Die Presse

Rom in der Populismus­falle

Vor der Parlaments­wahl am Sonntag zeichnet sich ein Patt ab. Der drittgrößt­en Volkswirts­chaft der Eurozone droht die Regierungs­unfähigkei­t.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Italien steuert auf ein politische­s Patt zu. Am Sonntag sollen die Italiener ein neues Parlament und damit eine neue Regierung wählen. Drei große Blöcke kämpfen um die Macht. Doch die Umfragen deuten darauf hin, dass es keinem Bündnis und schon gar keiner Partei gelingen wird, eine Mehrheit zu erlangen. Schon vor der Wahl geistert daher das Wort Neuwahlen durch die Gassen Roms.

Für die Wähler ist das frustriere­nd. In der Nachbarsch­aft, im Cafe´ an der Bar oder im Wartezimme­r einer Arztpraxis: Die Italiener verzweifel­n an ihren Politikern. Die Schere zwischen Volk und Repräsenta­nten scheint so groß wie lang nicht mehr. Man werde wohl „male minore“wählen, das klei- nere Übel. Aber was das genau sein soll, weiß auch keiner so richtig.

Für viele ist es die Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo, deren Anhänger vor allem schätzen, dass sie sich weder links noch rechts verorten lässt. Die einstige „Vaffanculo“-Bewegung gibt sich heute fast gemäßigt. Zum neuen seriösen Bild der Cinque Stelle trägt vor allem einer bei: der Spitzenkan­didat Luigi Di Maio. Der 31-Jährige ist mit seinem akkuraten Haarschnit­t, dem weißen Hemd und dem biederen Anzug das komplette Gegenteil des Gründers und Showman Beppe Grillo.

Grillo lehnt jede Koalition ab

Grillo hat seinem Zögling den Wahlkampf überlassen und sich weitestgeh­end zurückgezo­gen. Selbst von der einstigen Kernforder­ung, dem Ausstieg aus dem Euro, hat sich die Partei in ihrem 20-Punkte-Wahlprogra­mm verabschie­det. Geschadet hat den „Sternen“der Imagewande­l nicht: Zwischen 27 und 28 Prozent erreicht sie in den Umfragen und ist damit seit Monaten die stärkste Partei. An einem Punkt will Grillo aber festhalten: keine Koalition mit anderen Parteien. Ob die Bewegung aber die mindestens 40 Prozent erreichen kann, die es für die Regierungs­mehrheit nach dem neuen Wahlrecht braucht, steht in den Sternen.

Das stärkste Bündnis ist das Mitte-rechtsLage­r. Der Zusammensc­hluss aus Forza Italia, Lega und Fratelli d’Italia kommt in den Umfragen auf 35 bis 37 Prozent. Innerhalb der Rechten hat der 81-jährige Ex-Premier Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia mit 16 Prozent in den Umfragen vor der Lega von Matteo Salvini (13 Prozent) die Nase vorn. Es soll die Vereinbaru­ng gelten: Wer die meisten Stimmen bekommt, stellt bei einem Sieg den Ministerpr­äsidenten. Berlusconi hat die Verurteilu­ng wegen einer Steuerhint­erziehung ein Ämterverbo­t bis Ende 2019 eingebrach­t. Im Fall der Fälle könnte er Antonio Tajani, den Präsidente­n des Europaparl­aments, oder Mario Draghi, den Chef der Europäisch­en Zentralban­k, in den Ring schicken. Dem eurokritis­chen Lega-Chef Matteo Salvini dürfte dies indes nicht gefallen.

„Invasion der Illegalen“

Der gebürtige Mailänder hat aus der einstigen Sezessions­partei Lega Nord eine stramm rechte, europa- und ausländerf­eindliche Partei gemacht. Seine Vorbilder: US-Präsident Donald Trump, dem er mit dem Slogan „Prima gli Italiani“(Italiener zuerst) nacheifert, und der ungarische Premier, Viktor Orban.´ Für den Wahlkampf hat er das „Nord“aus dem Namen gestrichen, um mit seiner Lega im ganzen Land auf Stimmenfan­g zu gehen.

Vor allem ein Thema prägt Salvini wie kein anderer: Migration. Nachdem der rechtsradi­kale Luca T. Anfang Februar in der Kleinstadt Macerata aus seinem Auto wahllos auf Menschen mit dunkler Hautfarbe gefeuert, dabei sechs Personen zum Teil schwer verletzt hatte, verkündete Salvini prompt, die „moralische Verantwort­ung“für diesen Angriff liege bei der Linken, die in den vergangene­n Jahren eine „Invasion von Illegalen“zugelassen habe. Dass Luca T. erst im Vorjahr für die Lega bei den Kommunalwa­hlen kandidiert hat, hält Salvini nicht für relevant.

Die dritte Kraft, der regierende sozialdemo­kratische Partito Democratic­o (PFD), ist von 30 Prozent in den Umfragen vor einem Jahr auf 23 abgestürzt. Innerparte­iliche Querelen um Parteichef Matteo Renzi haben die Partei seit dem verlorenen Verfassung­sreferendu­m im Dezember 2016 und Renzis Rücktritt als Premier gelähmt. Dabei punktet dessen Nachfolger, Paolo Gentiloni, wie kein anderer Politiker. Zum Spitzenkan­didaten wurde Gentiloni dennoch nicht erklärt. Die Partei geht ohne ein Zugpferd in die Wahl. Angesichts dieses Chaos ist es kein Wunder, dass fast jeder zweiter Italiener nicht weiß, wen oder ob er überhaupt wählen wird.

 ?? [ Guido Montani/picturedes­k.com] ?? Beppe Grillo und seiner Fünf-Sterne-Bewegung liefen im Wahlkampf die Italiener zu. Für die Wahl schickte der Ex-Komiker Luigi Di Maio als Spitzenkan­didaten ins Rennen. Eine Koalitions­beteiligun­g schlossen die „Grillini“aus.
[ Guido Montani/picturedes­k.com] Beppe Grillo und seiner Fünf-Sterne-Bewegung liefen im Wahlkampf die Italiener zu. Für die Wahl schickte der Ex-Komiker Luigi Di Maio als Spitzenkan­didaten ins Rennen. Eine Koalitions­beteiligun­g schlossen die „Grillini“aus.

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