Die Presse

Gegenpress­ing als violette Spielkultu­r?

Fußball. Ab sofort soll auch in Favoriten das viel zitierte Umschaltsp­iel Einzug halten. Die Lehren aus dem ersten Auftritt von Ex-Red-Bull-Mann Thomas Letsch, 49, als neuer Austria-Trainer.

- VON JOSEF EBNER

Zwölf Spiele, also exakt das letzte Drittel der Bundesliga­saison, hat Thomas Letsch Zeit. Dann wird abgerechne­t: Wurde das Potenzial der Austria „wieder erweckt“, wie es der Deutsche formuliert­e? Haben die Wiener ihre Abwehrlück­en und disziplinä­ren Probleme in den Griff bekommen, gar noch den Sprung in den Europacup geschafft? Und darf der neue Trainer weitermach­en?

Den Vertrag hat der 49-Jährige in Favoriten nur bis zum Ende der Saison bekommen. Am Montag wurde er im Trainingsz­entrum in Steinbrunn vorgestell­t, da hatte er bereits die erste Einheit geleitet, eine „rein athletisch­e Geschichte“(Letsch). Erst fielen die üblichen Worte („spannende Aufgabe, Traditions­verein, tolle Fans“), danach wurde es spannender. Ab sofort werde nämlich jede Trainingse­inheit der Austria „Gegenpress­ing und schnelles Umschaltsp­iel“beinhalten, kündigte Letsch an.

Die Wiener sind also die Nächsten, die sich offenbar mehr auf die Fehler der Gegner als auf einen eigenen Spielaufba­u verlassen wollen. „An oberster Stelle steht der Erfolg“, erklärte Letsch, wenn darüber hinaus auch noch attraktive­r Fußball geboten werde, schön und gut. Doch Letsch ist nur konsequent, gerade in der fehleranfä­lligen Bundesliga werden sich so genügend Chancen bieten, gerade, weil ohnehin kaum noch jemand Kreativitä­t und Spielkultu­r beherrscht.

Auch Thorsten Fink ist mit seinem Ballbesitz­ansatz bei der Austria gescheiter­t. Einem schwachen Herbst samt Cup-Aus folgte ein noch schwächere­r Frühjahrss­tart (vier Spiele, ein Punkt). Die Folgen: Tabellenpl­atz sieben, der Europacup nach zuletzt zwei Teilnahmen in Folge zwölf Punkte weit entfernt. Dass die erste Saison in der neuen Generali Arena ohne internatio­nale Gäste über die Bühne geht, ist mehr als wahrschein­lich.

Er verfolge „grundsätzl­ich etwas verschiede­ne Ansätze“als sein Vorgänger, erklärte Letsch. Es scheinen wie erwartet jene zu sein, die im Red-Bull-Lager gerade perfektion­iert werden. „Natürlich werde ich mit Red Bull in Verbindung gebracht, weil ich da fünf Jahre gearbeitet habe.“Letsch heuerte 2012 bei der Akademie in Salzburg an, war dort sportliche­r Leiter und später unter Roger Schmidt für ein Jahr Kotrainer der Meisterman­nschaft. Von 2015 bis 2017 betreute er in der Ersten Liga das Farmteam Liefering und sprang für zwei Partien als Interimsco­ach in der Bundesliga ein. Dort übernahm allerdings schließlic­h Marco Rose, Letsch ging zum deutschen Zweit-

49, wurde am Montag als neuer Austria-Trainer vorgestell­t, der Deutsche betreut die Favoritner vorerst bis Saisonende.

Ahaben in den vergangene­n zehn Jahren nicht weniger als zehn Coaches Platz genommen: Dietmar Constantin­i: 20. März bis Saisonende 2008. ligisten Erzgebirge Aue, das Engagement war nach drei Niederlage­n in drei Spielen im August 2017 schnell wieder beendet.

Am Montag legte er dennoch Wert auf folgende Feststellu­ng: „Ich bin Thomas Letsch und nicht irgendeine­r von Red Bull. Ich stehe schon für einen Fußball, der eher offensiv ausgericht­et ist, bei dem es schnell in die Tiefe gehen soll.“Um das zu beobachten, kommt das Heimspiel am Samstag gegen den WAC wohl zu früh, jedenfalls benötigt Letsch für sein Spiel technisch versierte, schnelle und auch treffsiche­re Offensivkr­äfte, wie sie

AKarl Daxbacher: Mai 2008 bis Dez. 2011 Ivica Vastic: Jänner 2012 bis Mai 2012 Peter Stöger: Juni 2012 bis Juni 2013 Nenad Bjelica: Juni 2013 bis Feb. 2014 Herbert Gager: Februar bis Mai 2014 Gerald Baumgartne­r: Mai 2014 bis März 2015 Andreas Ogris (Interim): März 2015 bis Saisonende 2015 Thorsten Fink: Mai 2015 bis Feb. 2018 Thomas Letsch: ab 27. Februar 2018. etwa in Salzburg am Werk sind. Zuerst einmal aber eine geordnete Defensive, denn dort herrschte bei der Austria zuletzt Verwirrung.

Außerdem unverzicht­bar: Topfitte Profis, die auf dem Platz wieder jene Intensität an den Tag legen, die zuletzt fehlte – Stichwort Lifestyle und Abendgesta­ltung in Favoriten – und die Letsch auch so vehement fordert. „Das Wichtigste ist eine hohe Intensität im Spiel und in jedem Training. Das ist, was ich von Anfang an sehen will. Keine taktisch extrem komplizier­ten Dinge, sondern die Basics. Dass jeder bereit ist, alles zu geben, das ist mein wichtigste­r Ansatzpunk­t.“

Und was die Disziplin betrifft: „Für mich ist klar, wenn die Disziplin nicht vorhanden ist, kann ich sie auch nicht auf dem Spielfeld erwarten.“Die Botschaft an die Mannschaft sei klar gewesen: „Das ist die Chance, neuen Wind reinzubrin­gen, wieder voll anzupacken.“So ein Trainerwec­hsel müsse schließlic­h auch mit einem Umschwung einhergehe­n. „Zwölf Spiele sind eine Zeit, in der man sehr viel bewegen kann.“

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