Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak

(Fast) alle Parteien feiern ein Landtagswa­hlergebnis. Aber nicht jedes Plus ist ein echter Erfolg und hat bundespoli­tische Gründe.

- E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

Die wichtigste Jobdeskrip­tion eines Parteisekr­etärs lautet: Am Wahlabend muss sie/er jubeln und schönreden, was das Originalte­xtservice hergibt. An diesem Wahlsonnta­g zeigten die Geschäftsf­ührer aller Parteien, wie das geht. Die Schwarzen, Pardon: Osttürkise­n feierten einen weiteren Sieg und massiven Zugewinn eines Landeshaup­tmanns. Die Roten klatschten über ein Plus und darüber, Platz zwei nicht an die FPÖ verloren zu haben. Die Blauen jubelten über das größte Plus trotz nationaler, Verzeihung: internatio­naler Medienvers­chwörung gegen die neue Regierungs­partei in Wien. Die regional fleißigen Grünen freuen sich, trotz Rauswurfs aus dem Nationalra­t wieder in den Landtag und vielleicht sogar in die Landesregi­erung einziehen zu dürfen. Die Neos sind stolz, ein weiteres Bundesland quasi erobert zu haben und knapp vor der Alleinherr­schaft über das Land zu stehen. Die Liste Dinkhauser durfte auch ins Regionalfe­rnsehen. Den Rest hat Frank Stronach zum Glück vergessen.

Ganz so sonnig wie das Winterwett­er war das Ergebnis aber doch nicht für alle Parteien. Ganz genau genommen sollten in allen Parteien (warnende) Signale des Urnengangs und seines Ergebnisse­s diskutiert werden.

Da wären einmal der strahlende Landeshaup­tmann, Günther Platter, und der ebenso strahlende Bundespart­eichef und Bundeskanz­ler, Sebastian Kurz. Für die ewige Hoffnung an der Spitze der Volksparte­i bedeutet dies den zweiten großen und in der Dimension auch überrasche­nden Sieg bei einer Landtagswa­hl in seiner Obmanns- und Regierungs­zeit. Beide Landeschef­s gewannen freilich nicht nur dank des Rückenwind­s aus dem Bund, sondern vielmehr wegen guter Persönlich­keitswerte, des Schwächeln­s mancher Konkurrent­en und des Verschwind­ens mancher Klein- und Kleinstpar­teien.

Dass die Tiroler Volksparte­i die Farbe Türkis ablehnte und auf Distanz zur KurzBewegu­ng ging, war ein kleines Manöver, um Medien und Öffentlich­keit zu suggeriere­n, die Tiroler ÖVP hätte mit den jungen Politik-Mode-Anhängern in Wien nichts zu tun, und sich als eigenständ­iges gallisches Dorf zu präsentier­en. Mühsamer für Kurz wird Platter wenn, dann ab sofort: Nach einem Wahlsieg sticht der Hafer mitunter. Oder wie das in den Agrargegen­den heißt.

Platter ist überhaupt ein politische­s Phänomen. Ähnlich wie bei Johanna Mikl-Leitner trauten Platter viele Beobachter und nicht wenige Parteifreu­nde kaum zu, in die großen Fußstapfen der alten Landesfürs­ten zu steigen, die Land und Leute mit charmant föderalem Absolutism­us regiert hatten. Beide zeigten den Zweiflern, dass man kein altvateris­ches Benehmen an den Tag legen muss, um eine Mehrheit zu vergrößern.

Die SPÖ hat endlich wieder ein Plus in Tirol und sich von der historisch­en Talsohle entfernt. Christian Kern hat eine Sorge weniger, aber noch genug Sorgen, um sich die Zukunft zwischen Opposition­sbank und Headhunter offenzuhal­ten. Egal, was er sagt.

Die Freiheitli­chen sollten sich angesichts der Pannenseri­e in der ungeliebte­n Rolle eines Juniorpart­ners einmal mehr die Frage stellen: Kann man den neuen Job und die Regierungs­arbeit organisier­ter und profession­eller aufsetzen? Und das so, dass Herbert Kickl weiterhin das arbeitsint­ensive Innenminis­terium leiten darf?

Die Neos haben auf schwierige­m Terrain und trotz einer unschönen Parteispen­denepisode ein gutes Ergebnis erreicht. Es wird leider zur Selbstzufr­iedenheit im aktuellen Opposition­smonopol neben nicht existenten Grünen, PilzEnde und SPÖ-Selbstfind­ung führen: Die Gegnerscha­ft zur türkis-blauen Regierung verdrängt nun unpopuläre­n Wirtschaft­sliberalis­mus zugunsten gesellscha­ftspolitis­cher Positionen links der Mitte. Das ist gefährlich, das Liberale Forum lässt grüßen.

Aber setzen wir wieder kurz die Wintersonn­enbrille der Parteisekr­etäre auf: Die Regierungs­parteien könnten die Verschnauf­pause durch Tirol nutzen, sich neu zu sortieren, durchzuatm­en und Problemlös­ungen (Volksabsti­mmung über das Rauchverbo­t?) zu finden. Die Opposition kann mit der Gewissheit arbeiten, dass man auch gegen erfahrener­e Regierunge­n punkten kann.

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VON RAINER NOWAK

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