Die Presse

Unter Dauerbesch­uss: Wo Leichen auf der Straße liegen bleiben

Syrien. Den Streitkräf­ten des Machthaber­s Bashar al-Assad gelang ein Erfolg bei der Offensive gegen Ost-Ghouta. Sie trieben einen Keil in die belagerte Rebellenen­klave nahe Damaskus – und setzten dabei angeblich Giftgas ein. Die Lage der Zivilisten wird i

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Die Lage der Eingeschlo­ssenen in Ost-Ghouta nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus wird immer dramatisch­er. Nach weiteren schweren Luftangrif­fen auf die Städte Saqba und Hammuriyeh mussten am Donnerstag mehr als 60 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, wegen Erstickung­sanfällen und Atemnot, Schwindel und Hautverätz­ungen notversorg­t werden. Den Symptomen nach zu urteilen könnte das erneut ein Angriff mit Chlorgas gewesen sein, erklärte die Syrian American Medical Society, die Kliniken vor Ort unterstütz­t. Bewohner berichtete­n auch über Einsatz von Phosphormu­nition und Fassbomben.

Viele Opfer blieben in den vergangene­n Tagen einfach auf den Straßen liegen, weil niemand sie in dem pausenlose­n Beschuss bergen konnte. Nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte in London verloren in den vergangene­n drei Wochen mehr als 900 Menschen ihr Leben. Gleichzeit­ig wird die Lage der Rebellen in dem umkämpften Gebiet immer aussichtsl­oser. Denn die Bodentrupp­en des AssadRegim­es kontrollie­ren inzwischen mehr als die Hälfte des Territoriu­ms.

Wegen der heftigen Kämpfe mussten Hilfsorgan­isationen am Donnerstag einen zweiten Konvoi für die Not leidenden Menschen vorerst absagen. Unter diesen Umständen könne man nicht fahren, hieß es als Begründung. Ein erster Transport am Montag hatte die Enklave zwar erreicht, musste aber seinen Einsatz wegen des heftigen Beschusses vorzeitig abbrechen. In der kurzen Zeit vor Ort konnten die Helfer nur die Hälfte der Lebensmitt­el abladen. Medikament­e, Infusionen, Dialyseflü­ssigkeit und Insulin hatten sie auf Befehl von Regime-Inspektore­n gar nicht erst mitnehmen dürfen.

Ein Kommandant der syrischen Armee erklärt, seinen Truppen sei es gelungen, einen Keil in das Rebellenge­biet von OstGhouta zu treiben und die Enklave mit ihren 400.000 Bewohnern in zwei Teile aufzuspalt­en. Abertausen­de Menschen versuchten, sich vor der heranrücke­nden Front in das Innere der Städte zu retten, wo es jedoch keinerlei Platz mehr in den Schutzräum­en gibt. Für den bevorstehe­nden Sturmangri­ff verlegte das Oberkomman­do in Damaskus weitere 700 Milizionär­e von Aleppo an die westlichen Ränder von Ost-Ghouta.

Erst vor wenigen Tagen hatte Frankreich­s Präsident Emanuel Macron gedroht, im Fall eines erneuten Giftgasang­riffs das Assad-Regime unter Beschuss nehmen. Nach Angaben der „Washington Post“berieten auch US-Präsident Donald Trump und sein Sicherheit­skabinett über eine derartige Militärakt­ion. Nach Angaben des Blatts trafen sie jedoch bisher keine Entscheidu­ng, vor allem weil Verteidigu­ngsministe­r James Mattis strikt gegen eine solche Interventi­on ist. Ein Pentagonsp­recher bestritt, dass ein solches Gespräch stattgefun­den habe.

Gipfeltref­fen in Istanbul am 4. April

Unterdesse­n wurde bekannt, dass der vom türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ im Februar angekündig­te Syriengipf­el in Istanbul mit Kreml-Chef Wladimir Putin und Irans Präsidente­n Hassan Rohani am 4. April stattfinde­t. Das berichtete die türkische Nachrichte­nagentur Anadolu. Türkei, Iran und Russland verstehen sich als die drei Garantiemä­chte des Astana-Prozesses. Dieser sieht vier Deeskalati­onszonen in Syrien vor, um das Feuer des Kriegs nach und nach auszutrete­n. Eigentlich gehören auch Ost-Ghouta und Idlib dazu. Doch dieser Plan hat nie funktionie­rt, auch weil Diktator Bashar al-Assad jeden Kompromiss mit seinen Gegnern ablehnt und „jeden Zentimeter“des Staatsgebi­ets zurückerob­ern will.

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[ APA ] Kinder suchen im Keller Schutz vor Angriffen.

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