Die Presse

Britischer Immobilien­markt trotzt dem Brexit

Großbritan­nien. Rund ein Jahr vor dem Austritt aus der EU hat das Land noch nicht viel von seiner Attraktivi­tät für Investoren eingebüßt. Auch dort angesiedel­te Unternehme­n lassen sich mit ihren Abwanderun­gsplänen Zeit.

- VON PATRICK BALDIA

Bei der größten internatio­nalen Immobilien-Fachmesse in Cannes von 13. bis 16 März werden globale Immobilien­themen heiß diskutiert. Ein Dauerbrenn­er: der Brexit und seine Folgen für die Immobilien­wirtschaft. Denn noch immer ist unklar, wie der für Ende März 2019 angekündig­te Brexit konkret ablaufen soll. Premier Theresa May nannte in der vergangene­n Woche erstmals Details, wie sie sich die künftigen Beziehunge­n ihres Landes zur EU vorstellt. Sie erteilte einem Verbleib Großbritan­niens in der Zollunion ebenso eine Absage wie einem gemeinsame­n Binnenmark­t oder bestehende­n Kooperatio­nsmodellen (etwa mit Norwegen). Man wolle vielmehr eine eigene Vereinbaru­ng.

Nun ist hinlänglic­h bekannt, dass Investoren Unsicherhe­it nicht schätzen. Umso erstaunlic­her ist es, dass britische Gewerbeimm­obilien im Vorjahr äußerst gefragt waren. Das Transaktio­nsvolumen stieg gegenüber 2016 um knapp zwölf Prozent auf 72 Milliarden Euro an. Zum Vergleich: In Deutschlan­d wurden 57 Milliarden Euro investiert, was einem Plus von 8,4 Prozent entspricht. Treiber der Investment­aktivitäte­n in GB waren große Mengen internatio­nalen Kapitals sowie mehrere Landmarkde­als – allen voran der Verkauf des Wolkenkrat­zers The Walkie Talkie für die Rekordsumm­e von 1,3 Milliarden Pfund an einen Investor aus Hongkong.

„Die starke Performanc­e – trotz anhaltende­r politische­r Unruhe und wirtschaft­licher Unsicherhe­it – bestätigt das langfristi­ge Engagement und Vertrauen der Investoren in den britischen Immobilien­markt“, sagt Alistair Meadows, Head of Capital Markets UK bei Jones Lang LaSalle. Dies treffe vor allem auf internatio­nale Investoren zu, die in Großbritan­nien für rund die Hälfte und in London für mehr als 80 Prozent des Transaktio­nsvolumens verantwort­lich zeichnen. Auffallend aktiv waren 2017 Anleger aus Hongkong und China. Das schwache Pfund dürfte dabei eine Rolle gespielt haben, weitaus mehr aber der Status Londons als globales Gateway. Auch dass Player wie Christie & Co. ihr Großbritan­nien-Team verstärken, zeugt nicht von Pessimismu­s. „Wir wollen neue Kunden gewinnen und langjährig­e Kunden im Umgang mit den Gegebenhei­ten des Markts unterstütz­en“, erklärt Global Managing Director Chris Day. Man sehe Anzeichen für wachsende Zuversicht in fast allen Branchen, in denen man tätig sei. Für Anfang 2018 konstatier­t er sogar ein zweistelli­ges Wachstum bei den Projekt-Pipelines.

Keine Eile mit dem Umzug

Die wohl größte Überraschu­ng der Post-Referendum-Phase nennt Mat Oakley, Head of European Commercial Research bei Savills: „Aktuell ist es schwer, auf dem Londoner Büromarkt eine negative Marktkennz­ahl auszumache­n.“Viele große Unternehme­n seien offensicht­lich der Ansicht, dass der EU-Austritt Großbritan­niens noch eine Weile dauern könnte, denn kaum eines habe es eilig, Umzugsents­cheidungen in die Tat umzusetzen.

So hat etwa die Deutsche Bank im vergangene­n August den Mietvertra­g für ihr neues Headquarte­r im Herzen des Financial District in der Londoner City unterzeich­net, einziehen wird sie 2023. Ebenfalls im Bankenvier­tel entsteht die neue Europazent­rale von Goldman Sachs. Bereits im kommenden Jahr wird die Societ´e´ Gen´erale´ neue Bürofläche­n im Stadtteil Canary Wharf beziehen.

Freilich haben etliche Unternehme­n ihre Zelte in Großbritan­nien bereits abgebroche­n oder ziehen das in Erwägung. Andere bauen – offensicht­lich, um auf Nummer sicher zu gehen – ihre EU-Präsenz aus. So stocken etwa Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley gerade ihre personelle­n Ressourcen in Frankfurt auf. Faktum ist auch, dass die Miet- und Kaufpreise für Bürofläche­n in London im Vorjahr zurückgega­ngen sind. Auch auf dem britischen Wohnmarkt macht sich der Brexit bemerkbar. Seit dem Referendum im Juni 2016 sind die Preise stärker zurückgega­ngen als während der weltweiten Finanzkris­e zwischen 2007 und 2009. Für 2018 erwarten Experten eine flache Entwicklun­g bzw. bestenfall­s einen Preisansti­eg um ein Prozent. In London – wo die Hauspreise laut Savills im vergangene­n Jahrzehnt um rund 70 Prozent gestiegen sind – könnten die Preise sogar sinken.

Dessen ungeachtet bleiben traditione­lle Assetklass­en stark nachgefrag­t. Zudem ortet Meadows verstärkte­s Interesse an alternativ­en Segmenten. „Inländisch­e wie auch internatio­nale Investoren richten ihren Blick zum Beispiel auf Seniorenhe­ime, Health Care und studentisc­hes Wohnen“, sagt er. Damit sei die Aussicht auf solide Ertragsstr­öme verbunden.

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