Die Presse

Was Frauen wollen sollen und worüber man nicht sprechen darf

Viel war zuletzt in Zusammenha­ng mit sexuellen Übergriffe­n von Frauenrech­ten die Rede. Dabei gab es leider auch viel Verlogenhe­it, Doppelmora­l und Einseitigk­eit.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Die MeToo-Kampagne war ein Prototyp dafür, wie eine an sich gute Sache rasch in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Es war gut und notwendig, sexuelle Übergriffe öffentlich zu thematisie­ren, damit sie nicht mehr als Kavaliersd­elikt gelten. Scharenwei­se traten etwa US-Schauspiel­erinnen in Schwarz auf, um die Missetaten anzuprange­rn, die ihnen und ihren Kolleginne­n angetan wurden. Allerdings waren etliche unter ihnen, die nichts dabei finden, eine fremde Frau, oder besser deren Uterus, zu mieten, um ihr Kind austragen zu lassen. Es selbst zu tun könnte ja der Figur schaden.

Es ist zutiefst verlogen, Frauenrech­te nur dann einzuforde­rn, wenn es um das eigene Heil geht, sie sonst aber, wie im Fall der Leihmutter­schaft, mit Füßen zu treten. Leihmutter­schaft ist eine der schlimmste­n Formen der Ausbeutung von Frauen. In Österreich hat sich kürzlich eine Initiative gegründet, die für ein weltweites Verbot der Leihmutter­schaft eintritt.

Dröhnendes Schweigen herrscht bei vielen Frauenrech­tlerinnen, wenn es um die systematis­che Frauenunte­rdrückung und -entrechtun­g in Afrika und in der islamische­n Welt geht, die sich mittlerwei­le auch in Europa bemerkbar macht. Wo bleibt die Solidaritä­t mit Opfern von Genitalver­stümmelung, Zwangsheir­at, Kinderehe und Zwangsvers­chleierung? Hierzuland­e richtet sich die Empörung etlicher Feministin­nen nicht dagegen, sondern gegen Frauen, die dagegen auftreten. So erntete die neue SP-Parteimana­gerin in Wien von den eigenen Genossinne­n Proteste, weil sie sich gegen die Verschleie­rung von Kindern aussprach.

Ähnlich doppelmora­lisch verläuft die Debatte über die Abtreibung. Da wurden etwa im Frauenvolk­sbegehren das Recht auf Gratisverh­ütungsmitt­el und auf Gratisabtr­eibung in einem Atemzug genannt. Als ob dies dasselbe wäre. Und Abtreibung als „Recht“zu betrachten, zeugt vom Verlust jeglicher Ethik, denn wo bleibt das Lebensrech­t des Kindes?

Wo bleibt die Sensibilit­ät für den seelischen Schaden, den Frauen dabei neh- men? Wo bleibt die Verantwort­ung der Männer und der Gesellscha­ft, damit Abtreibung­en erst gar nicht als Lösung erscheinen? Wo bleibt schließlic­h das Recht der Ärzte, Hebammen und Krankenpfl­eger, die gezwungen wurden, Abtreibung­en durchzufüh­ren? Ach ja, in Österreich darf man über Abtreibung nicht diskutiere­n, das ist „fundamenta­listisch“. Man darf nicht einmal die Zahlen wissen oder die Motive, um helfen zu können. Da lässt man die Frauen mit diesem schwerwieg­enden Konflikt lieber allein.

Und ist es wirklich ein Fortschrit­t und eine Befreiung der Frauen, wenn sie durch ihre Arbeitgebe­r und die Politik dazu gedrängt werden, ihre Kinder möglichst bald nach der Geburt in Fremdbetre­uung zu geben? Bekommen Eltern deshalb Kinder, damit sie diese möglichst selten im Wachzustan­d erleben? Oder müssen sie es nicht vielfach tun, weil sie sonst am Arbeitspla­tz oder finanziell Schwierigk­eiten bekommen?

Wo bleibt das Recht der Kinder? Wieso lässt man Eltern nicht die Zeit, die ersten kostbaren Jahre? Wieso hat die Politik immer mehr Hürden eingebaut, die es Eltern erschweren, ihre Kinder selbst zu betreuen?

Ein gravierend­es Problem ist etwa die Umstellung bei der Berechnung der Pensionsan­sprüche: Waren es früher die 15 „besten“Jahre, wird heute weitgehend durchgerec­hnet. Jeder Monat Familienar­beit oder Teilzeit wirkt sich dauerhaft negativ auf die Pensionshö­he aus. Das ist ein klarer Nachteil für Frauen (und wenige mutige Männer, die das Risiko einer Karenz eingehen).

Es ist Zeit, den Frauen nicht mehr aus ideologisc­her Verblendun­g oder wegen Interessen der Wirtschaft einen Lebensplan aufzuzwing­en, der ihnen (und ihren Kindern) nicht guttut. Es braucht echte Gestaltung­smöglichke­iten bei fairen Bedingunge­n. Es braucht eine Politik, die von den Bedürfniss­en der Frauen, Männer, Eltern und Kinder ausgeht. Sonst werden uns bald die Kinder ausgehen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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