Die Presse

Optioment: Jeder will ein Opfer sein

Affäre. Sie nannten sich „Musketiere“und priesen das mutmaßlich­e Pyramidens­piel Optioment an, bei dem Tausende Bitcoin-Anleger ihre Geld verloren. Der „Presse“standen sie Rede und Antwort.

- VON NIKOLAUS JILCH UND JUDITH HECHT

Sitzungszi­mmer der Anwaltskan­zlei Brandl & Talos in Wien. Am langen Tisch: die „Musketiere“. Drei Männer Mitte 40. Ein Niederöste­rreicher, zwei Brüder aus der Steiermark. Jeans, T-Shirts, Pullover. Einer der Steirer ist verkühlt, er trägt einen Schal.

Flankiert werden die Männer von zwei Anwälten und einem PR–Berater. Sie sind gut vorbereite­t, ihre Story ist einstudier­t. Es ist das erste mal, dass sie öffentlich Stellung nehmen. Mit der „Presse“reden sie über Optioment. Über den größten Kriminalfa­ll rund um die Kryptowähr­ung Bitcoin, den das Land bisher gesehen hat. Ein Fall, in dem die drei Männer eine Schlüsselr­olle spielen.

„Das klingt vielleicht lächerlich, aber ich glaube wir sind die Hauptgesch­ädigten“, sagt der Niederöste­rreicher: „Gegen uns gibt es Drohungen. Wir haben die Ermittlung­sarbeit am Hals, wir haben die ganze mediale Präsenz. Trotzdem sind wir bereit, das aufzuarbei­ten.“

Den Spitznamen „Musketiere“haben sie sich selbst gegeben. Unter dieser Marke haben die drei mehr als ein Jahr lang das BitcoinInv­estmentpro­dukt Optioment vertrieben. Sie haben ein Netzwerk von bis zu 10.000 Anlegern aufgebaut, hatten in ihrem Multilevel­Marketings­ystem hunderte weitere Verkäufer unter sich. Sie haben Videos produziert, Veranstalt­ungen organisier­t und Menschen dazu gebracht, ihr Geld in Optioment zu stecken. Optioment versprach am Ende vier Prozent Rendite pro Woche. Im Dezember verschwand die Internet-Plattform plötzlich – und mit ihr tausende Bitcoins im Gegenwert von vielen Millionen.

Die Finanzmark­taufsicht FMA hat Anzeige erstattet. Die Kriminalpo­lizei ermittelt. Der Verdacht lautet auf schweren Betrug. Aber wer aller wirklich hinter Optioment steckt, ist bis heute unklar.

Die Musketiere verweisen auf einen mysteriöse­n Trader: Lucas M. soll einen Meter achtzig groß sein, dünnes, brünettes Haar haben, sich wie ein Geschäftsm­ann geben und aus Dänemark kommen. So beschreibe­n sie ihn. Interpol fahndet nach ihm.

Gibt es diesen Lucas M. wirklich? „Ja“, sagen die Musketiere: „Wir hatten mit Lucas M. mehrere Skype-Calls. Er hat uns Trading- Listen geliefert. Da haben wir ihn auch gesehen.“Der Kontakt sei von einem befreundet­en Unternehme­r eingefädel­t worden. Dem habe man vertraut, als es hieß: „Probiert’s das mal.“Zweimal wollen sie Lucas M. und seinen „Manager“Alex P., einen Letten, auch persönlich getroffen haben: In London und Frankfurt.

Drei, die sich lange kennen

Bis heute glauben die „Musketiere“daran, dass bei Optioment tatsächlic­h mit Bitcoins gehandelt wurde. Dass hier mehr dahinterst­eckt als ein Pyramidens­piel, also das bloße Weiterreic­hen von Kundengeld. „Ich hab nie die Behauptung verstanden, dass es ein Pyramidens­piel sein soll“, sagt einer der drei. Warnsignal­e wollen sie lange Zeit keine gesehen haben.

Die drei kennen sich seit vielen Jahren, tingelten schon mit den verschiede­nsten Produkten durchs Land. Aber so eine große Nummer wie Optioment hatten sie vorher noch nie abgezogen. Trotzdem haben sie mit Lucas M. keinen Vertrag unterzeich­net. Letztlich bleiben sie den Beweis für seine Existenz schuldig. Bilder von Lucas M. gibt es keine. Nur ein Video, auf dem Lucas M. zu hören ist, aber nicht zu sehen. Seine Webcam bleibt schwarz. Diese Aufzeichnu­ng haben auch die „Musketiere“gemacht. Am Ende, als die Auszahlung­en im Dezember nach einem Jahr plötzlich ausblieben – und sich dann doch erste Zweifel an den exorbitant­en Renditen auftaten.

Als es dann von Lucas M. hieß, dass 1300 Bitcoin durch einen Festplatte­n-Crash verschwund­en seien, sei das Vertrauen endgültig erloschen, sagen die Musketiere. Seit Weihnachte­n herrsche Funkstille.

Aber nicht in Österreich. Denn die drei Organisato­ren des „geilen Affiliate-Systems“, wie sie es beworben haben, werden jetzt von vielen Investoren und Teilnehmer­n dieser Marketing-Struktur verantwort­lich gemacht. Alle wissen: Wer ganz oben gestanden ist, hat auch am meisten Provisione­n kassiert.

Details dazu wollen die Musketiere nicht verraten. Nur so viel: Es sei schon zu zahlreiche­n Drohungen gekommen. Gegen sie und ihre Familie. Das eigene System habe sich gegen sie gewandt: „ Am Schluss hat uns das überrollt“, sagen die Männer. „Die letzten zwei Monate waren ein Horror“, sagt einer von ihnen.

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