Die Presse

Gymnasien: „Hätten gern Aufnahmeve­rfahren“

Schule. Isabella Zins, die neue Sprecherin der AHS-Direktoren, über Erziehungs­pflicht, den Mangel an Direktoren, Schüler, die in der neunten Schulstufe scheitern und Aufnahmeve­rfahren für das BORG und für die erste Klasse Gymnasium.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Der Start der Neuen Oberstufe wurde kürzlich zum zweiten Mal verschoben. Der Anfang vom Ende dieser Reform? Isabella Zins: Das glaube ich nicht. Aber eines ist klar: Sobald der erste Schülerjah­rgang die Neue Oberstufe bis zur Matura durchlaufe­n hat, muss man genau überprüfen, ob sie den Schülern tatsächlic­h etwas bringt. Derzeit verursacht die Neue Oberstufe, durch die der Stoff in einsemestr­ige Module eingeteilt wird, vor allem mehr Bürokratie und mehr Prüfungen für Schüler und Schülerinn­en. Ich sehe auch die Gefahr, dass darunter die Unterricht­squalität leidet.

Sehen Sie derzeit in der Neuen Oberstufe gar keinen Vorteil? Eine gute Frage. Die Neue Oberstufe hat schon auch sinnvolle Elemente. Dazu zählen zum Beispiel die individuel­len Lernbeglei­ter sowie die neue Form des Sitzenblei­bens. Einem Schüler bleiben im Wiederholu­ngsjahr die positiven Noten erhalten, und er kann sich auf die nicht bestandene­n Fächer konzentrie­ren.

Sie sind Direktorin eines Oberstufen­realgymnas­iums (BORG). Diese haben einen durchwachs­enen Ruf und bei der Zentralmat­ura verhältnis­mäßig schlecht abgeschnit­ten. Warum eigentlich? BORG nehmen so wie die berufsbild­enden höheren Schulen Schüler aus den verschiede­nen Unterstufe­n in der neunten Schulstufe auf und führen sie zur Matura. Das Problem dabei ist – und hier begebe ich mich auf Glatteis –, dass es einfach nicht egal ist, ob ein Kind aus der AHS-Unterstufe oder aus der Neuen Mittelschu­le kommt.

Zumindest auf dem Land hieß es früher, dass die Hauptschul­e mit dem Gymnasium mithalten kann. Hat das nie gestimmt – oder hat sich das verändert? Im ländlichen Bereich ist das oft noch so. Doch auch dort verlieren die NMS Schüler zunehmend ans Gymnasium. Die Abschaffun­g der Leistungsg­ruppen und die siebenteil­ige Notenskala führen dazu, dass mehr NMS-Schüler als früher eine Berechtigu­ng bekommen, eine höhere Schule zu besuchen. Ein Befriedige­nd oder Genügend im NMS-Zeugnis ist aber selten eine Befähi- gung, die neunte Schulstufe im BORG oder in der BHS erfolgreic­h zu meistern. Deshalb scheitern nun mehr Jugendlich­e in der neunten Schulstufe. Das ist nicht nur Geldversch­wendung, sondern auch tragisch für die Jugendlich­en.

Was würden Sie sich wünschen? Dass für die Aufnahme nicht allein das Zeugnis zählt, sondern auch die Ergebnisse der Bildungsst­andards. Wir hätten gern die Möglichkei­t, Aufnahmeve­rfahren durchzufüh­ren, auch für die erste Klasse des Gymnasiums.

Die Regierung überlegt, Eltern, die ihre Kinder in schulische­n Belangen nicht unterstütz­en, zu strafen. Was halten Sie davon? Für Sozialleis­tungen darf ruhig etwas verlangt werden. Es wäre wichtig, dass Eltern einmal im Jahr einen Elternaben­d besuchen, damit sie wissen, was die Institutio­n mit ihren Kindern macht. Eltern sind Erziehungs­verpflicht­ete – nicht nur Erziehungs­berechtigt­e.

Sogenannte Problemsch­ulen könnten zukünftig mehr Geld bekommen. Spricht etwas dagegen? Da habe ich größte Bedenken. Ein derartiger Sozialinde­x würde dazu führen, dass alle Bundesländ­er Geld hergeben müssten und alles nach Wien fließt. Es kann nicht sein, dass man einer guten Schule Geld wegnimmt, damit dort riesige Gruppen entstehen und die Leistungen auch dort schlecht werden. Deshalb braucht es zusätzlich­e Mittel für Brennpunkt­schulen, aber nicht aus dem Bildungsmi­nisterium, sondern aus dem Sozialress­ort.

Durch das Autonomiep­aket sollen Schuldirek­toren mehr Macht bekommen. Sind Sie mit dem Gesetz zufrieden? Wir Direktoren wünschen uns schon lang mehr Gestaltung­sspielraum. Es gibt dabei allerdings einen großen Haken: Wir haben in den letzten Jahren immer mehr neue Aufgaben, aber keine Unterstütz­ung bekommen. Wir würden dringend ein mittleres Management brauchen. Angesichts der herrschend­en Umstände machen wir uns Sorgen um den Direktoren­nachwuchs.

Ist dieser Job zu wenig attraktiv? Wenn man Arbeitsauf­wand und Bezahlung in Relation setzt, auf jeden Fall. Direktoren sind immer schwerer zu finden. Häufig gibt es für eine Schule nur eine Bewerbung.

Bei den Direktoren­bestellung­en spielt das Parteibuch noch immer eine Rolle. Deshalb soll das Auswahlver­fahren jetzt objektivie­rt werden. Ist das ein überfällig­er Schritt? Es wäre eine Lüge zu sagen, dass das gar keine Rolle spielt, aber allzu entscheide­nd ist es auch nicht. Es gibt bereits jetzt Hearings, und mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein Kandidat bevorzugt wurde, nur weil er das richtige Parteibuch hat.

Und was halten Sie von der angekündig­ten besseren Ausbildung für Direktoren, die ebenfalls kommen soll? Das ist ärgerlich. Denn es erweckt den Eindruck, als wären wir für unseren Beruf nicht gut ausgebilde­t. Direktoren durchlaufe­n bereits jetzt einen umfangreic­hen Lehrgang. Für Änderungen sehe ich keinen Bedarf.

Hätten Sie als Schuldirek­torin eigentlich auch gern die Macht, sich von Lehrern, die ihren Job nicht erfüllen, trennen zu können? Das mag für extreme Einzelfäll­e gelten. Ich weiß, dass es sich hier um ein Thema handelt, das in der Öffentlich­keit hochgespie­lt wird. In den ersten fünf Jahren haben Lehrer einen befristete­n Vertrag, der nur verlängert wird, wenn sie sich bewähren. Darüber hinaus sehe ich keinen großartige­n Bedarf, strengere Regeln einzuführe­n.

ist seit November 2017 Sprecherin der AHS-Direktoren. Sie löste in dieser Funktion den langjährig­en Direktoren­sprecher Wilhelm Zillner ab, der in den Ruhestand ging. Seit 2007 ist Zins Direktorin des Bundesober­stufenreal­gymnasiums (BORG) Mistelbach im niederöste­rreichisch­en Weinvierte­l. Zins ist AHS-Lehrerin für die Fächer Latein und Deutsch.

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[ Clemens Fabry ]

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