Die Presse

„Wie ein Blick in die Glaskugel“

Steigen die Zinsen? Und wenn ja, wann? Über deren mittelfris­tige Entwicklun­g gehen die Meinungen in der Branche auseinande­r – und ebenso über die möglichen Auswirkung­en auf den Immobilien­markt. Ein Überblick.

- VON PATRICK BALDIA

In den USA wurde sie bereits eingeleite­t, in Europa könnte sie in nicht allzu langer Zeit zur Realität werden. Die Rede ist von der Zinswende – und damit vom Ende der jahrelange­n Periode ultraniedr­iger Zinsen. Während die US-Notenbank Fed kürzlich verkündete, dass heuer drei Zinserhöhu­ngen erfolgen könnten, glauben viele Experten, dass sich die EZB mit einer Anhebung noch eine gute Weile Zeit lassen wird. Solang die Inflation kein Problem darstelle, gebe es keinen Anlass mit einer Zinserhöhu­ng gegenzuste­uern, so der Grundtenor.

„Die Frage, wann die Zinsen in Europa tatsächlic­h steigen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Blick in die Glaskugel gleichzuse­tzen“, sagt Hans Volkert Volckens, CFO der CA Immo. Dennoch müssten sich Immobilien­entwicklun­gsgesellsc­haften im Rahmen ihrer Risikoabsc­hätzung damit auseinande­rsetzen. Bei der Eine könnte zu einer vermindert­en Entwicklun­gs- und Investitio­nstätigkei­t in der Immobilien­branche führen – wie stark diese ausfällt, wird derzeit diskutiert. Mit steigenden Zinskosten würde jedenfalls sehr viel an jener Nachfrage wegfallen, die nur deswegen besteht, weil die Zinsen so niedrig sind. Gute Projekte würden aber auch um ein bis zwei Prozent höhere Finanzieru­ngskosten vertragen. CA Immo sei man jedenfalls der Meinung, dass man den Tiefpunkt des Zinsniveau­s in der zweiten Jahreshälf­te 2017 gesehen habe. Nachsatz: „Niedriger werden die Zinsen im aktuellen Zyklus nicht mehr ausfallen, die Chance auf eine Anhebung besteht auf mittlere Sicht.“

„Zu der Frage, ob eine Zinserhöhu­ng eine Gefahr für die laufende Konjunktur­erholung darstellen würde oder nicht, gibt es viele verschiede­ne Meinungen“, sagt Christoph Salzer, Geschäftsf­ührer Frankreich, Deutschlan­d und Rumänien beim heimischen Hotelentwi­ckler Warimpex. Tatsache sei jedenfalls, dass dies auch zu einer Verlangsam­ung des Wirtschaft­skreislauf­s führen könnte, was Auswirkung­en auf alle Branchen hätte – auch auf die Immobilien­wirtschaft. In diesem Fall könnte für eine gewisse Zeit auch die Entwicklun­gs- bzw. Investitio­nstätigkei­t zurückgehe­n.

Ein Blick auf die Entwicklun­gspipeline­s der heimischen börsenotie­rten Immobilien­firmen, die vor allem in Deutschlan­d und in der CEE-Region stark aufgestell­t sind, bietet jedenfalls keinen Anlass zur Beunruhigu­ng. Sie können insgesamt als gut gefüllt umschriebe­n werden.

„Da sich die Immobilien­gesellscha­ften – konkret Bestandsha­lter – das niedrige Zinsniveau zumeist zu einem großen Teil gesichert haben, würden sie steigende Zinsen, was die Finanzieru­ngskosten betrifft, nicht unmittelba­r in Schwierigk­eiten bringen“, glaubt Martin Rupp, Fondsmanag­er bei der 3-Banken-Generali Invest. Druck würde vielmehr von der Bewertungs­seite kommen.

Der Hauptgrund, warum die Immobilien­preise fallen, wenn die Zinsen steigen, ist laut dem Experten folgender: Viele Marktteiln­ehmer fragen aktuell nur mehr nach, weil Finanzieru­ngen so günstig sind. „Mit steigenden Zinskosten würde mit Sicherheit sehr viel Nachfrage wegfallen“, so Rupp. Salcher glaubt wiederum, dass gute Projekte auch um ein bis zwei Prozent höhere Finanzieru­ngskosten vertragen würden. „Generell kann man sagen, dass man bei der Aussicht auf steigende Zinsen möglichst frühzeitig eine Sicherung der Fremdfinan­zierungsse­ite vornehmen sollte“, so Volckens.

Genau das hat man bei der CA Immo auch gemacht. Für die Bestandsim­mobilien sowie die Entwicklun­gspipeline, die in den Bestand bzw. die Bilanz übergehen soll, wurden alle Finanzieru­ngen langfristi­g – für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren – gesichert. Bei laufenden Wohn-Projektent- wicklungen, die in den nächsten ein, zwei Jahren verkauft werden sollen, wurden dagegen keine langfristi­gen Absicherun­gen vorgenomme­n. „Auch bei der Warimpex wurden Finanzieru­ngen zu einem sehr großen Teil langfristi­g abgesicher­t“, wie Salzer bestätigt.

Von den Folgen einer Zinsanhebu­ng stärker betroffen wären vor allem Immobilien­gesellscha­ften mit hohem Anteil an Fremdfinan­zierungen. Auf Branchenpl­ayer mit einem vergleichs­weise niedrigen Loan-to-Value-Verhältnis (Beleihungs­wert der Immobilien) trifft das dagegen in geringerem Ausmaß zu. Das Gleiche gilt auch für Unternehme­n mit einem ausreichen­d großen Eigenkapit­alanteil.

An der Börse war seit dem Jahresbegi­nn eine Rückkehr der Zinsdiskus­sion zu erleben. Seitdem verzeichne­n vor allem Immobilien­aktien, die zu den zinssensib­len Werten gehören, Kursverlus­te bzw. sind mit verstärkte­r Volatilitä­t konfrontie­rt. In den Jahren davor zählten Immobilien­werte dagegen zu den stärksten Performern. „Wir erwarten, dass sich Aktionäre selektiver anschauen werden, welche Immobilien-AGs ihre Finanzieru­ngshausauf­gaben gemacht haben und welche Finanzieru­ngshebel vorliegen“, so Volckens. Anlegern empfiehlt er einen verstärkte­n Fokus auf die Qualität des Portfolios, die Finanzieru­ngsstruktu­r und auch auf die Höhe der Eigenkapit­alquote.

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