„Verbote sind der falsche Weg“
Interview. Dieselfahrverbote sind keine Lösung, sagt Siemens-Energie-Experte Armin Schnettler, Die Technik könne den Menschen bessere Alternativen bieten – aber nicht ohne Hilfe der Politik.
Die Presse: Seit gestern ist das Dieselfahrverbot in einigen deutschen Städten vom Höchstgericht abgesegnet. Ein guter Schritt? Armin Schnettler: In meinen Augen wäre es sinnvoller, würde man die Automobilkonzerne dazu bringen, weniger zu tricksen. Fahrverbote sind immer schwierig. Es ist doch viel eleganter, wenn man den Menschen stattdessen eine bessere Alternative bietet.
Wie soll die aussehen? Nur noch Ökostrom und Elektroautos? Spätestens im Fernverkehr wird man damit nicht durchkommen. Von der Energiebilanz her, ginge sich das locker aus. Wir haben genug Energie, genug Strom. Technologisch ist das Thema Elektromobilität im Kurz- und Mittelstreckenbereich gesetzt. Die Effizienz ist hoch, es macht Spaß zu fahren, und die Batterien werden bald echte 600 Kilometer Reichweite bieten. Im Schwerverkehr und bei Bussen sehe ich eher Brennstoffzellen oder synthetisches Gas als Alternative. Die Konzerne arbeiten aus gutem Grund mit Hochdruck daran, diese Technologien zu verbessern. Das ist zehnmal klüger, als über Fahrverbote zu sprechen. Verbote sind hier der falsche Weg – wenngleich lokal sicher kurzfristig umsetzbar und öffentlichkeitswirksam. Wir müssen eher neue Technologien stimulieren, als alte verbieten.
Beim Strom hat Deutschland genau das getan und Milliarden für die Ökostromförderung gezahlt. Heute fehlen nötige Stromleitungen, der CO2-Ausstoß des Landes steigt. Hat es sich gelohnt? Für Deutschland? Das müssen Sie einen Volkswirt fragen. Technologisch hat es sich für die Welt in jedem Fall ausgezahlt. Erst die deutschen Subventionen für Solar- und Windkraft haben die Weltenergiewende ausgelöst. Natürlich sind 25 Milliarden Euro an Förderkosten im Jahr sehr, sehr viel Geld. Aber es gibt immer Gewinner und Verlierer. Der Weg ist auf jeden Fall richtig. Unser Ziel ist die globale Dekarbonisierung bis 2100. Wir müssen uns überlegen, wie das in den verbleibenden gut 80 Jahren umgesetzt werden kann. Für eine Energieinfrastruktur sind das nur ein, zwei Generationen. Nicht mehr.
Wie lange werden wir da noch Gas- und Kohlekraftwerke brauchen, um die Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen? Gaskraftwerke werden wir immer haben. Ich glaube fest an ihre Renaissance. Allerdings werden sie künftig weniger mit russischem Erdgas als mit synthetischem Gas befeuert werden. Auf Kohle könnten wir – auch in Deutschland – aus technologischer Sicht ab 2030 verzichten. Politisch ist das anders. Es ist aber immer leicht zu sagen, worauf man verzichten soll. Schwierig ist es, eine sichere und kostengünstige Alternative zu bieten.
Wie sehen Sie das Thema Versorgungssicherheit? Glauben Sie, dass uns dank besserer Batterien der Netzausbau erspart bleibt? Wir werden noch 15 Jahre lang neue Netze bauen müssen. Was darüber hinaus kommt, ist nur mit Netzausbau nicht zu stemmen. Wenn wir 60 Prozent und mehr unseres Stroms aus regenerativen Quellen beziehen, müssen wir uns fragen: Hat es noch Sinn, diesen ganzen Strom genau zu der Zeit zu nutzen, zu der er produziert wird? Es wird vielfältige Speicherlösungen geben müssen. Warum nicht Biotreibstoffe durch synthetisches Gas ersetzen, warum nicht grünen Wasserstoff in der Industrie einsetzen, wie es die Voest mit dem Verbund und Siemens in Linz erprobt? Ich bin sicher: Wenn man grüne Lösungen zu ähnlichen Preisen anbietet wie konventionelle plus CO2Vermeidungskosten, öffnen sich die Märkte. Wirtschaftlich sind wir schneller da, als viele meinen. Und technologisch ist alles machbar.
Auch das Zwei-Grad-Ziel? Ist das ein technologisches oder ein politisches Problem?
Manche hoffen, dass der Fortschritt das Zögern der Politik irrelevant macht. Ist das möglich? Nein, aus meiner Sicht nicht. Die Technologie allein kann den Klimawandel nicht stoppen. Dazu braucht es ein ernst gemeintes Bekenntnis der Politik und der Gesellschaft – und damit von uns allen. Ich sehe eine erhebliche Bereitschaft der Gesellschaft und Industrie, ihren Beitrag zu leisten. Jetzt gilt es, regulatorische Rahmenbedingungen zu setzen, die die Klimaschutzziele unterstützen und die Transformation stimulieren – und es dann der Gesellschaft und der Industrie zu überlassen, wie sie da hinkommen wollen.
leitet die weltweite Energieforschung des Industriekonzerns Siemens. Der promovierte Techniker und Universitätsprofessor soll die Energiewende im Land zum Laufen bringen. Ob all die Fördermilliarden den Deutschen etwas bringen, will er nicht beurteilen. Für die Welt lohne es sich in jedem Fall.