Optioment: Jeder will ein Opfer sein
Affäre. Sie nannten sich „Musketiere“und priesen das mutmaßliche Pyramidenspiel Optioment an, bei dem Tausende Bitcoin-Anleger ihre Geld verloren. Der „Presse“standen sie Rede und Antwort.
Sitzungszimmer der Anwaltskanzlei Brandl & Talos in Wien. Am langen Tisch: die „Musketiere“. Drei Männer Mitte 40. Ein Niederösterreicher, zwei Brüder aus der Steiermark. Jeans, T-Shirts, Pullover. Einer der Steirer ist verkühlt, er trägt einen Schal.
Flankiert werden die Männer von zwei Anwälten und einem PR–Berater. Sie sind gut vorbereitet, ihre Story ist einstudiert. Es ist das erste mal, dass sie öffentlich Stellung nehmen. Mit der „Presse“reden sie über Optioment. Über den größten Kriminalfall rund um die Kryptowährung Bitcoin, den das Land bisher gesehen hat. Ein Fall, in dem die drei Männer eine Schlüsselrolle spielen.
„Das klingt vielleicht lächerlich, aber ich glaube wir sind die Hauptgeschädigten“, sagt der Niederösterreicher: „Gegen uns gibt es Drohungen. Wir haben die Ermittlungsarbeit am Hals, wir haben die ganze mediale Präsenz. Trotzdem sind wir bereit, das aufzuarbeiten.“
Den Spitznamen „Musketiere“haben sie sich selbst gegeben. Unter dieser Marke haben die drei mehr als ein Jahr lang das BitcoinInvestmentprodukt Optioment vertrieben. Sie haben ein Netzwerk von bis zu 10.000 Anlegern aufgebaut, hatten in ihrem MultilevelMarketingsystem hunderte weitere Verkäufer unter sich. Sie haben Videos produziert, Veranstaltungen organisiert und Menschen dazu gebracht, ihr Geld in Optioment zu stecken. Optioment versprach am Ende vier Prozent Rendite pro Woche. Im Dezember verschwand die Internet-Plattform plötzlich – und mit ihr tausende Bitcoins im Gegenwert von vielen Millionen.
Die Finanzmarktaufsicht FMA hat Anzeige erstattet. Die Kriminalpolizei ermittelt. Der Verdacht lautet auf schweren Betrug. Aber wer aller wirklich hinter Optioment steckt, ist bis heute unklar.
Die Musketiere verweisen auf einen mysteriösen Trader: Lucas M. soll einen Meter achtzig groß sein, dünnes, brünettes Haar haben, sich wie ein Geschäftsmann geben und aus Dänemark kommen. So beschreiben sie ihn. Interpol fahndet nach ihm.
Gibt es diesen Lucas M. wirklich? „Ja“, sagen die Musketiere: „Wir hatten mit Lucas M. mehrere Skype-Calls. Er hat uns Trading- Listen geliefert. Da haben wir ihn auch gesehen.“Der Kontakt sei von einem befreundeten Unternehmer eingefädelt worden. Dem habe man vertraut, als es hieß: „Probiert’s das mal.“Zweimal wollen sie Lucas M. und seinen „Manager“Alex P., einen Letten, auch persönlich getroffen haben: In London und Frankfurt.
Drei, die sich lange kennen
Bis heute glauben die „Musketiere“daran, dass bei Optioment tatsächlich mit Bitcoins gehandelt wurde. Dass hier mehr dahintersteckt als ein Pyramidenspiel, also das bloße Weiterreichen von Kundengeld. „Ich hab nie die Behauptung verstanden, dass es ein Pyramidenspiel sein soll“, sagt einer der drei. Warnsignale wollen sie lange Zeit keine gesehen haben.
Die drei kennen sich seit vielen Jahren, tingelten schon mit den verschiedensten Produkten durchs Land. Aber so eine große Nummer wie Optioment hatten sie vorher noch nie abgezogen. Trotzdem haben sie mit Lucas M. keinen Vertrag unterzeichnet. Letztlich bleiben sie den Beweis für seine Existenz schuldig. Bilder von Lucas M. gibt es keine. Nur ein Video, auf dem Lucas M. zu hören ist, aber nicht zu sehen. Seine Webcam bleibt schwarz. Diese Aufzeichnung haben auch die „Musketiere“gemacht. Am Ende, als die Auszahlungen im Dezember nach einem Jahr plötzlich ausblieben – und sich dann doch erste Zweifel an den exorbitanten Renditen auftaten.
Als es dann von Lucas M. hieß, dass 1300 Bitcoin durch einen Festplatten-Crash verschwunden seien, sei das Vertrauen endgültig erloschen, sagen die Musketiere. Seit Weihnachten herrsche Funkstille.
Aber nicht in Österreich. Denn die drei Organisatoren des „geilen Affiliate-Systems“, wie sie es beworben haben, werden jetzt von vielen Investoren und Teilnehmern dieser Marketing-Struktur verantwortlich gemacht. Alle wissen: Wer ganz oben gestanden ist, hat auch am meisten Provisionen kassiert.
Details dazu wollen die Musketiere nicht verraten. Nur so viel: Es sei schon zu zahlreichen Drohungen gekommen. Gegen sie und ihre Familie. Das eigene System habe sich gegen sie gewandt: „ Am Schluss hat uns das überrollt“, sagen die Männer. „Die letzten zwei Monate waren ein Horror“, sagt einer von ihnen.