Die Presse

Österreich­s Diplomatie mit Pferden

Treffen der Außenminis­ter. Die Türkei lockert die Nato-Blockade gegen Österreich.

- VON DUYGU ÖZKAN

Tauwetter zwischen Österreich und der Türkei beim Besuch des türkischen Außenminis­ters in der Spanischen Hofreitsch­ule.

Das diplomatis­che Tauwetter passte zum meteorolog­ischen: Beim Besuch der Außenminis­terin Karin Kneissl in der Türkei hatte das stürmische Jännerwett­er noch eine Überfahrt auf die Prinzenins­eln verhindert, am gestrigen Donnerstag hingegen standen alle Zeichen auf (bilaterale­m) Frühlingsb­eginn. Kneissl führte ihren Gast, den türkischen Außenminis­ter, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, in die Hofreitsch­ule zu den Lipizzaner­n, es gab eine kleine Vorführung sowie eine Karottenve­rköstigung für die Tiere. Kneissl fand gar ein Wort für den Gegenbesuc­h ihres türkischen Kollegen: „Pferdedipl­omatie“.

Die schwer strapazier­ten österreich­isch-türkischen Beziehunge­n haben sich nach C¸avus¸og˘lus Visite in Wien wieder ein wenig verbessert: Ankara will zumindest partiell seine Österreich-Blockade bei der Nato aufheben und auf diplomatis­cher bzw. ziviler Ebene Wiens Vertreter im Brüsseler Hauptquart­ier akkreditie­ren lassen. Die militärisc­he Zusammenar­beit Österreich­s mit der Nato bleibt vorerst ungelöst, wiewohl Kneissl betonte, dass die Kooperatio­n auf Soldateneb­ene in Bosnien sehr gut funktionie­re.

Bereits zuvor, bei Kneissls Besuch in Istanbul, hatten die Minister bereits beschlosse­n, die Ephesos-Ausgrabung­en in der Türkei wiederzube­leben, dasselbe gilt für die gemischte Wirtschaft­skommissio­n. Für demnächst hat Kneissl den Besuch des türkischen Wirtschaft­sministers, Nihat Zeybekci,¸ angekündig­t, jenes Politikers, der im Juni vergangene­n Jahres noch eine offizielle Ausladung erhielt; Zeybekci¸ wollte in Österreich an einer Veranstalt­ung zum gescheiter­ten Putsch in der Türkei teilnehmen.

Es waren denn auch Auftrittsv­erbote wie diese, die das bilaterale Verhältnis in den vergangene­n Jahren sukzessive verschlech­terten. „Bei Wahlen in der Türkei ist Österreich kein Thema. Warum aber wird in Deutschlan­d oder Österreich ständig über die Türkei gesprochen, und nicht mal über andere Länder“, fragte C¸avus¸og˘lu bei der Pressekonf­erenz mit Blick auf das wahlkampfr­eiche vergangene Jahr und dessen spitze Rhetorik.

Allzu groß sind die Schritte, mit denen sich Ankara und Wien nun einander annähern, aber nicht. Allenfalls bewegt man sich im Trabtempo von den weniger schwierige­n Themen wie Ephesos zu den profunden Fragen. Dazu gehört sicherlich die grundlegen­d kritische österreich­ische Haltung zum türkischen EU-Beitritt. Genau diese Frage haben die Minister bei ihren bisherigen Treffen bewusst ausgeklamm­ert, aber in Wien sagte C¸avus¸og˘lu: Man wolle im Rahmen des Beitrittsp­rozesses und während der EU-Ratspräsid­entschaft Wiens keine Sonderbeha­ndlung von Österreich, „sondern Objektivit­ät“. Das ebenfalls heikle Thema Doppelstaa­tsbürgersc­haften haben Kneissl und C¸avus¸og˘lu zwar besprochen, nannten allerdings keine Einzelheit­en.

Protest gegen Syrien-Einmarsch

Fortschrit­te gebe es auch in Sachen Imam-Ausbildung, die Türkei habe konkrete Maßnahmen ergriffen, wie Kneissl sagte. Imame müssen nach dem neuen Islamgeset­z in Österreich ausgebilde­t werden. Indirekt kritisiert­e C¸avus¸og˘lu jedoch die neuen Vorschrift­en, sagte, dass die Zusammenar­beit mit der türkischen Religionsb­ehörde wichtig sei, um Radikalism­us vorzubeuge­n.

Ankaras Lesart zufolge hat die Türkei mit mehreren Gesten ihren guten Willen gezeigt, nun sei Österreich am Zug. Welchen Schritt Wien setzen könnte, ließen die Minister offen. Jedenfalls stünden neben den baldigen Wirtschaft­streffen noch Gespräche zum Nahen Osten an, wie der türkische Außenminis­ter sagte; Brandfelde­r gibt es viele, angefangen von Syrien und dem Irak bis hin zum Umgang mit den Flüchtling­en, dazu hat Brüssel ja ein Abkommen mit der Türkei ausgehande­lt.

Ankara operiert seit Wochen militärisc­h in Nordsyrien, um kurdische Milizen zurückzutr­eiben. Dagegen protestier­ten am Donnerstag auch Dutzende Menschen lautstark – unweit des Außenminis­teriums am Minoritenp­latz, kurz vor der Ankunft C¸avus¸og˘lus.

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