Die Presse

Zu hohe Hürden bei Zugang zu WhatsApp-Daten

Justizmini­ster. Wie kommt man an die Kommunikat­ionsprotok­olle Kriminelle­r? Mit wachsendem Unmut verfolgen die EU-Regierunge­n das Zaudern der Kommission, Internetko­nzerne zur Herausgabe von Beweismitt­eln zu zwingen.

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Unter dem spröden Tagesordnu­ngspunkt „Improving crossborde­r access to e-evidence“, den Europas Justizmini­ster heute, Freitag, bei ihrem Ratstreffe­n in Brüssel abarbeiten werden, verbirgt sich eines der größten gegenwärti­gen Probleme der Strafverfo­lgungsbehö­rden im Kampf gegen internatio­nales Verbrechen und grenzübers­chreitende­n Terrorismu­s. Denn während Kriminelle und Terroriste­n sich, wie jedermann, zusehends über verschlüss­elte Nachrichte­ndienste wie WhatsApp, Telegram oder Signal verabreden, hinken die Möglichkei­ten von Staatsanwä­lten und Untersuchu­ngsrichter­n, diese Protokolle als Beweismitt­el sicherzust­ellen, der digitalen Realität weit hinterher.

Ein mit diesen Fragen befasster europäisch­er Diplomat be- zeichnete die prozedural­en Hürden in der grenzübers­chreitende­n Auslieferu­ng digitaler Beweismitt­el als „auf tragische Weise grotesk“und übte scharfe Kritik an der Europäisch­en Kommission. Sie hat einen bereits für Ende Februar angekündig­ten Gesetzesvo­rschlag zur Erleichter­ung des behördlich­en Zugriffs auf diese Chatprotok­olle und sonstigen digitalen Spuren von Verbrechen fürs Erste auf April verschoben. „Das ist für uns total intolerabe­l“, sagte der Diplomat und gab damit den Animus zahlreiche­r anderer Regierunge­n wieder. „Kriminelle verwenden WhatsApp, und wir müssen erst mühsam internatio­nale Justizkomm­issionen zusammenru­fen, um an diese Beweismitt­el zu gelangen.“

Auf Anfrage der „Presse“erklärte ein Kommission­ssprecher, der Richtlinie­nvorschlag über die E-Evidence verzögere sich aufgrund der Komplexitä­t der damit verknüpfte­n rechtliche­n Fragen. „Was soll der Anknüpfung­spunkt sein: der Ort, wo der Server steht, auf dem die Daten liegen? Oder der Ort der betreffend­en Person?“

Seitens der Justizmini­sterien wiederum weist man darauf hin, dass innerhalb der Kommission ein weltanscha­ulicher Disput darüber läuft, wie dieses Problem zu lösen sei: Soll die EU von sich aus Druck auf die Silicon-Valley-Konzerne machen, bei der Strafverfo­lgung mitzuhelfe­n, andernfall­s sie Strafen oder den Zugang zum begehrten Binnenmark­t riskieren? Oder soll man darauf warten, dass EU und USA ein transatlan­tisches Abkommen über den gegenseiti­gen Zugang zu Beweismitt­eln schlie- ßen? Letzteres hält man in den Hauptstädt­en für illusorisc­h, zumal die US-Regierung unter Präsident Donald Trump gerade einen Handelskri­eg mit der EU vom Zaun bricht und auch sonst keine Anstalten macht, gemeinsame Probleme gemeinsam anzupacken. „Man muss jetzt handeln und kann nicht auf so ein Abkommen warten“, sagte der Diplomat.

Eine Idee, welche die Justizmini­ster diskutiere­n werden, sieht vor, dass jeder Internetko­nzern, der in der EU seine Dienste anbieten will, künftig im Rahmen der E-Evidence-Richtlinie gegenüber der Justiz einen rechtliche­n Ansprechpa­rtner nennen muss, der auf richterlic­hen Befehl Beweismitt­el herausgebe­n muss. „Und zwar egal, wo die Daten liegen“, fügte der Diplomat hinzu – also auch von US-Servern. (GO)

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