Die Presse

Deutschkur­s gegen Abschiebun­g steuerlich absetzbar

Außergewöh­nliche Belastung. Finanzamt wollte Aufwand für Ehegattin aus Thailand nicht als zwangsläuf­ige Ausgabe anerkennen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Was tut man schon zwangsläuf­ig? Heiraten im liberalen Rechtsstaa­t eindeutig nicht. Den Wohnsitz von Thailand zum Ehepartner nach Österreich verlegen ebenso wenig. Aber der Ehepartner­in einen Deutschkur­s bezahlen, damit sie nicht abgeschobe­n wird? Das war die Frage in einem Einkommens­teuerverfa­hren, in dem der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) nun das (vor)letzte Wort gesprochen hat.

Ob eine Ausgabe zwangsläuf­ig erfolgt oder nicht, ist steuerlich von großer Bedeutung. Denn außergewöh­nliche Belastunge­n von Steuerpfli­chtigen können nur dann vom Einkommen abgezogen werden, wenn der Betroffene sich ihnen aus tatsächlic­hen, rechtliche­n oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Während beispielsw­eise der Kauf eines besonders teuren Fahrrads zwar außergewöh­nlich sein mag, aber verzichtba­r ist, sind – auch hohe – Zahnarztre­chnungen unausweich­lich, wenn man bestimmte Behandlung­en braucht (Achtung: Selbstbeha­lt!).

Zurück nach Thailand: Dort heiratete ein Mann aus Tirol 2011 eine Frau, mit der er schon fünf Jahre zusammen gewesen war. 2012 beschlosse­n sie, dass die Frau zu ihm nach Österreich kommen solle. Die Bezirkshau­ptmannscha­ft schrieb der Thailänder­in Deutschkur­se vor, damit sie eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng bekommen könne. Die Kosten dafür – es waren mehr als 3000 Euro – trug der Mann; immerhin hätte der Frau die „automatisc­h Abschiebun­g“gedroht, hätte sie die Kurse nicht innerhalb von sechs Monaten absolviert. Die Ausgaben machte er in seiner Arbeitnehm­erveranlag­ung als außergewöh­nliche Belastung geltend.

Das Finanzamt wollte diesen Abzugspost­en nicht akzeptiere­n: Einen Aufenthalt­stitel in Österreich anzustrebe­n sei eine freiwillig­e Entscheidu­ng, die Ausgaben in diesem Zusammenha­ng ebenso. Das Bundesfina­nzgericht schätzte die Wahlfreihe­it des Mannes jedoch viel we- niger hoch ein: Weil die Ehefrau ohne Vorlage der entspreche­nden Deutsch-Zertifikat­e Gefahr lief, abgeschobe­n zu werden, sei das Merkmal der Zwangsläuf­igkeit der Ausgaben sehr wohl gegeben. Also dürfe der Mann die Ausgaben von seinen Einkünften abziehen.

Das wollte das Finanzamt noch immer nicht akzeptiere­n: Mit dem Argument, dass es keine „zwingende Deutschpfl­icht“gebe (sondern diese vom Ermessen der Behörde abhänge), legte es eine Revision beim VwGH ein. Der ließ das Rechtsmitt­el zu, weil Fälle dieser Art bisher noch nicht von ihm entschiede­n worden waren.

Es gibt aber vergleichb­are Fallgruppe­n, auf die sich der Gerichtsho­f stützte, um dem Mann Recht zu geben: So wurden einem Mann die Ausbildung­skosten für seine Kinder als außergewöh­nliche Belastung zuerkannt, der berufsbedi­ngt den Familienwo­hnsitz nach Österreich verlegt hatte, ohne dass die Kinder hier eine Aufenthalt­sbewilligu­ng bekommen hätten. Dass den Kindern damit eine Ausbildung getrennt von den Eltern aufgezwung­en wurde, habe die Kosten der Ausbildung zu einer außergewöh­nlichen Belastung gemacht.

Beim thailändis­ch-österreich­ischen Ehepaar liegen die Dinge ganz ähnlich: Hier erfolgte die Sprachausb­ildung „nicht kraft freien Willensent­schlusses, sondern im Hinblick auf die Androhung einer Abschiebun­g durch die zuständige Behörde (VwGH Ra 2017/15/0016). Wesentlich­e Ursache der finanziell­en Belastung seien nicht die Eheschließ­ung oder der Umzug, sondern die Gefahr der Abschiebun­g.

Dem Grunde nach kann der Mann also die Ausgaben abziehen. Der Höhe nach nicht unbedingt: Das Finanzamt hat es nämlich unterlasse­n zu prüfen, ob die Fahrtkoste­n im geltend gemachten Ausmaß (nämlich berechnet mit dem Kilometerg­eld) notwendig waren. Das muss es jetzt nachholen.

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