Die Presse

Orb´an ist nicht unbesiegba­r

Sechs Wochen vor den Parlaments­wahlen in Ungarn ist plötzlich das Rennen offener als angenommen.

- VON BALAZS CSEKÖ Balazs Csekö (geboren 1986) studierte Politikwis­senschaft in Wien. Der gebürtige Ungar lebt als freier Journalist in Wien.

Nichts ist gelaufen. Das ist die Lehre der Bürgermeis­ternachwah­l vom Sonntag in der südungaris­chen Stadt Hod-´ mezövas´arhely.´ Das koordinier­te Antreten aller opposition­ellen Kräfte – vom linken Lager bis zur rechtsnati­onalen Jobbik – hat Wirkung gezeigt und gegen den Kandidaten der Regierungs­partei Fidesz einen überrasche­nden Sieg (57 zu 42 Prozent) eingefahre­n. Das Ergebnis könnte gravierend­e Folgen für die kommende Parlaments­wahl haben.

Ungarns Regierung hat somit ein Problem und Premier Orban´ ein paar schlaflose Nächte. Zum ungünstigs­ten Zeitpunkt, am Vorabend der Parlaments­wahl. Auf einmal ist die Opposition wieder im Rennen, nachdem sie den unerwartet­en – und noch dazu ganz klaren – Sieg in einer der Hochburgen der Regierungs­partei errungen hat. Symbolträc­htig ist der Triumph in der seit 1990 von konservati­ven Bürgermeis­tern regierten Stadt deshalb, weil die gesamte Opposition einen Kandidaten unterstütz­te und zudem Kanzleramt­sminister Janos´ Laz´ar´ – einer der Schwergewi­chte der ungarische­n Regierung – aus Hodmezö-´ vas´arhely´ stammt.

Das Wahlergebn­is, welches von keinem Meinungsfo­rschungsin­stitut vorhergesa­gt wurde, macht deutlich, dass es in Ungarn ein starkes „hidden vote“gibt – die Wähler ihre Wahlpräfer­enzen also nicht preisgeben. Zwar liegt der Fidesz in allen Umfragen haushoch in Führung, jedoch könnten die zahlreiche­n Korruption­sskandale in der Partei – laut dem jüngsten Korruption­sindex von Transparen­cy Internatio­nal liegt nunmehr Bulgarien hinter Ungarn in der EU –, die autoritäre­n Tendenzen der Regierung und die rund um die Uhr laufende, aus Steuergeld­ern finanziert­e Schmutzküb­elkampagne gegen Migranten und Flüchtling­e dazu geführt haben, dass viele Ungarn ihre Meinung lieber für sich behalten und den Kandidaten mit der größten Siegeschan­ce – unabhängig von der politische­n Couleur – gegen den der Fidesz unterstütz­en. Die Nachwahl bringt damit neue Dynamik ins Spiel, welche sowohl Regierung als auch Opposition unter erhebliche­n Druck setzt. Jedoch steht seit vergangene­m Sonntag fest: Orban´ ist nicht unbesiegba­r.

Da kaum ein Regierungs­politiker von einer Niederlage bei der Wahl in Hodmezöv´as´arhely´ ausgegange­n ist, wird wohl die von Orban´ angeführte Exekutive in aller Eile eine neue Wahlstrate­gie für die Parlaments­wahl im April ausarbeite­n müssen, um ein Debakel zu vermeiden. Dabei sollen die eigenen Wähler mobilisier­t, die Anhänger der Opposition demobilisi­ert werden. Eine wahre Herausford­erung, wenn man in Betracht zieht, dass Orban´ die Wahlkampag­ne bis jetzt mithilfe von Negative Campaignin­g auf ein einziges Wort („Soros“) reduziert hat.

Für Ungarns Opposition bedeutet das Wahlergebn­is vor allem eines: Hoffnung. Die untereinan­der teils weiterhin zerstritte­nen Parteien können nun geeint als reale Alternativ­e bei der Parlaments­wahl antreten. Dafür ist es notwendig, gemeinsame Kandidaten in den Einzelwahl­kreisen gegen die vom Fidesz aufzustell­en und auf die finanziell­en Vorteile des Parteiförd­erungsgese­tzes – welches die Wahlkoalit­ionen weniger honoriert – zu verzichten. Wer da nicht mitmacht, könnte schnell zum Wahlhelfer des Fidesz avancieren.

Das erste Mal seit den Massenprot­esten gegen die Internetst­euer im Jahr 2014 steht die Orban-´Regierung unter gewaltigem Druck. Damals zog der Premier den Gesetzesen­twurf zurück und löste die Krise mit einem Federstric­h. Die jetzige Situation ist für Orban´ dennoch riskanter, weil selbst der kleinste Fehler beim bevorstehe­nden Urnengang bestraft werden könnte. Noch dazu werden diesmal auch die Opposition­sparteien einiges zu sagen haben.

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