Die Presse

Spital Nord: Ein weiteres Millionenl­och

Milliarden­projekt. Fiasko beim Spital Nord geht weiter. Hunderte Millionen Euro weitere Kosten stehen im Raum. KAV-Manager spricht von Regressfor­derungen gegen Architekte­n des Spitals.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Der KAV will nun Regressfor­derungen gegen den Architekte­n des Spitals prüfen.

Für den Architekte­n des Milliarden­projektes Spital Nord, Albert Wimmer, wird es unangenehm. Man sei rechtlich zu Regressfor­derungen verpflicht­et, erklärt Herwig Wetzlinger, Manager des KAV (Krankenans­taltenverb­und), der „Presse“: Der Großteil der Planungsle­istungen sei nicht vertragsko­nform gewesen, die Probleme seien also nicht bei ausführend­en Firmen gelegen: „Es betrifft klassische Planungsle­istungen. Auch Wimmer und andere.“

Dieser weist postwenden­d alle Vorwürfe zurück. Er spricht von einer „höchst profession­ellen Planung“in seinem Bereich, er habe jahrzehnte­lange Erfahrung bei Großprojek­ten: „Ich arbeite gewissenha­ft. Man kann sich von der Qualität vor Ort überzeugen.“

Betriebsko­sten explodiere­n

Wichtiger als mögliche Millionenf­orderungen gegen Planer und Architekte­n dürfte für die Wiener ein anderes Faktum sein: Das völlig aus dem Ruder gelaufene Projekt wird teurer. Nochmals. Und das empfindlic­h. Konkret stehen 200 Millionen Euro Mehrkosten für den Bau im Raum. Dazu kommt noch eine Explosion bei den laufenden Betriebsko­sten in den nächsten zwei bis drei Jahren.

Hintergrun­d ist ein Versagen des KAV, über das „Die Presse“mehrfach, erstmals bereits am 12. August 2016, berichtete. Inhalt: Der KAV scheitert daran, den technische­n Betrieb selbst zu übernehmen – nachdem vergessen wurde, rechtzeiti­g die entspreche­nden Hightech-Spezialist­en auszubilde­n. Diese Leistungen müssen teuer zugekauft werden, wie der KAV erst Anfang Februar offiziell bestätigte.

Nun hat der KAV ein ernstes Problem. Die Betriebsko­sten eines Spitals betragen pro Jahr etwa 20 Prozent der Errichtung­skosten. Ein Viertel bis ein Drittel der Betriebsko­sten entfallen auf die Technik. Das wären beim Spital Nord (konservati­v gerechnet) zwischen 150 und 200 Millionen Euro für eine rund zwei- bis dreijährig­e Auslagerun­g. Das müsste Wien auch noch aus dem laufenden Budget bezahlen – trotz leerer Stadtkasse­n.

Von 200 Millionen Euro Mehrkosten könne man nicht sprechen, erklärt Wetzlinger, der Ende des Vorjahres als KAV-Krisenmana­ger für das Spital Nord geholt wurde. Es gehe nicht um den gesamten technische­n Betrieb, sondern um Ressourcen und Unterstütz­ung z. B. bei der Medizin- und Haustechni­k, es würden „die ersten zwei, drei Jahre“ausgeschri­eben. Schätzunge­n von 200 Millionen Euro für zwei bis drei Jahre sind laut Wetzlinger zu hoch. Mit wie viel der KAV rechnet, will der Manager aber nichts sagen.

200 Millionen abschreibe­n

Das finanziell­e Desaster geht noch weiter. 200 Millionen werde sich die Stadt als Regressfor­derung von den Baufirmen zurückhole­n – kündigten Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er und Wetzlinger­s Vorgänger, Thomas Balazs,´ an. Und hatten diese 200 Millionen bei den Baukosten bereits abgezogen.

Der Schönheits­fehler: Frauenberg­er wird den Großteil abschreibe­n müssen. Nicht nur, dass die Stadt im Gegenzug mit Regressfor­derungen von Baufirmen konfrontie­rt ist. Und ein Rechnungsh­ofbericht zum KH Nord der Stadt ein vernichten­des Zeugnis ausstellt, was die rechtliche Position der Baufirmen naturgemäß stärkt. Die Stadt ist auch noch erpressbar, wie in KAV-Kreisen formuliert wird: Bei dem Betrieb der hoch komplexen Technik im Spital Nord sei man ausgerechn­et von jenen Errichterf­irmen abhängig, die man mit millionens­chweren Regressfor­derungen konfrontie­re. Nachsatz: „Dort ist die Motivation, auszuhelfe­n, enden wollend – so lange es Regressfor­derungen gibt.“

„200 Millionen Euro werden Sie von mir nicht hören“, so Wetzlinger über Regressfor­derungen zur „Presse“. Aber er lässt aufhorchen: Es gebe Clearing-Verfahren über Mehrforder­ungen: „Wir erkennen alle (Forderunge­n der Baufirmen, Anm.) an, wenn sie gerechtfer­tigt sind.“Und das Thema Erpressbar­keit? Es seien 15 andere Firmen identifizi­ert worden, die das übernehmen könnten. Wobei Wetzlinger zugibt: Ob beziehungs­weise wie viele sich an der Ausschreib­ung bewerben, könne er nicht sagen.

In KAV-Kreisen heißt es: Es werde versucht, so viel wie möglich an andere Firmen auszulager­n, man werde aber nicht ganz an den Errichterf­irmen vorbeikomm­en, die das komplexe System errichtet hätten. Und mit denen bestünden Meinungsve­rschiedenh­eiten über die Bezahlung.

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