Das Raffinement der Moderne schlägt jede Violinromantik
Gastspiel des London Symphony Orchestra mit Alina Ibragimova.
Wie stark Erwartung und Erlebnis bei Konzerten differieren können, zeigte sich beim Auftritt des London Symphony Orchestra im Wiener Konzerthaus: Der Aufführung des Brahms-Violinkonzerts wegen hatten wohl viele Besucher ihre Karten gekauft. Doch spielte die – technisch beeindruckende – Alina Ibragimova derart unkonventionell furios, ja fast verbissen, dass nicht wenige Töne geradezu quietschten. Das Finale nach dem feinen, aber doch recht dünn klingenden Adagio fügte sich mit seinen auf den Widmungsträger, Joseph Joachim, zugeschnittenen magyarischen Tönen besser in Ibragimovas Zugriff, der freilich auch hier manches schrill klingen ließ.
Lionel Bringuier am Pult, der Robin Ticciati aus gesundheitlichen Gründen ersetzte, führte das Orchester mit viel Bedacht für Tempo- und Dynamikunterschiede, niemals die Wirkung des Soloparts gefährdend. Weit mehr schienen den Gästen jedoch Henri Dutilleux’ „Me-´ taboles“zu liegen, in denen sich verschiedene Stile des 20. Jahrhunderts vereinen und differenziertestes Spiel verlangt wird, wenn Instrumentengruppen einzeln hörbar gemacht werden, die sich in den wuchtigen Teilen imposant vereinen. Ein ähnliches Spiel mit Orchesterfarben und Varianten durfte das LSO schließlich mit Maurice Ravels „Daphnis et Chloe“-´Suite treiben: Aus zart flirrenden Streicherklängen entfalteten sich herrliche Bögen. Den heftigen Steigerungen im Finale und der Zugabe aus Bizets „L’Arlesienne“-´Suite zum Trotz: Die Entdeckung des Abends, den viele wohl wegen Brahms’ Violinkonzert besucht hatten, waren schließlich Dutilleux’ vielschichtige „Metaboles“.´ (tst)