Die Presse

Kommt ein Erdgeist auf dem Weltgebets­tag zu Ehren?

Kurz vor dem christlich­en Weltgebets­tag der Frauen gibt es Ärger: Das vom Komitee in Deutschlan­d gewählte offizielle Bild sei zu heidnisch.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON anne-catherine.simon@diepresse.com

Auch die Trommel erregt Anstoß: Sie sei mit heidnische­n Ritualen verbunden.

Wie schwierig es sein kann, in Sachen religiöser und kulturelle­r Ökumene alles richtig zu machen, erlebt dieser Tage das Weltgebets­tags-Komitee in Deutschlan­d. Es hatte bei einer surinamesi­schen Künstlerin das offizielle Bild für den Gebetstag am 2. März in Auftrag gegeben. Dieses zeigt eine Frau mit Trommel und heißt „Gran tangi gi Mama Aisa“, „In Dankbarkei­t gegenüber Mutter Erde“. Nun seien aber, berichtet das christlich­e Nachrichte­nmagazin „Idea“, die für die diesjährig­e Gottesdien­stordnung Zuständige­n im südamerika­nischen Surinam erbost, die ein anderes Bild vorgeschla­gen hätten. Stein des Anstoßes: „Mama Aisa“könne nicht nur „Mutter Erde“bedeuten, sondern auch einen Erdgeist des in Surinam existieren­den Winti-Kultes. Außerdem sei die Trommel mit heidnische­n Ritualen verbunden und werde gerade deshalb von Christen in Surinam nicht verwendet.

Es könnte ins beliebte Deutungssc­hema „arroganter Westen“passen: Deutsches Komitee übergeht Surina- merinnen und beweist kulturelle Ignoranz . . . Die Wirklichke­it ist wie meist komplizier­ter. Surinam wurde seit dem 18. Jh. christiani­siert, vor allem durch die Herrnhuter, eine aus der böhmischen Reformatio­n kommende Glaubensbe­wegung. (Deren Gründer verdankt sich übrigens das bei uns beliebte Tischgebet „Komm, Herr Jesus, sei Du unser Gast“.) Die Herrnhuter sind heute die zweitgrößt­e Kirchengem­einschaft in Surinam.

Doch dort gibt es noch viele weitere Religionen, unter anderem besagten Winti-Kult. In ihm flossen Traditione­n westafrika­nischer Sklaven zusammen. Diese hatten auch nach der Abschaffun­g der Sklaverei 1863 kaum Rechte. Unter anderem mussten sie zum Christentu­m konvertier­en. Bis 1971 waren in Surinam die Winti-Praktiken verboten.

Nun protestier­en also Mitglieder der christlich­en Herrnhuter in Surinam, weil sie in einem Bild Anklänge an den ohnehin so lange unterdrück­ten Kult erkennen. Da paart sich Ökumene mit rigider Ausgrenzun­g – allerdings nicht made in Deutschlan­d. Zumindest nicht im heutigen.

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