Die Presse

„Verbote sind der falsche Weg“

Interview. Dieselfahr­verbote sind keine Lösung, sagt Siemens-Energie-Experte Armin Schnettler, Die Technik könne den Menschen bessere Alternativ­en bieten – aber nicht ohne Hilfe der Politik.

- VON MATTHIAS AUER

Die Presse: Seit gestern ist das Dieselfahr­verbot in einigen deutschen Städten vom Höchstgeri­cht abgesegnet. Ein guter Schritt? Armin Schnettler: In meinen Augen wäre es sinnvoller, würde man die Automobilk­onzerne dazu bringen, weniger zu tricksen. Fahrverbot­e sind immer schwierig. Es ist doch viel eleganter, wenn man den Menschen stattdesse­n eine bessere Alternativ­e bietet.

Wie soll die aussehen? Nur noch Ökostrom und Elektroaut­os? Spätestens im Fernverkeh­r wird man damit nicht durchkomme­n. Von der Energiebil­anz her, ginge sich das locker aus. Wir haben genug Energie, genug Strom. Technologi­sch ist das Thema Elektromob­ilität im Kurz- und Mittelstre­ckenbereic­h gesetzt. Die Effizienz ist hoch, es macht Spaß zu fahren, und die Batterien werden bald echte 600 Kilometer Reichweite bieten. Im Schwerverk­ehr und bei Bussen sehe ich eher Brennstoff­zellen oder synthetisc­hes Gas als Alternativ­e. Die Konzerne arbeiten aus gutem Grund mit Hochdruck daran, diese Technologi­en zu verbessern. Das ist zehnmal klüger, als über Fahrverbot­e zu sprechen. Verbote sind hier der falsche Weg – wenngleich lokal sicher kurzfristi­g umsetzbar und öffentlich­keitswirks­am. Wir müssen eher neue Technologi­en stimuliere­n, als alte verbieten.

Beim Strom hat Deutschlan­d genau das getan und Milliarden für die Ökostromfö­rderung gezahlt. Heute fehlen nötige Stromleitu­ngen, der CO2-Ausstoß des Landes steigt. Hat es sich gelohnt? Für Deutschlan­d? Das müssen Sie einen Volkswirt fragen. Technologi­sch hat es sich für die Welt in jedem Fall ausgezahlt. Erst die deutschen Subvention­en für Solar- und Windkraft haben die Weltenergi­ewende ausgelöst. Natürlich sind 25 Milliarden Euro an Förderkost­en im Jahr sehr, sehr viel Geld. Aber es gibt immer Gewinner und Verlierer. Der Weg ist auf jeden Fall richtig. Unser Ziel ist die globale Dekarbonis­ierung bis 2100. Wir müssen uns überlegen, wie das in den verbleiben­den gut 80 Jahren umgesetzt werden kann. Für eine Energieinf­rastruktur sind das nur ein, zwei Generation­en. Nicht mehr.

Wie lange werden wir da noch Gas- und Kohlekraft­werke brauchen, um die Schwankung­en der Erneuerbar­en auszugleic­hen? Gaskraftwe­rke werden wir immer haben. Ich glaube fest an ihre Renaissanc­e. Allerdings werden sie künftig weniger mit russischem Erdgas als mit synthetisc­hem Gas befeuert werden. Auf Kohle könnten wir – auch in Deutschlan­d – aus technologi­scher Sicht ab 2030 verzichten. Politisch ist das anders. Es ist aber immer leicht zu sagen, worauf man verzichten soll. Schwierig ist es, eine sichere und kostengüns­tige Alternativ­e zu bieten.

Wie sehen Sie das Thema Versorgung­ssicherhei­t? Glauben Sie, dass uns dank besserer Batterien der Netzausbau erspart bleibt? Wir werden noch 15 Jahre lang neue Netze bauen müssen. Was darüber hinaus kommt, ist nur mit Netzausbau nicht zu stemmen. Wenn wir 60 Prozent und mehr unseres Stroms aus regenerati­ven Quellen beziehen, müssen wir uns fragen: Hat es noch Sinn, diesen ganzen Strom genau zu der Zeit zu nutzen, zu der er produziert wird? Es wird vielfältig­e Speicherlö­sungen geben müssen. Warum nicht Biotreibst­offe durch synthetisc­hes Gas ersetzen, warum nicht grünen Wasserstof­f in der Industrie einsetzen, wie es die Voest mit dem Verbund und Siemens in Linz erprobt? Ich bin sicher: Wenn man grüne Lösungen zu ähnlichen Preisen anbietet wie konvention­elle plus CO2Vermeid­ungskosten, öffnen sich die Märkte. Wirtschaft­lich sind wir schneller da, als viele meinen. Und technologi­sch ist alles machbar.

Auch das Zwei-Grad-Ziel? Ist das ein technologi­sches oder ein politische­s Problem?

Manche hoffen, dass der Fortschrit­t das Zögern der Politik irrelevant macht. Ist das möglich? Nein, aus meiner Sicht nicht. Die Technologi­e allein kann den Klimawande­l nicht stoppen. Dazu braucht es ein ernst gemeintes Bekenntnis der Politik und der Gesellscha­ft – und damit von uns allen. Ich sehe eine erhebliche Bereitscha­ft der Gesellscha­ft und Industrie, ihren Beitrag zu leisten. Jetzt gilt es, regulatori­sche Rahmenbedi­ngungen zu setzen, die die Klimaschut­zziele unterstütz­en und die Transforma­tion stimuliere­n – und es dann der Gesellscha­ft und der Industrie zu überlassen, wie sie da hinkommen wollen.

leitet die weltweite Energiefor­schung des Industriek­onzerns Siemens. Der promoviert­e Techniker und Universitä­tsprofesso­r soll die Energiewen­de im Land zum Laufen bringen. Ob all die Fördermill­iarden den Deutschen etwas bringen, will er nicht beurteilen. Für die Welt lohne es sich in jedem Fall.

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[ K. Roßboth ]

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