: Keine Ahnung, aber mich betrifft es ohnedies nicht. Das kann sich von heute auf morgen ändern. Etwa, wenn Sie einen Schlaganfall erleiden, einen Autounfall haben oder Demenzsymptome merkbar werden und Sie deshalb nicht mehr voll über Ihr Leben entscheiden können. Deshalb sollte jede und jeder wissen, was eine Verschiebung bedeutet. Ich beschränke mich auf den Bereich der medizinischen Behandlungen, um die Unterschiede zwischen bestehendem Rahmen und neuem Erwachsenenschutzrecht in Grundzügen aufzuzeigen.
Sie werden weiterhin nach dem Sachwalterschaftsrecht behandelt, wenn Sie nicht einsichtsund urteilsfähig sind – außer, Sie haben durch eine Vorsorgevoll- macht eine andere Person für Ihre Vertretung nominiert. Diese Vollmacht ist derzeit noch relativ teuer und kann nur bei Rechtsanwalt, Notar oder Gericht errichtet werden. Das 2. Erwachsenenschutzgesetz würde dieses Instrument günstiger machen und auch gemeinnützige Erwachsenenschutzvereine mit der Beratung und Errichtung beauftragen.
Wenn Sie es verabsäumt haben, eine Vorsorgevollmacht zu errichten, werden Sie weiterhin keine Chance haben, einen Vertreter für medizinisch schwerwiegende Entscheidungen zu nominieren. Die neue Rechtslage würde Ihnen die Möglichkeit bieten, auch bei beginnender Demenz oder anderen leichten Einschränkungen der Entscheidungsfähigkeit jemanden in einer gewählten Erwachsenenvertretung zu nominieren.
Ihre Angehörigen werden weiterhin bei schwerwiegenden medizinischen Behandlungen nicht Ihre Vertreter sein dürfen, bloß weil Sie Angehörige sind. Ein Angehöriger muss weiter in einem Gerichtsverfahren zu Ihrem Sachwalter bestellt werden, bevor er Sie vertreten darf, wenn es zum Beispiel um die Frage geht, ob eine PEG-Ernährungssonde in Ihrem Sinn wäre. Das 2. Erwachsenenschutzgesetz würde es deutlich einfacher machen, von einem Ihrer vertrauten Angehörigen ohne Gerichtsbestellung vertreten zu werden. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung wäre das neue Vertretungsinstrument dazu.
Bis das 2. Erwachsenenschutzgesetz in Kraft tritt, wird es weiterhin vom Wohlwollen Ihrer Umgebung abhängen, inwieweit Sie eine Unterstützung bei Ihrer Entscheidungsfindung zu medizinischen Behandlungen erhalten, wenn Sie sich kognitiv schwertun. Das neue Gesetz verpflichtet die Behandeln- den dazu, Sie bei der Entscheidung zu unterstützen, bevor ein Vertreter an Ihrer Stelle entscheidet.
Insgesamt wird der rechtliche Schutz Ihrer Selbstbestimmung, wenn es um medizinische Behandlungen geht, also weiterhin auf schwächeren Beinen stehen, bis das 2. Erwachsenenschutzgesetz in Kraft tritt. Für den Fall, dass Sie nicht mehr entscheidungsfähig sind, werden Sie weniger Möglichkeiten haben, eine Ihnen vertraute Person als Vertreter zu erhalten. Vielleicht wird Sie das bis zum Inkrafttreten nicht betreffen, vielleicht geht es aber schon morgen um Sie. Dann können zwei Jahre eine lange Zeit sein. Das sollten Sie zumindest wissen, wenn Sie denken: Was passiert schon bei einer Gesetzesaufschiebung?