Die Menschen wurden andere, die Sprache blieb
DNA-Analysen auf der südpazifischen Insel Vanuatu zeigen eine ungewöhnliche Entwicklung.
Dekorativ anmutende Sandzeichnungen zählen seit 2003 zum von der Unesco anerkannten Kulturerbe der Menschheit. Sie stammen von der Inselgruppe Vanuatu – im Südpazifik, ungefähr 2000 Kilometer westlich von Australien – und dienten vor gar nicht langer Zeit noch der Verständigung zwischen Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen.
Das ist auf den Inseln von Vanuatu oft der Fall: Dort herrscht die größte Sprachendichte (Sprachen pro Einwohner) der Welt, 73 Prozent der ca. 260.000 Einwohner geben als Muttersprache eine von 110 austronesischen Sprachen an. (Der Rest spricht vor allem eine in der britisch-französischen Kolonialzeit entstandene Kreolsprache.)
Wo diese Sprachen herkommen, ist klar: von der austronesischen Expansion, die vor 5500 Jahren begann, vermutlich im heutigen Taiwan: Von dort aus eroberten Menschen, die sich schon auf Landwirtschaft verstanden, Polynesien, Mikronesien, Neuseeland und den malaiischen Archipel, aber auch Madagaskar. Vor 3000 Jahren kamen sie nach Vanuatu.
Einwanderer aus Papua-Neuguinea
Doch bald, nur 500 Jahre später, folgten ihnen andere Immigranten: vom Bismarck-Archipel (nordwestlich von Australien), der heute zum Staat PapuaNeuguinea gehört; sie vermischten sich teils mit der ursprünglichen austronesischen Bevölkerung, teils verdrängten sie diese. Das fand nicht in einer Masseneinwanderung statt, sondern in mehreren Schüben. Das ergaben Analysen von heutiger und alter DNA, offenbar fanden oft Papua-Männer zu austronesischen Frauen (Nature Ecology & Evolution, 27. 2.).
Ungewöhnlich ist, dass diese Veränderung der Bevölkerung offenbar die Sprachlandschaft auf Vanuatu nicht änderte, dass sich keine Papua-Sprachen (die nicht zur austronesischen Sprachfamilie gehören) dort behaupten konnten, nur leichte Papua-Einflüsse sind feststellbar, etwa quinäre Zahlensysteme (mit der Zahl fünf als Basis) oder die Tendenz zu Serialverbkonstruktionen (wie im gebrochenen Deutschen: „Müssen kommen spielen sehen“). Jedenfalls: „Austausch der Bevölkerung bei Kontinuität der Sprache ist extrem selten – wenn nicht einmalig – in der Geschichte“, sagt Russell Gray, Linguist am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena.
Wie kann man das erklären? Denkbar wäre, dass die Einwanderer, die ja in mehreren Schüben kamen, so unterschiedliche Sprachen hatten – die Sprachvielfalt auf Papua-Neuguinea ist ja auch gewaltig –, dass sie gern die (damals noch recht einheitliche) austronesische Sprache der Alteingesessenen als Lingua franca verwendeten.