„Nur Laienverbrecher telefonieren“
Überwachung. Cornelia Koller, neue Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, befürwortet im „Presse“-Gespräch neue Befugnisse in der Strafverfolgung. Skeptisch sieht sie höhere Strafen.
Die Presse: Die Koalition will das vor zwei Jahren reformierte Strafrecht nochmals reformieren, vor allem, um die Strafen für Gewalt- und Sexualdelikte zu erhöhen. Ist das notwendig? Cornelia Koller: Für uns ist wichtig, dass zuerst die Reform evaluiert wird. Die Strafen muss man einzelfallbezogen beurteilen. Wir glauben nicht, dass mit der Erhöhung der Strafrahmen ein großer general- und spezialpräventiver (auf die Allgemeinheit bzw. den Einzeltäter bezogener, Anm.) Effekt eintritt.
Was würde mehr helfen? Es wäre effektiver, eine hohe Aufklärungsquote und ein rasches Verfahren zu gewährleisten. Ich glaube nicht, dass ein Täter gerade im Bereich der Gewalt- oder Sexualdelikte darüber nachdenkt, wie hoch sein Strafrahmen ist. Das sind vielmehr emotionale Delikte, die passieren. Aber wir sind bei jeder Evaluierung offen, und wenn größere Strafrahmen ein Wunsch der Bevölkerung sind, kommen wir dem nach. Wir sind nicht die Legislative, sondern die umsetzende Staatsgewalt, und wir sind uns unserer Aufgabe durchaus bewusst.
Die Dauer der Verfahren ist ein heikler Punkt, aber vor allem bei den großen Wirtschaftsprozessen, die jahrelang dauern. Wir fordern einen Ausbau des Einsatzes von Experten, wie es sie bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gibt, auch bei den anderen Staatsanwaltschaften. Das hat sich extrem bewährt. Wir sollten Banksachverständige, Buchsachverständige und IT-Spezialisten vor Ort direkt bei der Behörde zur Verfügung haben. Das sind auch die größten Kostenpositionen bei den Sachverständigengebühren; es gäbe also auch ein Einsparungspotenzial, wenn man diese Personen anstellen würde. Der zweite große Bereich ist die internationale Zusammenarbeit. Wir brauchen eine noch bessere Vernetzung, eine Vereinfachung der Rechtshilfe und der polizeilichen Kooperation, damit das möglichst ohne formelle Aufwände geht und schnell Unterlagen aus dem Ausland kommen.
Sie haben die IT-Spezialisten erwähnt. Wie kommen Sie mit neuen Phänomenen der Kriminalität zurecht, etwa Pyramidenspielen in einer virtuellen Währung? ist neue Präsidentin der Vereinigung Österrei-chischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Die Grazerin leitet eine Gruppe mit Schwerpunkt Wirt-schaftsund Finanzstrafsachen in der Staatsanwaltschaft Graz und war bisher Vizepräsidentin der Vereinigung. Koller ist verheiratet und Mutter eines Kindes. Hier haben wir schon ein bisschen das Gefühl, dass die Ressourcen fehlen, gerade auch im polizeilichen Bereich. Wir brauchen eine bessere technische Ausstattung, weil die Kriminalität neue technische Mittel nutzt. Es gibt nicht nur WhatsApp-Verkehr, es gibt Kommunikation über Spielkonsolen, Cybercrime: Das sind neue Fälle, die auf uns zurollen. Ich glaube nicht, dass wir hier technisch fit sind. Wir müssen technisch und personell in der Lage sein, die großen Datenvolumen schnell und effizient auszuwerten.
Sie befürworten also die geplanten neuen Ermittlungsmethoden wie die Überwachung von Internetkommunikation, bei der die Koalition mit der Telefonüberwachung gleichziehen will? Ja. Das ist ganz dringend notwendig, weil das Telefon nur mehr von Laienverbrechern verwendet wird, wenn ich das so flapsig sagen darf. Gerade in der organisierten Krimi-
im Rahmen einer außerordentlichen Generalversammlung der Vereinigung ist notwendig geworden, weil deren bisheriger Präsident, Gerhard Jarosch, nach Den Haag gewechselt hat. Jarosch hat dort mit Jahresbeginn die Funktion des Nationalen Mitglieds für Österreich bei Eurojust, der Justizbehörde der EU, angetreten und hat zeitgleich seine Funktion als Präsident der Staatsanwälte-Vereinigung zurückgelegt. nalität hat sich herumgesprochen, dass die Internetkommunikation nicht überwacht werden kann und daher sicherer ist. Darüber wird auch am Telefon gesprochen – wir hören laufend: „Wir telefonieren über WhatsApp, wir kommunizieren über Viber“et cetera.
Kritiker warnen vor dem Überwachungsstaat. Gegen den bin ich auch. Aber der Rechtsschutz in der Justiz reicht aus, um die neuen Mittel rechtfertigen zu können. Es gibt die Rechtschutzbeauftragten, die mit den Ergebnissen konfrontiert werden, es ist eine richterliche Genehmigung erforderlich, und wir müssen einen konkreten, bei der Telefonüberwachung sogar dringenden Tatverdacht formulieren und argumentieren können.
Ein Dauerthema der Standesvertretung der Staatsanwälte ist die Weisungsbefugnis des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten. Ist das Thema mit dem neuen Weisungsbeirat erledigt? Nein. Das ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber unser Wunsch wäre eine unabhängige Staatsanwaltschaft mit einer Person an der Spitze, die zwar eine politische Verantwortung gegenüber dem Parlament hat, aber nicht parteipolitisch beeinflussbar ist. Also ohne Anbindung ans Ministerium. In welcher Form das auch immer ausgestaltet wird: Es müsste eine direkt dem Parlament verantwortliche Weisungsspitze sein.